Scharmbeck. Frank Soetebier investiert drei Millionen Euro in einen neuen Standort in Scharmbeck. Im Oktober folgt die zehnte Filiale in Lüneburg.
Die gläserne Bäckerei allein ist ihm längst nicht genug. Was Frank Soetebier in Scharmbeck baut, wird eher ein Einkaufszentrum. Mit neuer SB-Filiale der Volksbank und einem Geldautomaten für den Ort, mit Platz für den Verkauf von Käse, Kartoffeln oder Eiern aus der Region und schließlich mit zwei Säulen zum Auftanken von Elektroautos.
Natürlich gibt es zur Bäckerei auch einen Laden mit 250 Quadratmetern Fläche, in dem von der Rösterei am Kiekeberg gelieferter Kaffee für die Gäste ausgeschenkt wird und 60 Parkplätze auf dem künftig gepflasterten Hof.
Mit dem Bau kommt Soetebier seinem Lebensziel ein Stück näher
Seit 1901 arbeitet die Familie Soetebier, deren Name holländischen Ursprungs ist, in Scharmbeck. Jetzt, in vierter Generation, setzt Soetebier zu einem entscheidenden Sprung an. Für drei Millionen Euro baut er seine neue Zentrale an der Scharmbecker Dorfstraße. Gleich neben der Freiwilligen Feuerwehr, die er 17 Jahre als Ortsbrandmeister leitete. Damit kommt Soetebier seinem Lebensziel ein gutes Stück näher. „Ich wollte mit 50 Jahren zehn Filialen haben, die zentral versorgt werden“, sagt er. Im August will er in Scharmbeck eröffnen, Anfang Oktober folgt Filiale Nummer zehn in Lüneburg. Mitte November wird Soetebier dann 50.
Derzeit ist der Firmenchef mehr Bauleiter als Bäckermeister. An diesem Nachmittag führt er durch seine im Rohbau weitgehend fertigen Räume. In ihnen stehen bereits die Öfen für Brot und Kuchen, deren Steinplatten mit Öl beheizt werden. So bleibt die Luftbewegung in den Kammern gering, dem Teig wird weniger Wasser entzogen und die Produkte bleiben länger frisch. Das Gleiche gilt für die Brötchen. „Wir lassen dem Teig in den Kühlräumen eine lange Ruhezeit, damit das zugegeben Wasser tief ins Mehl eindringen kann“, sagt der Chef. Das ist neben den Zutaten aus der Region das Geheimnis für die Frische. „Wir setzen auf ehrliche Backwaren“, lautet der Slogan des Unternehmens. Das können die Kunden künftig bei einem Rundgang prüfen. Schulen, Kindergärten und Landfrauen-Vereine haben sich bereits für Betriebs-Führungen in der gläsernen Bäckerei angemeldet.
Stolz ist man bei der Bäckerei auf die technische Zentrale
Soetebiers Weg führt nun die Treppe hinauf in die erste Etage. Dort sind Duschen und Waschräume für die 35 Mitarbeiter installiert, die künftig hier arbeiten werden. Der Bürobereich fällt dagegen klein aus. Gerade 14 Quadratmeter hat sich der Chef reserviert. „Mit einem größeren Büro verkaufe ich kein Brötchen mehr“, ist die Antwort auf eine noch gar nicht gestellte Frage.
Stolz ist man bei der Bäckerei auf die technische Zentrale. Dort speichern zwei riesige Kessel 8500 Liter Wasser, die mit der Abwärme der Öfen und den Hitzeschwaden auf 85 Grad geheizt werden. Das spart die gesamte Heizung für den Neubau bis auf ein Notaggregat. Soetebier hat für die moderne Wärmerückgewinnung 30.000 Euro als Förderung vom Land erhalten. Für die 15 zusätzlichen Arbeitsplätze gab es 12.000 Euro vom Landkreis Harburg.
Keine Frage: Der Bäcker handelt heute vor allem als Unternehmer und nicht mehr allein als Handwerksmeister, obwohl er sich auch beim Backen mit seinen fünf angestellten Meistern auf Augenhöhe fühlt. Vor gut zehn Jahren hat er die Wende weg vom traditionellen Bäckerbetrieb eingeleitet. Seine Strategie reifte, als er „aus der Backstube herauskam“ und Zeit für ein Konzept blieb. „Wenn man von morgens um zwei Uhr an bis zum Mittag arbeitet, lässt sich keine Strategie entwickeln.“
Mehr als zehn Filialen sollen es nicht werden
Die Folgen solcher Nachlässigkeit haben viele Mittelständler im Kreis bereits zu spüren bekommen. Erst zuletzt schreckten die Branche im Landkreis gleich zwei Insolvenzen auf. Aber auch ohne solche finanziellen Schieflagen ging die Zahl der selbstständigen Betriebe in der Region innerhalb von zehn Jahren um elf von 32 auf 21 zurück. Die Höhe der gezahlten Löhne sank von 8,5 auf 4,8 Millionen Euro. „Damit dürften 40 bis 50 Prozent der Arbeitsplätze weggefallen sein und ich fürchte, dass weitere Unternehmen geschlossen werden“, sagt Andreas Baier, der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft in Winsen. Gerade bei Massenware werde die Konkurrenz von Tankstellen, Supermärkten und Discountern immer schärfer. Aber auch „das kaufmännische Denken“ komme in kleinen Betrieben oft zu kurz. „Ihnen bleibt dafür einfach zu wenig Zeit.“
Soetebier hat sich diese Zeit genommen. Bei künftig zehn Filialen will er es belassen, weil sonst die Lieferwege zu lang werden und die Brötchen nicht nach spätestens sechs Stunden bei den Kunden auf dem Tisch stehen können. Nach und nach hat er seine kleineren Filialen geschlossen und jeweils durch größere mit mindestens 250 Quadratmetern Fläche ersetzt. Nur an solchen Standorten schätzt er das Umsatzpotenzial als hoch genug ein.
Geliefert wird in vorgegeben Mengen und fast nur an die eigenen Filialen. Die Preise beginnen bei 35 Cent für ein Brötchen. Längst werden aber auch hochwertige Torten und Snacks bis hin zu leichten Mittagessen angeboten, das in den Läden an Tischen serviert wird. Der Umsatz ist Jahr um Jahr gestiegen. Für 2015 peilt Soetebier gut sechs Millionen Euro an. „Wir haben unsere Philosophie gedreht“, sagt er. „Wir verkaufen nicht mehr, was die Bäcker und Konditoren herstellen, sondern die backen, was die Verkäuferinnen auch absetzen können.“
„Ich kann mir die höheren Kosten erlauben“, sagt Soetebier
Soetebier spricht zwar nicht über seinen Gewinn. Aber er leistet es sich, der größte private Kunde für Ökostrom der Stadtwerke Winsen zu sein und auf die Arbeitsbedingungen der Kaffeebauern in Mittelamerika zu achten, deren Bohnen er aufbrüht. „Ich kann mir die höheren Kosten erlauben. Deshalb tue ich das auch.“ Die Lebensmittel, die übrig bleiben, holen dazu insgesamt vier Tafeln bei der Bäckerei ab und verteilen sie an bedürftige Menschen.
Soetebier hat den Rundgang beendet und sitzt nun auf einer Bank auf der Terrasse des Feuerwehrgerätehauses. Es läuft im Unternehmen. Sein Millionen-Projekt hat er mit Hilfe eines günstigen Kredits der Förderbank N-Bank und der Volksbank finanziert. Die 10.000 Quadratmeter Bauland dagegen, für das ihm zuletzt 240 Euro pro Quadratmeter geboten wurden, hat er als Sicherheit behalten. Dort stehen jetzt Pferde für seine Frau und für die vier Kinder des Ehepaares zwischen 16 und 22 Jahren. Sein ältester Sohn absolviert gerade die Meisterschule – natürlich als Bäcker.
Da bleibt, weil das Lebensziel ja so gut wie erreicht ist, nicht mehr viel zu wünschen übrig. „Doch“, sagt Soetebier dann, „ich würde mich freuen, wenn meine Kinder mal in den Betrieb einsteigen wollen.“ Die Chancen stehen gar nicht schlecht. Alle vier, ist der Vater sicher, „können sich das bislang durchaus vorstellen.“