Hamburg. Der Konzern bekennt sich zum Standort Hamburg. Die IT-Probleme des Unternehmens halten nach dem Hackerangriff an.

Nein, die Telefonanlage funktioniere leider immer noch nicht, sagt Stefan Heidenreich mit einem gequälten Lächeln. Zwei Tage nach dem schlimmsten Hackerangriff in der Geschichte von Beiersdorf ist dem Vorstandschef schon klar, dass er an diesem Tag noch viele Fragen zu Computern, Viren und IT-Sicherheit beantworten muss. Dabei soll es im Foyer des Forschungszentrums in Eimsbüttel doch eigentlich um ein anderes Thema gehen: 230 Millionen Euro steckt der Nivea-Hersteller in den Bau einer neuen Konzernzentrale unweit des bisherigen Hamburger Hauptsitzes. Mindestens 3000 Beschäftigte finden hier Platz, der weitaus größte Teil wird innerhalb des Konzerns umziehen.

Noch in diesem Jahr soll mit dem Bau auf dem eigenen Gelände begonnen werden, die Fertigstellung ist für 2021 geplant. „Das ist eine Jahrhundertentscheidung“, sagt Heidenreich. Immerhin hielten solche Gebäude 50 bis 100 Jahre. „Damit rüsten wir uns für weiteres Wachstum und bekennen uns zugleich zum Standort Hamburg.“ In den nächsten Jahren könne die Zahl der Beschäftigten in der Hansestadt durchaus um zehn bis 15 Prozent aufgestockt werden, so der Chef.

Im Inneren umso interessanter

Die neue Konzernzentrale wird an der Troplowitzstraße direkt neben dem bisherigen Forschungszentrum entstehen. Der sechsgeschossige Komplex wurde zwar vom Stararchitekten Hadi Teherani entworfen, wirkt im Vergleich zu anderen Bauten des Wahlhamburgers, der unter anderem die Tanzenden Türme am Millerntor entwarf, eher konservativ. „Hanseatisch zurückhaltend“, sagt Heidenreich dazu. Am ehesten stechen noch die begrünten Dächer heraus.

Im Inneren soll die neue Zentrale aber umso interessanter werden. Nicht nur das Beiersdorf-eigene Fitnessstudio und ein neues Betriebsrestaurant sollen hier einziehen, für die Mitarbeiter soll es auch „Food-Inseln“ geben, wo sich die Beschäftigten Salate und Spezialitäten aus verschiedenen Ländern aussuchen können. Für die Gestaltung der Büros will sich der Beiersdorf-Chef bei großen Internetkonzernen wie Google und Facebook Anregungen holen. Demnächst will Heidenreich noch die Konzernzentrale von Apple im Silicon Valley besuchen.

Weiterer Anbau für das Forschungszentrum

Einen weiteren Anbau soll das Forschungszentrum von Beiersdorf bekommen. Es wird um einen modernen Laborkomplex mit 11.000 Quadratmetern erweitert. Dadurch schaffe der Kosmetikkonzern die Voraussetzungen, um seine führende Stellung etwa im Bereich Hautpflege weiter auszubauen, so Heidenreich.

Mit Zentrale und Produktion mitten in einem dicht bewohnten Stadtteil ist Beiersdorf ein Unikum unter den deutschen Großkonzernen. Andere Hamburger Unternehmen wie die Holsten-Muttergesellschaft Carlsberg sind gerade dabei, ihre Produktionsstätte an den Stadtrand zu verlegen. Beiersdorf selbst hatte vor einigen Jahren schon die Entscheidung getroffen, mit der Tochtergesellschaft Tesa von Eimsbüttel nach Norderstedt zu ziehen, weil am alten Standort nicht mehr genügend Raum für Wachstum war.

Interesse, die Zentrale in Hamburg zu halten

Insofern war das Interesse der Stadt groß, zumindest die Zentrale des Gesamtkonzerns in Hamburg zu halten. Er sei froh, dass Beiersdorf mit dem geplanten Neubau ein deutliches Signal für den Verbleib in der Hansestadt und speziell auch in Eimsbüttel gesetzt habe, sagt Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). „Es ist gut und wichtig, dass ein großes Unternehmen mitten in der Stadt liegt. Quartiere bleiben lebendig und attraktiv, wenn Menschen direkt vor Ort Arbeit finden.“

Der lange verfolgte Ansatz, Wohnen und Arbeiten zu trennen sei eine Fehlentwicklung gewesen, so Scholz. Um sowohl dem Konzern als auch den Anwohnern langfristig gerecht zu werden, hat die Stadt eine Art Ringtausch ausgehandelt. Beiersdorf erhält von der Stadt ein zusätzliches, zwölf Hektar großes Gelände, das direkt an die Produktionsstätte in Eimsbüttel angrenzt. Bei Bedarf kann der Konzern die Fläche, auf der sich bislang Kleingärten befinden, zur Erweiterung nutzen.

Beiersdorf-Chef
Stefan Heidenreich
(r.) und
Hamburgs Bürgermeister
Olaf Scholz
(SPD) stellten
die Neubaupläne
gemeinsam vor
Beiersdorf-Chef Stefan Heidenreich (r.) und Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stellten die Neubaupläne gemeinsam vor © dpa

Im Gegenzug hat sich Beiersdorf bereiterklärt, die bisherige Konzernzentrale an der Unnastraße nach dem Umzug für Wohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Fläche und Gebäude verbleiben zwar im Eigentum des Nivea-Herstellers, das Gelände soll aber zusammen mit Anwohnern zu einem neuen Quartier entwickelt werden.

Wenig erfreulich ist für Beierdorf, dass der Konzern nach wie vor unter den Folgen der jüngsten Cyberattacke zu leiden hat. „Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, aber wir sind noch nicht über den Berg“, so Heidenreich.“

Interne und externe IT-Experten hätten die Nacht auf Feldbetten im Unternehmen verbracht, um die Probleme zu beheben. Nach wie vor seien nicht nur die Telefonanlage und das IT-System beeinträchtigt, sondern auch Teile der Produktion. Priorität habe es jetzt, die Lieferfähigkeit und die Versorgung der Kunden mit Nivea und anderen Konzernprodukten sicherzustellen. „Bislang sind die wirtschaftlichen Schäden vergleichsweise gering. Es gibt ausreichend Lagerbestände, um den Einzelhandel zu versorgen.“

Cyber-Angriff nicht zu verhindern

Beiersdorf war am Dienstag von einem Cyber-Angriff überrascht worden. Auch zahlreiche weitere Unternehmen waren betroffen, darunter die weltgrößte Containerreederei Maersk. Hackern war es gelungen, von der Ukraine aus eine Erpressungssoftware auf die Rechner der Konzerne zu schmuggeln. Diese verschlüsselte die Daten auf den Festplatten und zeigte eine Lösegeldforderung von 300 Dollar an. „Wir haben nicht gezahlt, so Heidenreich.

Zu verhindern sei die Attacke nicht gewesen, meint der Beiersdorf-Chef. „Unser Sicherheitssystem ist gut. Gegen diesen Angriff waren alle machtlos.“ Allerdings denke man darüber nach, neben den vorhandenen Windows-Rechnern ein alternatives System für den Notfall aufzubauen. Dies hätte vielleicht auch den Ausfall der Telefonanlage verhindern können. „Aber ganz ehrlich“, sagt Heidenreich. „Die Telefone sind unser geringstes Problem.“