Hamburg/Leipzig. Der Prozess nach der brutalen Vergewaltigung in Harburg geht in die Verlängerung. Bundesanwalt nennt Urteil zu milde.
Sie missbrauchten eine wehrlose 14-Jährige mehrfach und filmten das Verbrechen. Dann legten sie das hilflose Opfer bei eisiger Kälte in einem Hinterhof ab. Jetzt hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Fall um die brutale Vergewaltigung erneut vor dem Hamburger Landgericht verhandelt werden muss. In einem ursprünglichen Prozess hatte einzig ein 21-jähriger Täter vier Jahre Freiheitsstrafe erhalten. Gegen vier weitere Angeklagte im Alter von 14 bis 17 Jahren waren mit dem Urteil vom 20. Oktober vergangenen Jahres Bewährungsstrafen verhängt worden.
Laut der Entscheidung der BGH-Richter wird das Hamburger Gericht zu prüfen haben, ob die 14-Jährige auch zum Opfer einer Aussetzung wurde. Dies wäre dann der Fall, wenn das Opfer in eine hilflose Lage gebracht wird, bei der eine schwere Gesundheitsgefährdung oder gar der Tod droht. Ferner muss es in der neuen Verhandlung darum gehen, ob sich die beschuldigten vier jungen Männer und eine junge Frau jugendpornografisches Material beschafft haben, als sie den Missbrauch filmten. Beides könnte für die Beschuldigten höhere Strafen nach sich ziehen.
Tat und Prozess hatten für erhebliches Aufsehen gesorgt
Tat und Prozess hatten für erhebliches Aufsehen gesorgt. Vier junge Männer hatten die 14-Jährige am 11. Februar vergangenen Jahres sexuell schwer missbraucht. Die Jugendliche war so betrunken, dass sie keinen Widerstand leisten konnte, als die Täter über sie herfielen und sie unter anderem mit Flaschen vergewaltigten. Wie das Opfer malträtiert wurde, wurde von einigen der Täter sowie einer 15-jährigen Bekannten des Opfers gefilmt, teilweise unter Gelächter. Anschließend wurde die 14-Jährige nahezu unbekleidet bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in einem Hinterhof abgeladen. Ein Anwohner hörte schließlich ihre Hilferufe und alarmierte Rettungskräfte. Als die Jugendliche ins Krankenhaus kam, hatte sie nur noch eine Körpertemperatur von 35,4 Grad.
Die 14-Jährige sei zum Objekt degradiert worden, hatte der Vorsitzende Richter seinerzeit in der Urteilsbegründung gesagt. Sie sei im Hof weggeworfen worden wie Müll. „Es hing vom Zufall ab, ob sie gefunden wird." Dass das Gericht gegen vier der fünf Angeklagten Bewährungsstrafen zwischen ein und zwei Jahren verhängte, hatte der Vorsitzende unter anderem damit begründet, dass diese Täter Geständnisse ablegt und sich reumütig gezeigt hätten. Lediglich der 21-Jährige habe immer wieder neue Versionen geschildert. Nach der Urteilsverkündung waren die Mütter der zu Bewährungsstrafen verurteilten jugendlichen Täter in Freudentränen ausgebrochen.
Den Angeklagten könnten höhere Strafen drohen
Mit der Aufhebung der Urteile durch die BGH-Richter könnte es in einem neuen Prozess vor einer anderen Kammer höhere Strafen für die Angeklagten geben. Die Urteile müssten „neu zugemessen“ werden, hieß es in der Mitteilung der Obersten Richter. Mit seiner Entscheidung folgte der BGH zum Teil der Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Hamburger Landgerichts. Bundesanwalt Hartmut Schneider nannte in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH das ursprüngliche Urteil zu milde.
„Schuldschwere und Strafzumessung müssen zusammenpassen“, sagte er. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beschuldigten hätten ihr Opfer schwer geschunden, dadurch sei ihre Verrohung offenbar geworden. „Es besteht eine außerordentlich hohe Schuld der Tatbeteiligten“, erklärte Schneider. Zudem mahnte der Bundesanwalt an, es müsse der Tatbestand des Beschaffens jugendpornografischen Materials geprüft werden. Darüber hinaus, so der Bundesanwalt, müssten drei der Angeklagten auch dafür bestraft werden, dass sie das Mädchen bei sehr niedrigen Außentemperaturen im Freien abgelegt hätten. Die Verteidiger der Beschuldigten wiesen dies zurück. Eine hilflose Lage des Opfers mit schwerer Gefährdung sei nicht gegeben gewesen, argumentierten die Anwälte.
Bundesrichter widersprachen der Verteidigung
Dem widersprachen die Bundesrichter in ihrer Entscheidung. Die schwer betrunkene 14-Jährige sei bei eisigen Temperaturen in den Hof gelegt worden. Es habe die Gefahr bestanden, dass das Mädchen sich übergibt und Erbrochenes in ihrer Lunge gelandet wäre. Dann wäre eine schwere Gesundheitsgefährdung möglich gewesen. Auch die tiefen Temperaturen seien geeignet gewesen, dem Opfer weiteren Schaden zuzufügen.
Die Anwältin des Opfers hatte in Leipzig erklärt, ihre Mandantin wünsche sich zwar, dass ihre Peiniger härtere Strafen erhielten. Zugleich habe die heute 15-Jährige aber auch geäußert, keinen neue Verhandlung zu wollen. Wann der neue Prozess vor dem Hamburger Landgericht beginnt, ist noch nicht abzusehen. (mit Material von dpa)