Wilhelmsburg. Die Premiere des Fußballduells zwischen Imamen und Pastoren der Stadt in Wilhelmsburg sah alle Beteiligten als Gewinner.

Als Sheikh Mounib Doukali am 13. November die Bilder von den Terroranschlägen in Paris im Fernsehen sah, schlug er unweigerlich die Hände vors Gesicht. „Oh, Allah, was für ein Wahnsinn!“, habe ich gedacht, „diese religiösen Fanatiker diskreditieren eine ganze Religion. Und alle friedlichen Muslime werden nun wieder in Sippenhaft genommen. Obwohl dieser Terror mit dem Islam rein gar nichts zu tun hat.“

Doukali ist seit 18 Monaten Imam und Vorstandsmitglied der Harburger El-Iman Moschee am Krummholzberg, die mehr als 60 Mitglieder zählt. Mit seiner Amtsübernahme trat er ein schwieriges Erbe an. Weil die Gemeinde in den Jahren zuvor zu einem Treffpunkt der Salafisten-Szene geworden war, geriet sie ins Visier des Verfassungsschutzes. „Es gab schwierige und harte Auseinandersetzungen mit den radikalen Mitgliedern“, berichtet Doukali. Aber letztlich hätte sich die große Mehrheit der friedliebenden Muslime durchgesetzt und die Salafisten ausgeschlossen.

Sportkurs organisiert Turnier im Bildungszentrum „Tor zur Welt“

„Wir waren auf einem guten Weg, Vertrauen und Akzeptanz im Bezirk zu schaffen“, sagt der 30-Jährige. Doch nun sieht der gebürtige Tunesier, der als selbstständiger Informatiker arbeitet, diese positive Entwicklung gefährdet. Mit den Anschlägen von Paris hätten sich alte Ressentiments wiederbelebt: „Damit sind auch wir Leidtragende dieses unsäglichen Terrors, der nur neues Misstrauen sät und die Gesellschaft spaltet.“

Davon war am Sonnabend in der Sporthalle des Wilhelmsburger Bildungszentrums „Tor zur Welt“ nichts zu spüren. Das Islamische Wissenschafts- und Bildungszentrum (IWB) mit Sitz an der Buxtehuder Straße 7 hatte zu einem Fußballspiel „Imame vs. Pastoren“ und einem anschließenden Turnier mit Jugendlichen aufgerufen. Dem waren ein Dutzend Imame, neun Pastoren und rund 40 Schüler gefolgt. Darunter auch ein Team afghanischer Jungen aus der Unterkunft für minderjährige, unbegleitete Flüchtlinge in der Mannesallee.

Ganz neu ist dieses Kickerduell Imame gegen Pastoren nicht. Doch nun feierte es dank IWB-Direktor Dr. Ali Özgür Özdil auch in Hamburg Premiere. „Beim Surfen im Internet bin ich auf solch ein Spiel in Berlin aufmerksam geworden und fand die Idee großartig“, berichtet Özdil. Schnell fand er in Axel Matyba vom Zentrum für Mission und Ökumene der Nordkirche und Andreas Gloy vom Pädagogisch-Theologischen Institut begeisterte Mitstreiter. Gloy, ein ehemaliger ETV-Volleyballer, der jetzt am Helmut-Schmidt-Gymnasium Sport unterrichtet, organisierte mit seinem Oberstufenkurs das Turnier samt Catering.

„Die Kette des Hasses durchbrechen“ mit gegenseitigem Respekt

„Interreligiöses Lernen hat an unserem Gymnasium eine lange Tradition, Religion ist bei uns sogar profilgebendes Fach. So konnte ich meine Schüler schnell für die Ausrichtung dieses Turniers begeistern“, sagte Gloy. Eine Schülerin gab ihm für seine kleine Eröffnungsrede sogar einige sehr persönliche Sätze mit. Es gehe nach Paris vor allem darum, die „Kette des Hasses zu durchbrechen“ und ein friedliches Miteinander der Kulturen zu leben, das geprägt sei von gegenseitiger Achtung und Respekt.

Das zeigte sich dann auch auf dem Platz. Überaus engagiert aber jederzeit fair ging es zur Sache. Allerdings mit klaren technisch-taktischen Vorteilen für die im Schnitt auch deutlich jüngeren Imame. „Vermutlich liegt es daran, dass wir alle als Straßenfußballer groß geworden sind“, vermutete Imam Ahmed Mahoud vom Al-Azhari Institut auf St. Georg. Wo sich mit zwölf die meisten aller insgesamt 51 Hamburger Moscheen befinden.

Letztlich behielten die Imame dank eines Treffers in der Schlussminute aber nur denkbar knapp mit 2:1 die Oberhand. „Das Ergebnis war doch heute wirklich zweitrangig“, befand Gwen Bryde, seit drei Jahren evangelische Gemeindepastorin in Wilhelmsburg-West mit Sitz in der Emmauskirche der Reiherstieg-Gemeinde. Am liebsten hätte sie ja selbst mitgekickt, sah sich durch eine hartnäckige Erkältung aber gehandicapt und außer Gefecht gesetzt.

Miniatur-Modell der Brücke von Mostar als Siegerpokal

Ihrer Ansicht nach hätte die Premiere dieses Duells wunderbar ins multikulturell geprägte Wilhelmsburg gepasst, in dem fast zwei Drittel aller Einwohner einen Migrationshintergrund haben. Und in dem der interreligiöse Dialog mit den Imamen bereits seit Jahren intensiv gepflegt werde, unter anderem durch ein gemeinsames Frühstück alle zwei Monate.

Als Siegerpokal hatte Dr. Ali Özgür Özdil übrigens ein Miniatur-Modell der Brücke von Mostar mitgebracht. Sie ist im Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien 1993 zerstört worden, verbindet seit 2004 aber wieder das christlich und das muslimisch geprägte Viertel der Stadt. Und weil sich an diesem Nachmittag alle als Sieger fühlen durften, verblieb die Miniatur-Brücke am Helmut-Schmidt-Gymnasium.

Letztlich zeigte sich auch Sheikh Mounib Doukali hochzufrieden. „Mit diesem Turnier haben alle Beteiligten neue Brücken gebaut und ein eindrucksvolles Zeichen für ein friedliches Miteinander der Religionen gesetzt“, sagte der Imam der Harburger El-Iman Moschee.