Hamburg . Die Brauerei will von Altona nach Hausbruch ziehen, doch eine Gewerbefläche, die zum Biotop wurde, wird nun zum Problem.

Verzögern ein paar Millionen Grashalme den Umzug der Holsten-Brauerei von Altona in den Bezirk Harburg? Die CDU-Fraktion in der Harburger Bezirksversammlung befürchtet genau das und hat deshalb eine Anfrage an die Verwaltung gestellt. Im Einleitungstext, der den eigentlichen Fragen vorangestellt ist, unterstellen die Christdemokraten dem Bezirksamt, sich beim Baugenehmigungsverfahren querzustellen und der Brauerei zu verweigern, Naturschutzausgleich außerhalb des Geländes vorzunehmen. Fragt man die Beteiligten, also Behörden und Brauer direkt, gibt es keine Verzögerungen. Der Wildwuchs am Heykenaukamp ist zwischen Bauherren und Umweltbehörde allerdings schon ein Thema, an dem man gemeinsam arbeiten muss.

Bereits Ende der 80er-Jahre wurde das Grundstück zwischen der Autobahn A7 und der Straße Heykenaukamp als Industriegebiet ausgewiesen – zusätzlich zu dem Industriegebiet, das sich bereits am Heykenaukamp befindet. Dies war nur wenige Jahre vorher eingerichtet worden und schnell vollständig belegt. Unter anderem finden sich dort das Tesa-Werk des Beiersdorf-Konzerns und zahlreiche Logistikbetriebe, die auf die Nähe zu Hafen und Autobahn setzen. Das Zusatzgrundstück verpasste den Boom allerdings und lag lange in einem Dornröschenschlaf.

Aus der Gewerbefläche wurde ein Biotop

Das gesamte Gewerbegebiet liegt eigentlich im Neugrabener Moorgürtel. Um es bebauen zu können, mussten zweienhalb Meter Sand aufgeschüttet werden. In der Bebauungsplanbegründung wird der Verlust der Feuchtwiesen zwar problematisiert, der mögliche Zugewinn an Arbeitsplätzen allerdings höher bewertet. Zweieinhalb Meter über dem ehemaligen Feuchtbiotop lag nun eine trockene Sandfläche brach – zweieinhalb Jahrzehnte lang. Im wahrsten Sinne des Wortes wuchs Gras über die Angelegenheit: Trockenrasen.

Der wird jetzt zum Problem, und das nicht etwa, weil Gras und Bier sich nicht vertragen. Wilder Trockenrasen kommt als Biotop mittlerweile nur noch selten vor, ist daher geschützt. Dass die Voraussetzungen für dieses geschützte Biotop erst durch die Anlage einer Gewerbefläche geschaffen wurden, ist im Naturschutzrecht unerheblich.

Eigentlich sollte der Umzug schon 2018 beginnen

Ein wesentliches Planungshindernis soll der geschützte Rasen aber nicht sein, sondern lediglich eine von vielen Aufgaben, die in einem Planverfahren abgearbeitet werden müssen: „Bei Bauvorhaben die Möglichkeiten für einen sinnvollen Erhalt geschützter Biotope zu finden, ist das Tagesgeschäft unserer Naturschutzabteilung“, sagt Jan Dube, Pressesprecher der Umweltbehörde, „im Fall der geplanten Brauerei in Hausbruch werden in konstruktiven Gesprächen mit dem Investor der teilweise Erhalt und ein Ausgleich an anderer Stelle besprochen. Hier ist alles auf einem guten Weg.“

Ursprünglich wollte die Holsten-Brauerei ihren Betrieb 2018 von Altona nach Hausbruch verlagern. Im Januar kündigte der Holsten-Mutterkonzern Carlsberg allerdings an, dass Neubau und Umzug sich verzögern würden und nun das Jahr 2019 angepeilt wird, damit man in Ruhe das Genehmigungsverfahren betreiben könne. „Das hat mit dem Biotop aber nichts zu tun“, sagt Christoph Boneberg, Pressesprecher von Carlsberg Deutschland, „was das angeht, sind wir einer Lösung relativ nah.“

Auch die Brauerei-Technik soll komplett modernisiert werden

Mehr Zeit braucht laut Boneberg eher die genehmigungsfähige Entwicklung der neuen Brautechnik. Carlsberg will die Holsten-Brauerei nicht aus Altona mitnehmen, sondern hier eine hypermoderne neue aufbauen. Das erfordert nicht nur Entwicklungsarbeit, sondern muss auch so dokumentiert werden, dass die Genehmigungsbehörden nachvollziehen können, was neu erfunden hat.

Dies bedeutet natürlich auch für die Verhandlungen um den Naturschutz-Ausgleich ebenso einen Zeitgewinn, wie für die arbeitsrechtlichen Aspekte des Umzugs: Carlsberg hatte angekündigt, mit dem Neubau der Brauerei einen Stellenabbau zu verbinden. Je länger der Prozess dauert, desto sozialverträglicher können Brauer und Betriebsrat diesen gestalten.

Die CDU findet die Angelegenheit trotzdem ärgerlich: „Das heißt ja, dass Grundbesitzer, die der Natur freien Lauf lassen, bis sie ein Grundstück brauchen, die Angeschmierten sind, während die, die jeden Grashalm kappen, die Vorteile haben. Wo ist da der Naturschutz?“, fragt Rainer Bliefernicht, Fraktionsvize der Bezirks-CDU.