Harburg. Hamburgs Erster Bürgermeister (SPD) im Interview über den Verkehr in Harburg und Umland, Investitionen und einen Beachclub.

Gut gelaunt erscheint Hamburgs Erster Bürgermeister zum Interview in der Redaktion der Regionalausgabe Harburg & Umland. Im Mittelpunkt stehen Fragen zur besseren S-Bahn-Anbindung, den Ausbau der A 26 und zur Technischen Universität. Auch das Image des Stadtteils südlich der Elbe ist ein Thema.

Herr Bürgermeister, was verbinden Sie mit Harburg?

Olaf Scholz: Harburg ist ein großartiger Stadtteil, der mit den innerstädtischen Bereichen Hamburgs immer mehr zusammenwächst. Und Harburg ist einer der Orte, an denen Stadtentwicklung erlebbar wird. Vieles, was hier in den letzten Jahren angestoßen wurde, macht diesen Teil Hamburgs lebenswerter und schöner. Das wird der Stadt insgesamt nutzen. Im Übrigen verbinde ich mit Harburg, dass meine Mutter hier lange gelebt hat.

Was antworten Sie den vielen Harburgern, die sich nach wie vor von der Stadt vernachlässigt fühlen?

Wenn das jemals so gewesen sein sollte, trifft dies schon lange nicht mehr zu. Die Entwicklung des Hamburger Südens ist mit bedeutenden Weichenstellungen verbunden. Es gehörte zum Beispiel zu meinen ersten Entscheidungen als Bürgermeister, dass wir die U4 bis zu den Elbbrücken verlängern und dass dort gleichzeitig eine neue S-Bahn-Station entsteht, damit die Fahrgäste aus Richtung Süden direkt in Richtung HafenCity umsteigen können. Dort entsteht eine der schönsten Schnellbahnstationen Hamburgs – ein wichtiges Zeichen für Harburg und den Hamburger Süden.

Es gibt immer noch Stadtpläne von der Touristik-Zentrale, die nördlich der Elbe aufhören. Mancher Auswärtige weiß vielleicht gar nicht, dass Hamburg südlich des Hafens noch weitergeht.

Touristische Stadtplanflyer konzentrieren sich in allen europäischen Metropolen naturgemäß in erster Linie auf die Innenstadt. Aber natürlich bewerben wir auch die zahlreichen touristischen Ziele südlich der Elbe – denken wir nur an den Inselpark, das Alte Land oder Finkenwerder. Wir verfolgen ein Marketing-Konzept, das alle Teile Hamburgs berücksichtigt und noch weit darüber hinausgeht. Wir haben dabei die gesamte Metropolregion im Blick, von Lübeck bis zum Wattenmeer.

Die Tatsache, dass im Rahmen des G20-Gipfels das Gefängnis für festgenommene Randalierer ausgerechnet nach Harburg kommt, stößt hier auf. Hat Harburg so ein Image in Hamburg?

Ach was. Ich fände es gut, wenn wir in der Stadt mehr über die Inhalte des Gipfels und die damit verbunden Chancen sprechen würden und weniger über Sicherheitsaspekte.

Die S-Bahn-Line 3 ist die am stärksten ausgelastete Linie Hamburgs. Es ist die Verstärkerlinie S32 in Aussicht gestellt worden. Sie sollte zunächst 2018 kommen, doch sie verzögert sich immer weiter. Wie schnell ist mit Abhilfe zu rechnen?

Der neue S-Bahn-Vertrag, über den lange verhandelt wurde, reicht bis in die 2030er Jahre. Damit wird die Voraussetzung für eine bessere Anbindung Harburgs geschaffen. Es entstehen größere Kapazitäten, sobald die neu bestellten Fahrzeuge an anderer Stelle zum Einsatz kommen. Die dadurch freiwerdenden Züge stehen dann für die notwendige Verstärkung auf dem Streckenabschnitt Harburg – Hauptbahnhof zur Verfügung. Jede Stadt in Deutschland hat ihre eigenen S-Bahn-Fahrzeuge. Die kann man nicht bestellen wie Busse. Deshalb müssen wir langfristig planen.

In den nächsten zehn Jahren werden in Wilhelmsburg und Neugraben-Fischbek um die 20.000 Menschen eine Wohnung finden. Die wollen auch mobil sein.

Das ist bedacht. Wie wir die Probleme, die in diesem und dem kommenden Jahrzehnt entstehen, lösen, ist in diesem Vertrag umfassend geregelt. Dadurch sind wir in der Lage, mit der erhöhten Nachfrage umzugehen. Aber es braucht Zeit, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen.

Vom tollen neuen Bahnhof Elbbrücken könnte die U4 weiter nach Süden fahren, von der HafenCity zur BinnenhafenCity in Harburg. Denken Sie auch über neue Linien nach?

Die Station Elbbrücken endet derzeit auf Brückenhöhe mit einer großartigen Aussichtsplattform. Das ist die Stelle, an der später eine Verlängerung möglich ist. Hätten wir die Station unterirdisch gebaut, wäre das wahrscheinlich unmöglich geworden. Der Ausbau des Bahnnetzes ist mit erheblichen Kosten verbunden. Wir müssen bei allen Projekten einen großen verkehrlichen Nutzen durch viele tausend zusätzliche Bahnkunden nachweisen, auch, damit wir die unbedingt erforderlichen Bundesmittel bekommen.

Eine zentrale Kategorie ist deshalb der Nutzen für zusätzlich angebundene Quartiere. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns die Möglichkeit erhalten, die U4 weiterzuführen. Aber das ist kein Projekt, mit dem man gegenwärtig rechnen kann. Jetzt werden wir zunächst dafür sorgen, dass die S-Bahn-Kapazitäten groß genug sind.

Auch die Straßen von und nach Hamburg sind überlastet, nicht zuletzt durch die Pendler aus dem Umland. Brauchen wir einen Verkehrskoordinator, der gerade die Elbquerungen im Auge behält?

Eine der wichtigsten Investitionen zur Entlastung Harburgs ist der mehrspurige Ausbau der Autobahn A7 nördlich und südlich der Elbe. Ebenso entlastend wird die bald fertig gestellte neue Wilhelmsburger Reichsstraße wirken. Sie wird nicht nur verlegt, sondern es entsteht auch eine viel leistungsfähigere Straße. Und das mit geringerer Lärmbelastung im Umfeld als derzeit.

Die sicherlich wichtigste Investition, um die Verkehrssituation des Hamburger Südens zu verbessern, ist der schrittweise Bau der A26, den wir jetzt voranbringen. Auch sie wird dafür sorgen, dass der Verkehr dank leistungsfähiger Trassen aus den Stadtstraßen herausgehalten werden kann. Wenn man alles zusammenrechnet, geht es hier um Milliarden, die vom Bund und der Stadt Hamburg investiert werden.

Mit Schleswig-Holstein gibt es einen Verkehrskoordinatoren-Plan. Niedersachsen hat das gerade abgelehnt. Wie gehen Sie damit um?

Wir haben gemeinsam mit Schleswig-Holstein sehr gute Erfahrungen gemacht. Und es ist kein Geheimnis, dass Verkehrssenator Horch gern auch südlich der Hamburger Landesgrenze eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätte. Aber wir werden es auch so hinbekommen.

Wie schätzen Sie die zukünftige Bedeutung des Wirtschaftsraumes Süderelbe ein?

Der Süderelbe-Bereich wird weiterhin große Fortschritte bei Wachstum und Beschäftigung machen. Das betrifft nicht nur die klassischen Industrieunternehmen, sondern auch die modernen Hightech-Betriebe, die sich mittlerweile angesiedelt haben. Airbus zieht ganz viele weltweit tätige Zulieferer an. Damit existiert ein Nukleus für Forschung und Zusammenarbeit mit Hochschulen, vor allem der Technischen Universität Harburg.

Wir haben auf dem Airbus-Gelände eine der modernsten Einrichtungen der Forschungskooperation etabliert. In das Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, ZAL, sind zahlreiche kleine Start-Ups und auch größere Unternehmen eingezogen. Da findet eine äußerst kreative Zusammenarbeit statt. Und wie sich junge Unternehmen aus der TU Harburg heraus gegründet haben, nehmen wir zum Vorbild für ganz Hamburg.

Die Bürgerschaftsfraktionen SPD und Grüne haben gerade einen Antrag gestellt, die Technische Universität stärker zu fördern, damit sie deutlich wachsen kann. Gibt es konkrete Ansätze des Senats, wie die TU zeitnah gefördert werden kann?

Es ist das gemeinsame Anliegen der Regierungsparteien, das Potenzial, das wir an der TU haben, auch zu nutzen. Dazu gehört Wachstum genauso wie die bereits genannten Ausgründungen. Die Hamburger Hochschulen bauen zum Beispiel eine Informatik-Plattform auf, und da spielt die TU eine große Rolle.

Die TU als Motor der Region haben wir hier ja schon etwas länger. Trotzdem ist es so, dass die Arbeitslosenquote im Bezirk Harburg und auch in Wilhelmsburg über dem Hamburger Schnitt liegt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, da etwas zu tun?

Man muss in Harburg sein Licht nicht unter den Scheffel stellen: Wenn hier schon jetzt – sowohl um die Technische Universität herum als auch privatwirtschaftlich – die mit am erfolgreichsten agierenden Technologieparks existieren, dann wird das natürlich weitere Arbeitsplätze schaffen. Auch die Logistikbranche hat eine besondere Bedeutung. Wir müssen deshalb die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auch in diesem Bereich zusätzliches Wachstum möglich wird.

Zum Thema Flüchtlinge: Viele Harburger fühlen sich da über Gebühr belastet. Es kam bei ihnen gar nicht gut an, als es hieß, die Zahlen des Verteilungsschlüssels stellten lediglich eine Orientierungshilfe dar. Ist das wirklich so?

Ich bin nach wie vor davon begeistert, wie viele Hamburgerinnen und Hamburger sich in der Flüchtlingshilfe engagieren. Ohne die Arbeit der vielen Ehrenamtlichen hätten wir unsere Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen kaum erfüllen können. Und ich bin auch sehr froh über die Einigung, die wir mit den verschiedenen Bürgerinitiativen erzielt haben.

Gerade in Harburg hat das sehr gut funktioniert. Die Kooperationsbereitschaft kann durchaus als beispielhaft gelten. Es gehört nach wie vor zu den größten Herausforderungen, eine gleichmäßige Verteilung der Unterkünfte über die ganze Stadt zu organisieren. Das gelingt immer besser, Schritt für Schritt. Der Verteilungsschlüssel, eine Idee, die aus Harburg stammt, war bei der Verständigung über die Bürgerverträge sehr hilfreich. Dennoch sind die zur Verfügung stehenden Flächen nach wie vor knapp – in einer Stadt, die wächst und in der der Wohnungsbau boomt.

2015 ist den Bezirken zugesagt worden, dass der personelle Mehraufwand, der entsteht, in vollem Umfang von der Hansestadt übernommen wird. In der Debatte, wie denn die Kostenerstattung konkret aussehen soll, tauchen aber auf einmal Verrechnungsmodelle mit Personaletat-Überhängen auf, die nun erstmal abgebaut werden sollen, bevor überhaupt Geld von der Finanzbehörde fließt. In der Harburger Bezirksversammlung sorgt das aktuell für viel Aufregung. Wie stehen Sie dazu?

Für alle Behörden ebenso wie für die Bezirke gilt grundsätzlich, dass zunächst alle mit dem Geld auskommen müssen, dass ihnen zur Verfügung steht. Dort, wo es eng wird, finden wir Lösungen. Das ist ein bewährtes Vorgehen, das auch in der Vergangenheit gut funktioniert hat. Klar ist, dass die Bezirke jederzeit in der Lage sein müssen, ihre Aufgaben uneingeschränkt wahrzunehmen. Es können sich alle darauf verlassen, dass wir das im Blick behalten. Insgesamt haben wir mehr als 800 Millionen Euro zusätzlich für Flüchtlinge ausgegeben. Das ist ein sehr hoher Betrag, den wir aufbringen konnten, weil gerade eine gute Konjunktur zusätzliche Steuereinnahmen ermöglicht und weil wir uns einer soliden Haushaltsführung verpflichtet haben.

Letzte Frage: Bei Ihrem letzten großen Auftritt hier in Harburg gab es das Versprechen, es werde auch in Zukunft in Harburg einen Beach Club geben. Stehen Sie noch zu Ihrem Wort?

Natürlich, allerdings lese und höre ich von den vielen Schwierigkeiten bei der Suche nach einem geeigneten Standort