Finkenwerder. Als Chorleiter ist Peter Schuldt schon jetzt eine Harburger Legende. Nun hat der Vollblutmusiker den „Harburg-Song“ komponiert.
Es heißt, Peter Schuldt kriege jede Stimme. Nein, der Mann ist kein Politiker. Und er will auch keine Wahlen gewinnen. Obwohl er da sicher beste Chancen hätte. Denn er hat die Fähigkeit, Menschen für eine Idee zu begeistern, sie zu animieren, sie mitzureißen. Das hat er in den vergangenen 40 Jahren tausendfach bewiesen. Und sicher auch am 16. September bei der Nacht der Lichter.
Wenn alles läuft, wie geplant, werden an diesem Abend ein Dutzend Chöre und hoffentlich viele Harburger auf dem Rathausplatz gemeinsam den „Harburg-Song“ singen. Komponiert hat ihn Peter Schuldt. Mit der gleichen großen Leidenschaft, mit der er seit vier Jahrzehnten Musik macht. Und vor allem Kinder für den Chorgesang begeistert.
„Wer einmal im Chor gesungen und erlebt hat, wie seine Stimme mit der von anderen verschmilzt, und welch tolles gemeinsames Erlebnis das ist, der will einfach weitermachen“, sagt der Musikpädagoge, Komponist und Arrangeur überzeugt. Aus dieser Überzeugung heraus hat er als junger Musiklehrer an der Schwelle zum neuen Jahrtausend den Mittelstufenchor der Goethe Schule Harburg in ein Ensemble umgewandelt, das unter dem Namen Gospel Train längst zu einem der namhaftesten Kulturbotschafter Hamburgs geworden ist, fünf CD’s aufgenommen hat und große Hallen füllt, wo immer es auftritt.
Was in Harburg funktioniert, muss auch an anderen Hamburger Schulen funktionieren, sagt sich Schuldt. Und bringt vor acht Jahren das Musikprojekt The Young ClassX auf den Weg. Es führt Kinder und Jugendliche auf spielerische Weise genreübergreifend an Musik heran. Um sie frühzeitig emotional an Musik zu binden. Und sie dazu anzuregen, selbst zu musizieren.
Das Konzept geht auf. Aktuell singen 2500 Hamburger Schulkinder in 56 Chören. Seit Gründung des Projekts haben inzwischen mehr als 8.400 junge Sänger und Musiker an 67 Schulen die Young-ClassX-Module durchlaufen.
Schuldt ist für seine Sänger weit mehr als nur ein Chorleiter. „Er wird gefürchtet und geliebt“, weiß Tochter Louisa. Die zwar längst Musikmanagement studiert, aber noch immer zu den Solisten von Gospel Train gehört. „Papa Schuldt“, nennen ihn seine Schützlinge liebevoll. Weil er sie nicht nur als Sänger formt, sondern ihnen auch zuhört, wenn sie persönliche Probleme wälzen.
„Das macht ihn so besonders und außergewöhnlich“, sagt Victor Rodriguez Sepulveda. Der auch während seines Musikstudium Gospel Train treu blieb und jetzt zusätzlich als Schuldts Assistent bei dem Ensemble agiert. „Er hat ein feines Händchen für die Chorleitung“, bescheinigt ihm Schuldt im Gegenzug. Nicht ohne Stolz – und ohne jeden Zweifel.
Dabei hatte der Sohn eines Obstbauern aus Finkenwerder und einer Mutter, die aus einer alteingesessenen Fischerfamilie stammt, niemals Musiker werden sollen. Nach dem Willen des Vaters sollte er einmal den Hof der Familie übernehmen und weiterführen. Also verdient sich Peter Schuldt das Geld für seine erste Gitarre heimlich. Lange Freude an der Klampfe hat er aber nicht: Der Vater überfährt sie mit dem Traktor.
„Erst war ich traurig, dann wütend“, erinnert er sich. Und nimmt dennoch eine Ausbildung zum Industriekaufmann auf. Doch die Musik lässt ihn nicht los. Er versucht sich an mehreren Instrumenten, probt heimlich im Kühlhaus des Vaters. Als Autodidakt und nur nach Gehör bringt er sich sogar schwierige Stücke der Gitarren-Götter Jimmy Hendrix und Eric Clapton bei. Mit kaum mehr als 20 Klavierstunden gelingt ihm die Aufnahme an der Musikhochschule Hamburg. Dort singt er unter anderem im Hochschulchor und entdeckt dabei seine Leidenschaft für den Chorgesang.
„Jeder muss seinen eigenen Weg gehen. Sonst macht er nicht nur sich selbst, sondern auch die anderen unglücklich. Wenn dich jemand zu etwas zwingt, das du nicht willst, wirst du niemals wirklich gut sein“, sagt Schuldt.
Das sieht irgendwann auch sein Vater ein. Seinen Frieden mit den musikalischen Ambitionen des Sohnes schließt er aber erst, als die traditionsreiche Liedertafel Harmonie von 1865 den langhaarigen Filius im Alter von gerade einmal 20 Jahren als neuen Chorleiter akzeptiert. Das ist er bis heute geblieben.
Inzwischen hat der 62-Jährige, der mit Ehefrau Bettina und Labradormischling Nike noch immer in Finkenwerder lebt, auch schon neun Musicals geschrieben. Er arrangiert alle Songs für Gospel Train selbst, darunter viele Welthits wie „Pride (In The Name Of Love)“ von U2, „The World’s Greatest“ von R. Kelly und „Rolling In The Deep“ von Adele.
Mit seinen Chören hat Peter Schuldt schon große Arenen wie das CCH, den Beethoven-Saal der Stuttgarter Liederhalle, die Barcleycard-Arena im Volkspark und das Stadion am Millerntor gefüllt. Anfang 2017 kommt nun auch die Elbphilharmonie dazu. Ende Januar wird Peter Schuldt, der im Dezember vergangenen Jahres mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist, in Hamburgs neuem Musiktempel mit dem Young ClassX Solistenensemble und dem Felix Mendelssohn Jugendsinfonieorchester auftreten. Und dann einmal mehr viele Menschen begeistern.