Von Ende Oktober an fehlen Unterkünfte im Landkreis Harburg. Verwaltung setzt auf Wohnungen für Saisonarbeiter.

Jetzt wird es eng. Pendeln sich die Zuweisungen von Flüchtlingen in den Landkreis Harburg bei wöchentlich 77 Personen ein, werden von Ende Oktober an nicht mehr für alle Flüchtlinge Unterkünfte bereitstehen. Die Zahl fehlender Plätze wird, wenn nicht neue Unterkünfte gefunden werden, bis Ende Januar auf 571 steigen. „Es gibt dann mehr Flüchtlinge als Betten für sie“, sagte Reiner Kaminski, der Sozialdezernent des Landkreises am Mittwoch im Sozialausschuss. „Durch die neuen Zuweisungen wir die Situation dramatisch.“

Als einen Ausweg sieht die Verwaltung, die gerade in der Abteilung Migration Versorgung und Unterbringung aller Flüchtlinge gebündelt hat, nicht nur das Mieten von Wohnungen, Heimen und Häusern sowie den Aufbau von Wohncontainern.

Jetzt wird auch bei den Landwirten der Region vorgesprochen, die in der Saison ihre Belegschaften mit Arbeitern aus dem Ausland aufstocken. Möglicherweise eigenen sich ihre Unterkünfte dafür, die Flüchtlinge unter festen Dächern über den Winter zu bringen. „Zelte aufzustellen gehört dagegen nicht zu unseren Planungen“, macht Kaminski klar.

Doch der Kreis will für jeden Fall gewappnet sein. So sollen nächste Woche mit den Gemeinden die Voraussetzungen für Notunterkünfte geklärt werden. „Wenn notwendig sollen sie innerhalb von zwei Wochen bezugsfertig sein“, so Kaminski. Die Nutzung von Turnhallen ist nicht ausgeschlossen.

Fest steht für den Sozialdezernenten sowie den Leiter des neuen Migrationsamtes, Thorsten Völker, dass der Zustrom anhalten wird. Die Zahl von 800.000 für die Bundesrepublik im Jahr 2015, die derzeit geschätzt wird, werde wohl „mit Sicherheit überschritten“, hieß es im Sozialaussschuss.

Für den Landkreis bedeutet schon eine stabile Zahl, dass bis Ende 2016 noch rund 4000 Menschen aufgenommen werden müssen. Das sei bei 245.000 Einwohnern im Kreis zu schaffen, ist die Verwaltung überzeugt. Problematisch sei jedoch, dies innerhalb von wenigen Wochen zu realisieren.

Grundsätzlich erhält Niedersachsen nach dem Königsberger Schlüssel, der Steueraufkommen und Einwohnerzahl berücksichtigt, rund neun Prozent aller Flüchtlinge. Von ihnen gehen wiederum 3,5 Prozent in den Landkreis Harburg.

Sie werden nach ihrer Ankunft in Bussen oder Zügen an Dienstagen und Donnerstagen von der Winsener Kreisverwaltung aus auf die Orte verteilt. Derzeit wohnen im Landkreis bereits gut 2000 Flüchtlinge.

Schon die Abwicklung ihrer Asylanträge übersteigt dabei inzwischen die Möglichkeiten des Bundesamtes für Migration. „Mit dem geltenden Asylrecht kann die Menge der Anträge nicht bewältigt werden“, sagte Kaminski. Deshalb müsse das Recht verfassungskonform so geändert werden, dass sich die Asylanträge abarbeiten ließen.

„Warum etwa wird bei den Syrern, die ohnehin in den nächsten Jahren nicht zurück gehen werden, nicht das formelle Verfahren ausgesetzt und eine ausländerrechtliche Erlaubnis erteilte“, fragte Kaminski. „Das Amt könnte sich dann auf die Menschen konzentrieren, bei denen mutmaßlich kein Asylanspruch besteht.“ Antworten kann es hier aber nur vom Bund geben.

Die Bürokratie werde jedenfalls die Anträge nicht bewältigen können. Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Balkankrise 1992 hatte Deutschland gut 400.000 Menschen aufgenommen – halb so viele wie in diesem Jahr kommen werden.

Unterdessen hat auch der Kreisvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises in der CDU, Jörn Lütjohann, Vorschläge vorgelegt, um die Lage der Flüchtlinge zu entspannen. So wie die Samtgemeinde Elbmarsch sollten nach seiner Auffassung alle Gemeinden und der Kreis einen Flüchtlingsbeauftragten einsetzen.

Er könnte ehrenamtliche Tätigkeiten koordinieren, Netzwerke ausbauen, Hilfsangebote vermitteln und die Anliegen der Flüchtlinge bei Behörden vertreten. Zudem macht sich der Arbeitskreis dafür stark, dass Gastfamilien auf freiwilliger Basis Menschen aufnehmen sollten.

„Dies könnte die Situation bei der Unterbringung im Kreis entspannen. Auch könnte die Integration durch private Kontakte zu den Gastfamilien erleichtert werden.“

Im Buchholzer Rathaus hat sich jetzt die interne Arbeitsgruppe „Migration – Herausforderungen und Chancen“ gegründet. Die Leitung hat der Erste Stadtrat Dirk Hirsch. „Wir müssen uns Gedanken über die Wohnsituation machen“, sagt er. So sei es nicht damit getan, Flächen für weitere Container zu finden.

„Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen, egal ob Flüchtling oder alteingesessen“, sagt er. Dabei dürfe es nicht zu einer Ghettobildung komme. Zudem würden Plätze in Kindergärten und Schulen für Flüchtlingskinder benötigt und für die Erwachsenen natürlich Arbeitsplätze.