Lüneburg/Winsen. Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten kritisiert Quote von 48 Prozent. Arbeitsagentur bietet Zuschüsse für Umwandlung von Jobs in volle Stellen.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) schlägt Alarm. Der Hintergrund: Die Zahl der Teilzeit- und Mini-Jobber im Landkreis Harburg ist innerhalb von zehn Jahren bis 2014 auf mehr als 45 Prozent aller heimisch Beschäftigten gestiegen. Im Jahr 2004 lag dieser Anteil noch bei 38 Prozent.

Die NGG beruft sich dabei auf eine aktuelle Studie der Hans-Böckler-Stiftung, die den Arbeitsmarkt im Kreis Harburg unter die Lupe genommen hat. Demnach arbeiteten im vergangenen Jahr rund 31.500 Beschäftigte in nicht regulär ausgestatten Jobs. „Unsichere Jobs werden im Kreis Harburg immer mehr zum Normalfall“, kritisiert die Gewerkschaft. Eine ähnliche Entwicklung, bei der die Zahl der Teilzeit- und Minijobs vor Ort die Marke von 40 Prozent übertreffen, hatte die Stiftung auch in den Kreisen Lüneburg, Uelzen, Lüchow-Dannnenberg und dem Heidekreis festgestellt.

Minijobs sind besonders im Bäckerhandwerk und in der Gastronomie verbreitet

Bezogen auf den Kreis Harburg spricht Silke Kettner, Geschäftsführerin der NGG Region Lüneburg, von einer „Schieflage auf dem Arbeitsmarkt.“ Gerade Minijobs hätten zugenommen. Im Bäckerhandwerk und in der Gastronomie seien diese besonders verbreitet – auf Kosten von regulärer Beschäftigung. „450 Euro reichen aber meist nicht zum Leben. Deshalb müssen viele Menschen mehrere Minijobs machen, oft ohne Sicherheit und in der Angst, die Stelle schnell wieder zu verlieren“, sagt Kettner. Die Gewerkschafterin warnt: „Wackelige Jobs heute sind die Altersarmut von morgen. Unbefristete Vollzeit-Stellen sind heute zur Ausnahme geworden, gerade für Berufsanfänger“, so Kettner. Dabei gebe es ohne regelmäßiges, festes Einkommen nicht einmal einen Kredit.

Trotz der weiter sinkenden Arbeitslosigkeit im Landkreis (Abendblatt berichtete) ist die NGG mit der Entwicklung nicht zufrieden. Denn hinter den hohen Beschäftigungszahlen würden sich viele unsichere Jobs verbergen, so die NGG-Geschäftsführerin. „In der Gastronomie im Kreis Lüneburg sind mehr als 50 Prozent der Beschäftigten 450-Euro-Kräfte“, sagt Kettner. Vor diesem Hintergrund dürften sich auch die Arbeitgeber in der Branche nicht darüber beschweren, dass sie zu wenige Fachkräfte einstellen könnten. Nur mit einer guten Arbeits- und Personalplanung könne man Mitarbeiter motivieren und an ein Unternehmen binden.

Für Minijobs und Teilzeit kann es auch gute Gründe geben

Die NGG fordert die Arbeitgeber im Kreis Harburg auf, wieder „mehr reguläre und tariflich bezahlte Jobs“ zu schaffen. „Der seit Januar geltende gesetzliche Mindestlohn ist dabei eine feste Untergrenze. Durch den Mindestlohn hätten viele Beschäftigte erstmals die nötige finanzielle Sicherheit“, so Kettner. Daran dürfe nun nicht gerüttelt werden.

Die NGG räumt ein, dass es für Minijobs und Teilzeit auch gute Gründe geben kann. Zum Beispiel machten sie Sinn für Rentner oder Studenten, die sich etwas dazu verdienen wollten. „Nicht alle Teilzeitjobs sind prekär, also unsicher“, sagt Bernd Passier, der Chef der Arbeitsagentur Lüneburg-Uelzen. „Es gibt auch viele, die nicht mehr als einen solchen Job wollen, weil beispielsweise der Ehepartner der Hauptverdiener ist“, sagt Passier. Nach den Daten der Arbeitsagentur stehen im Landkreis Harburg – Stand Ende September 2014 – 56.047 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten 19.783 geringfügig Entlohnte gegenüber. Das ist ein Anteil von gut 35 Prozent.

Gewerkschaft wehrt sich dagegen, dass Vollzeit-Stellen abgeschafft würden

Die Jobcenter der Arbeitsagentur, zu deren Bereich der Landkreis Harburg zählt, bietet dabei Arbeitgebern Zuschüsse an, wenn sie die 450-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Stellen umwandeln. Dabei kann für ein halbes Jahr ein Lohnkostenzuschuss gewährt oder während der Anlaufphase für den Beschäftigten ein Prämie an den Arbeitgeber gezahlt werden. „Bundesweit ist in diesem Jahr im Vergleich zu 2014 die Zahl der Minijobs um 250.000 zurückgegangen“, sagt Passier. Hier wirke sich auch der Mindestlohn aus, durch den die Zahl der möglichen Arbeitsstunden begrenzt würden. „Viele Arbeitgeber dürften so auch Minijobs in versicherungspflichtige Arbeitsplätze umgewandelt haben.“

Die Gewerkschaft wehrt sich vor allem dagegen, dass Vollzeit-Stellen abgeschafft und gegen befristete Jobs ausgetauscht würden und sich, wie Kettner sagt, „der Kellner oder die Verkäuferin ihr Monatseinkommen zusammenstückeln müssen.“