Arbeitslosigkeit im Landkreis geht zurück: Wie die Winsener Beschäftigungsgesellschaft Inab Förderschülern den Weg zu einem Job ebnet.

In seiner schwarzen Kellner-Weste steht er bestimmt und doch höflich zurückhaltend am Tisch. Er serviert die Getränke von einem Tablett, fragt nach jedem Gang nach, ob die Gäste zufrieden sind. Über Flecke auf der Tischdecke sieht er locker hinweg. „Das ist doch nicht schlimm, macht nichts“, sagt Richard Quast. So hat er es gelernt von Küchenmeister Steffen Freckmann, seinem Ausbilder bei der Inab, einer Beschäftigungsgesellschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Winsen.

Eine Chance, in den Arbeitsmarkt zu kommen

Im Juli will Quast, dessen Mutter Thailänderin ist, seine Ausbildung mit der mündlichen Prüfung abschließen und dann beim Dorfkrug in Neu Wulmstorf anfangen. Dort hat er 2014 ein achtwöchiges Praktikum absolviert. „Ich freue mich darauf, in meinem Wunschberuf zu arbeiten“, sagt der 19-Jährige. Es ist seine Chance, in den Arbeitsmarkt zu kommen.

Für Jugendliche wie Quast ist das ein schwerer Weg. Der Förderschüler hat eine Lebertransplantation hinter sich und eine Krebsbehandlung überstanden. Jetzt hat er eínen Grad der Behinderung von 70. Um seine Prüfung als Helfer im Gastgewerbe zu schaffen, steht er fast jeden Morgen um 4.30 Uhr auf, lässt sich von seinen Eltern von Rübke zum Bahnhof in Neu Wulmstorf bringen, fährt dann S-Bahn und Metronom und geht noch 15 Minuten in Winsen zu Fuß zur Schule. Der Eifer zahlt sich aus. „Er wird seine Prüfungen schaffen“, sagt Inab-Chefin Kerstin Schild. Fast alle beim Bildungsträger schaffen das. „Die Quote reicht an 100 Prozent heran“, versichert Schild.

Jährlich schließen acht bis zehn Azubis ihre Lehrzeit ab

Die gemeinnützige GmbH arbeitet für die Werker- oder Helferausbildungen mit der Arbeitsagentur zusammen. Bei dieser Qualifikation wird die Theorie gegenüber der gewöhnlichen Gesellenausbildung reduziert. Auszubildende wie Quast gehen zur Berufsschule, erhalten die praktische Ausbildung in den Werkstätten und der Küche der Inab und können Förderunterricht und Sozialpädagogen in Anspruch nehmen.

Jedes Jahr schließen acht bis zehn Azubis nach ihren Prüfungen vor IHKs, Innungen oder Handwerkskammern ihre Lehrzeit ab. Die Inab hat in diesem Bereich fast ein Monopol. Außer ihr bietet nur der Winsener Herbergsverein im Kreis Harburg eine ähnliche Qualifikation im Gartenbau an.

Das Ziel: die Vermittlung der Teilnehmer, direkt nach Beendigung der Ausbildung

„Die Ausbildungen sind gesetzlich festgeschrieben, weil auch Jugendliche mit unterdurchschnittlichen Leistungen oder Lernschwache praktische Kenntnisse erwerben sollen“, sagt Jeannette Unterberger, die Sprecherin der Arbeitsagentur Lüneburg-Uelzen, zu der der Landkreis Harburg zählt. Ziel ist es, die Teilnehmer nach der Ausbildung direkt in einen Arbeitsplatz zu bringen. Wer gute Noten hat, kann bei seinem Arbeitgeber die fehlende Theorie für einen vollwertigen Gesellenbrief nachholen. Das festigt die jeweilige Position in der Firma.

Über die Bewerber für die Reha-Ausbildung bei der Inab entscheiden die Berufsberater der Agentur mit Zudem gibt es Beratungsfachkräfte, die sich um Jugendliche mit Handicaps kümmern. Die Maßnahmen werden komplett einschließlich des Ausbildungsgeldes von bis zu 316 Euro im Monat von der Agentur finanziert.

Analyse der individuellen Talente

„Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit den Jugendlichen zu schauen, welche Talente sie haben und wie sie diese in das Arbeitsleben einbringen können“, sagt Fred Nippert, Teamleiter bei den Agenturen für Arbeit in Buchholz und Winsen. Die Erfahrung zeige, dass Mitarbeiter, die mit Einschränkungen ins Arbeitsleben starten, oftmals zuverlässige und loyale Beschäftigte sind. „Bei Richard Quast hat alles gepasst“, sagt der Agentur-Teamleiter zu dessen Ausbildung bei der Inab. „Es ist beeindruckend, mit welcher Ausdauer und Engagement er sein Berufsziel in der Gastronomie verfolgt.“

Insgesamt suchen die Firmen im Landkreis nicht nur im Gastgewerbe nach neuen Mitarbeitern. Begehrt sind auch neue Kräfte für die Bereiche wirtschaftliche Dienstleistungen, das Gesundheitswesen, den Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen sowie das verarbeitende Gewerbe. Im Landkreis Harburg waren im Mai immer insgesamt 1491 offene Stellen gemeldet.

Arbeitslosigkeit habe stärker abgenommen als im Jahr 2014

„Der Arbeitsmarkt hat sich gut entwickelt“, sagt Bernd Passier, der Chef der Agentur Lüneburg-Uelzen. Die Arbeitslosigkeit habe stärker abgenommen als im vergangenen Jahr. Im Landkreis waren im Mai noch 5797 Menschen ohne Job. Das entspricht einer Quote von 4,3 Prozent nach 4,5 Prozent im April und 4,6 Prozent im Mai 2014 .

Für die Geschäftsstelle Buchholz meldet die Arbeitsagentur eine Quote von 4,2 Prozent nach 4,3 Prozent im April, für Winsen ergab sich ein Wert von 4,6 Prozent nach 4,8 Prozent im Vormonat. Auf den Bereich Buchholz entfallen insgesamt 3671 Arbeitslose, im Bereich der Geschäftsstelle Winsen waren 2126 Menschen betroffen.

Vier weitere Azubis schließen im Spätsommer ihre Lehre ab

Bei der Inab werden außer Richard Quast im Spätsommer noch vier weitere Auszubildende ihre Lehre abschließen. „Für sie suchen wir noch geeignete Arbeitsplätze“, sagt Chefin Schild. Gelingt das, brauchte die Arbeitsagentur die jungen Leute gar nicht erst in ihre Liste der Suchenden aufzunehmen. Interessierte Firmen können sich bei der Inab an Ursula Kamara unter der Telefonnummer 04171/6576-17 wenden.

Unternehmen, die sich über eine Ausbildung von Werkern informieren möchten, können sich an ihre Ansprechpartner im Arbeitgeber-Service von Arbeitsagentur und Jobcenter wenden oder die kostenfreie Servicenummer 0800 4 5555 20 wählen.