Die beiden bekanntesten Modellbahn-Fachhändler im Süden Hamburgs sind von der Renaissance des Hobbys überzeugt.
Es sind Geschichten wie sie nicht selten erzählt werden unter Modellbahnern. Gerade zu Weihnachten. Von einem, der in seinem Keller einen doppelten Bausatz für einen Bahnhof fand, zum Fachhändler ging und ihn bat, die eine Packung einem Gleichgesinnten mit wenig Taschengeld mitzugeben.
Oder von dem Mädchen, das seinem Vater eine besondere Überraschung zum Geburtstag im Dezember machen wollte. Ein Märklin-Katalog aus seinem Geburtsjahr 1957 sollte her. Natürlich wurde er vom Fachhändler aufgetrieben.
Einmal Modelleisenbahner, immer Modelleisenbahner? Stimmt es, dass dieser Hang so stark ist, dass er nie wieder nachlässt? Rainer Bliefernicht und Benno Toll sind davon überzeugt. Sie sind die Geschichtenerzähler und gleichzeitig die beiden größten und wohl bekanntesten Fachhändler in den vier Landkreisen Lüneburg, Lüchow, Stade und Harburg. Beide sind in Buxtehude beziehungsweise Meckelfeld in zweiter Generation tätig und selbst seit mehr als zwei Jahrzehnten im Geschäft. Zwei Männer, die nicht nur Eisenbahnen verkaufen, sondern ihr Hobby leben.
„Wir können uns im Geschäft immer drei Mal freuen. Wenn wir Ware bestellen, sie bei uns auspacken und wenn wir mitsamt unseren Kunden von Loks oder Waggons fasziniert sind“, sagt Bliefernicht, dessen Vater Klaus 1979 von Hamburg nach Buxtehude in die Bahnhofsstraße wechselte. Bei dem 170 Quadratmeter großen Standort für sein Geschäft Spiel&Sport ist es bis heute geblieben.
Solche geschäftliche Konstanz ist in den vergangenen Jahren seltener geworden. Immer wieder mussten Händler aufgeben, die oft mehr als Enthusiasten als Kaufmänner gestartet waren. „Wenn es für sie eng wurde, haben viele von ihnen die Preise gesenkt, den Markt unter Druck gebracht und sich dann doch nicht retten können“, sagt Bliefernicht.
Obwohl es bei den Modellbahnen keinen Zwischenhandel gibt, ist die Marge eng. Bei einer digitalen Lok, die durchaus einmal 500 Euro kosten kann, bleiben allenfalls 20 Euro als Gewinn übrig.
Bliefernicht und der Meckelfelder Bruno Toll haben ihre Geschäfte als klassische Spielzeugläden aufgestellt. Nicht nur mit Bahnen sondern auch mit Lego, Play-Mobil, Plüschtieren, Puppen und Gesellschafts-Spielen. „Denn der Nachwuchs für die Modellbahn kommt auch von denen, die sich schon als Kleinkinder die Nase an unseren Schaufenstern platt gedrückt haben“, sagt Toll.
Voraussetzung, um als Modellbahn-Fachgeschäft ernst genommen zu werden, ist eine große Auswahl, nicht nur an Loks und Waggons, sondern auch an Bausätzen und Zubehör einschließlich Figuren, Bäumen, Autos und Streumaterial. „Stimmt das Angebot, bleiben uns Kunden über Jahrzehnte treu“, sagt Bliefernicht. Das sichert den Umsatz nachhaltig.
Beide Händler sind zudem davon überzeugt, die Trendwende gesehen zu haben. Nachdem über Jahre hinweg der Umsatz der Branche abbröckelte, „kommen jetzt wieder mehr und neue Kunden“, sagt der Chef von Spielwaren-Toll in Meckelfeld. „Eisenbahnen haben eine festen Platz im Branchen-Sortiment“, versichert auch der Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels, Willy Fischel.
Bahnen zum Taschengeldpreis für Kinder sowie günstige, digitale Startpackungen hätten dazu geführt, dass dieser Bereich wieder stärker wahrgenommen wird. Bundesweit hält der Verband grob geschätzt einem Umsatz von 150 Millionen Euro für möglich. Gut jeder sechste der 5000 Händler dürfte sich mit Modellbahnen befassen. „Die sind auf dem richtigen Weg“, glaubt Experte Fischel, „aber die Erholung braucht eben ihre Zeit.“
Doch für die beiden Händler aus der Region hat die Stunde schon geschlagen. „Großeltern kommen mit ihren Enkeln, die deren Bahnen entdeckt haben und nun Interesse entwickeln“, sagt Bliefernicht. Eltern entdeckten, dass ein gemeinsames Hobby die Familien ganz anders zusammenbringt, als wenn alle vor dem PC sitzen oder auf ihr Smartphone starren. Wer zudem noch Kabel verlegt anstatt allein digital zu spielen, erfährt nebenbei einiges über den Strom. „Das kann im Physikunterricht helfen“, sagt Toll. In jedem Fall aber bringe die Bahn die Kinder weg vom virtuellen und hin zum „gegenständlichen Spiel.“
Um dem noch etwas nachzuhelfen, haben Bliefernicht und Toll vor Weihnachten jeweils fünf Plakate mit ihren Unterschriften aufhängen lassen. „Papa komm spielen“, heißt es darauf unmissverständlich über einer aufgebauten Startpackung. Hintergrund für die Aktion ist das 25jährige Jubiläum der Märklin-Händlerinitiative, zu der beide gehören. Dort haben sich Firmen zusammengeschlossen, die sich nicht als Preisbrecher sehen. Dafür erhalten sie besondere Modelle exklusiv, die sie wiederum ihren Kunden auch als Sammlerstücke präsentieren.
In der Metropolregion Hamburg profitiert die Branche zudem vom Miniatur Wunderland, dessen riesige Anlage im Maßstab 1:87 (H0) jeden Tag durchschnittlich mehr als 3000 Gäste besuchen. „Weil noch immer Konkurrenten aus Altersgründen oder wegen geringer Erlöse aufgeben, vergrößert sich unser Einzugsgebiet“, sagt Toll.
Beide Händler wollen ausbauen. Toll sitzt derzeit über Bauplänen, weil er sein Geschäft erweitern will, Aus 135 Quadratmetern sollen im kommenden Jahr gut 180 Quadratmeter werden. „Wir wollen unsere Verkauf über das Internet intensivieren“, sagt dagegen Bliefernicht.
Diese Art des Absatzes nimmt immer mehr zu, weil berufstätige Kunden oftmals zu den Ladenöffnungszeiten beschäftigt sind. Über das Netz nimmt Bliefernicht Aufträge entgegen, legt Ware zurück oder schickt sie an die jeweiligen Adressen. „Modellbahnen zu verkaufen, stimmt optimistisch“, sagt er. „Denn bei uns wollen sich entweder die Kunden selbst eine Freude bereiten oder eben anderen.“
Schon mit drei Jahren stand er, damals noch in Hamburg, das erste Mal im Laden seines Vaters. 1990 kehrte er seinem hochkarätigen Job als Technischer Leiter bei einem Hamburger Nussröster den Rücken und stieg mit seiner Frau Susanne in den elterlichen Betrieb ein. Bereut hat er das nie. Zu Weihnachten werden beim ihm zu Hause die großen Züge der Spur 1 (Maßstab 1:32) nun rund um den geschmückten Tannenbaum fahren.
Kollege Toll, eigentlich ausgebildeter Hauptschullehrer für Geschichte und Religion, ließ, als er zuletzt seine Wohnung renovierte, die Anschlüsse für seine Modellzüge mit in die Fliesenfugen einsetzen. Zwischen Weihnachten und Neujahr ist es schon seit zehn Jahren fester Brauch in der Familie, dass Toll, Ehefrau Birgit und Sohn Sebastian, inzwischen 21, gemeinsam eine H0-Anlage aufbauen. Sie nimmt drei Zimmer ein, die Stube, die Küche und den Flur.
Dann kommt Papa spielen.