Neu Wulmstorf/Hittfeld/Rosengarten. Mit Kleidung sind die Asylbewerber im Landkreis Harburg gut eingedeckt. Gefragt ist Hilfe bei der Wohnungssuche. Eine Anleitung zum richtigen Spenden.

Sie geben säckeweise Kleidung ab und begleiten durch den deutschen Sprachdschungel. Sie sortieren Hosen und Schuhe, sie leeren ganze Dachböden und stehen am Harburger Bahnhof, um Flüchtlinge mit Obst und Teddys in Empfang zu nehmen.

Hunderte Einwohner im Landkreis Harburg helfen gerne und spenden viel. Doch inzwischen kommt es häufiger vor, dass Spendenwillige zurückgewiesen werden, schlicht, weil manches am Bedarf vorbeiführt – so gut es auch gemeint ist. Zeit, die Flüchtlingsinitiativen einmal Bilanz ziehen zu lassen. Wo sind sie gut aufgestellt? Wo nicht? Welche Hilfe wird dringend benötigt? Welche Spenden sind erwünscht?

Ganz gleich, welchen Sozialarbeiter man im Landkreis fragt: Sie alle waren und sind überwältigt von der hohen Spendenbereitschaft der Bürger, von all den Kleidungsstücken und Dingen, die sie den Flüchtlingen schenken.

Doch jetzt, nachdem viele Flüchtlinge fast ein Jahr im Landkreis leben und zahlreiche Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung haben, fehlt es den Flüchtlingen weniger an der Kleidung. Es tun sich ganz andere Lücken auf: zum Beispiel der eklatante Wohnungsmangel. „Das ist ein akutes Problem“, sagt Cornelia Meyer, Sozialarbeiterin bei Human Care und ehrenamtliche Koordinatorin des Netzwerks „Willkommen in Neu Wulmstorf“.

Allein in Neu Wulmstorf müssten 15 Bewohner die Flüchtlingsunterkünfte verlassen, weil sie längst eine Aufenthaltsgenehmigung haben. „Sie müssen raus, um Platz zu machen für nachrückende Asylbewerber“, sagt Cornelia Meyer. Aber auf dem regulären Wohnungsmarkt haben sie kaum eine Chance. Mit Hilfe eines Patenschaftsmodells versucht das Neu Wulmstorfer Netzwerk den Flüchtlingen bei der Wohnungssuche behilflich zu sein. Das lief bereits sehr erfolgreich.

Mit allem, was Rollen hat, können die Flüchtlinge etwas anfangen

Drei Familien konnten so schon in Drei-Zimmer-Wohnungen in Neu Wulmstorf untergebracht werden. „Da brauchen wir aber dringend noch mehr Unterstützung, Menschen, die Zeit haben, gezielt zu den Besichtigungsterminen zu gehen. Das schaffe ich nicht allein“, sagt Cornelia Meyer. Vergeblich haben die Ehrenamtlichen eine neue Unterkunft für eine fünfköpfige Familie gesucht, die zurzeit in einer vom Schimmel befallenen Zwei-Zimmerwohnung lebt.

Noch gravierender ist die Situation in Buchholz. Ute Schui-Eberhart, ehemalige hauptamtliche Flüchtlingsbeauftragte und jetzt engagiert im Bündnis für Flüchtlinge in Buchholz, spricht von einer „hoffnungslosen Lage“ am Buchholzer Wohnungsmarkt.

Selbst für eine alleinerziehende Frau mit zwei Kindern, die 650 Euro in eine 70 Quadratmeter große Wohnung investieren kann, war nichts aufzutreiben. „Es ist sehr mühsam und sehr frustrierend“, sagt Schui-Eberhart.

Um die Frage, wer Zeit hat, dreht sich auch alles bei der Flüchtlingsinitiative „Hittfeld hilft“, nicht nur, wenn es um die Suche nach Unterkünften geht. Beate Hülsmeyer, Koordinatorin der Initiative „Hittfeld hilft“, kann jegliche Zeitspende gebrauchen.

„Wenn wir die Arbeit auf mehr Schultern verteilen können, umso besser“, sagt Beate Hülsmeyer. Die Flüchtlingshilfe hat unterschiedliche Gruppen gegründet, die sich mit sechs Themenbereichen auseinander setzt, angefangen bei der Freizeitgestaltung bis zum Internationalen Garten.

Gut bestückt ist die Gruppe des Deutschunterrichts. Aber damit die Flüchtlinge ihre Freizeit sinnvoll gestalten, muss es Deutsche geben, die ihre Zeit spenden. „Es hilft schon, wenn jemand eine Stunde Mensch ärgere dich nicht mit den Flüchtlingen im Internationalen Café spielt“, sagt Hülsmeyer.

Alles ist willkommen, keiner muss sich auf Dauer verpflichten. Beispielsweise bekam Hülsmeyer einen Anruf von einem 81-Jährigen, der sich bereit erklärte, mit den Flüchtlingen zu walken und so die Hittfelder Gegend zu erkunden. „Ein tolles Angebot. Es gibt keine falsche Hilfe. Alles ist richtig, alles ist gut“, so Hülsmeyer.

Das gilt allerdings weniger für Kleiderspenden. Die Sozialarbeiterin Cornelia Meyer aus Neu Wulmstorf kennt sie schon, die enttäuschten Gesichter, wenn sie den Spendern sagen muss, dass sie keine Kleidung entgegen nehmen kann. „Aber wir haben keinen Platz, um die Sachen in der Flüchtlingsunterkunft zu lagern. Sonst müssten sich die Ehrenamtlichen ständig damit beschäftigen, die Sachen zu entsorgen“, sagt sie.

Bei den Kleiderkammern in den Gemeinden sind die Spender hingegen an der richtigen Adresse. Dort können sich die Flüchtlingen dann bedienen. Da sind angesichts des nahenden Winters sind besonders Winterjacken (intakt und gewaschen) und Stiefel in kleinen Männergrößen gefragt. Old-Fashion ausgenommen. „Man kann den 18- bis 22-Jährigen nicht zumuten, in Opas Anzügen herumzulaufen“, sagt Cornelia Meyer.

Was auf jeden Fall gar nicht in den Spendensack wandern sollte, sind Kuscheltiere. Allein schon aus hygienischen Gründen wandern die in den Müll. Auch Baby-, Kinder- und Damenklamotten werden selten nachgefragt. Aus einem ganz einfachen Grund: Im Landkreis Harburg sind bis auf wenige Familien ausschließlich Männer untergebracht, die aus Kriegs- und Krisengebieten geflohen sind.

Was darüber hinaus an Kleider- und anderen Sachspenden benötigt wird, verkünden die Flüchtlingsinitiativen im Landkreis in gezielten Spendenaufrufen über ihre Internetseiten oder über die sozialen Netzwerke.

Es gibt auch ganz andere Gründe, weshalb bestimmte Dinge nicht angenommen werden. Überrascht mussten einige Spendenwillige beispielsweise feststellen, dass ihre gut erhaltene gemütliche Sitzgarnitur oder ihr Ledersofa keine gern gesehenen Spenden sind. Weil diese Möbel leichter Feuer fangen, müssen die Heimleiter die Spender mitsamt Sofa und Sitzecke wieder nach Hause schicken.

„Man fühlt sich dann selbst wie ein Unmensch, aber es ist einfach zu gefährlich“, sagt Helmut Winterstein, Sozialarbeiter in der Flüchtlingsunterkunft an der Todtglüsinger Straße, Tostedt. Die Möbelscheunen im Landkreis nehmen Tische, Stühle und Sofas aber an.

Mit allem, was Rollen hat, können die Flüchtlinge hingegen sehr viel mehr anfangen. Ernst Müller, Tostedts stellvertretender Samtgemeindebürgermeister, hat in einer privaten Initiative mehr als 50 Räder aufgearbeitet und den Flüchtlingen überreicht.

Die Initiative nimmt gern noch mehr an und holt die Räder auch ab (nähere Informationen siehe Kasten). Ziel ist, dass die Flüchtlinge in naher Zukunft die errichtete Fahrradwerkstatt selbst betreiben. „Als Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Ernst Müller.