Buchholz. Der Buchholzer Pastor Jürgen Stahlhut hat seine St. Johanniskirche für Musik, Lesungen und Kabarett geöffnet.
Kirche und Kultur? „Das geht wunderbar“, sagt Jürgen Stahlhut. Der Pastor an der St. Johanniskirche ist ein Unermüdlicher, nicht nur, wenn es um die Arbeit als Hirte für die Schäfchen seiner Gemeinde geht. Seine zweite große Leidenschaft ist die Darstellende Kunst. Sie öffnet sein Haus der Welt und lockt Menschen hierher, die sonst schon lange nicht mehr den direkten Draht zu Gott und zu dem wofür er steht, haben.
Der Raum inspiriert und schiebt Gedanken an
Wenn in Stahlhuts Kirche Konzerte, Kabarettaufführungen oder Lesungen stattfinden, wird sein Haus zur Bühne. „Die Kirche muss zu den Menschen gehen“ lautet sein Credo und Jürgen Stahlhut lebt es mit jeder Veranstaltung, die in St. Johannis stattfindet. Der kirchliche Konzertraum ist angenehm schlicht und lässt den Künstlern genügend Raum, um sich zu entfalten. An der Stirnseite steht ein Altar, daneben glänzt ein schwarzer Konzertflügel. Die hellen Fenster sorgen für stimmungsvolles Licht und die hohen Decken für eine ganz besondere Akustik.
Dennoch ist jedem Besucher immer bewusst, dass er sich in einer Kirche befindet. Der Raum inspiriert offenbar und schiebt Gedanken an – über Gott und über Religion: „Sie glauben gar nicht, wie viele Gespräche ich in den Pausen über den Glauben führe“, berichtet Stahlhut.
Ein Haus für Musik, Literatur und Kabarett
Seit sechs Jahren lebt der heute 50-Jährige mit Frau und drei Töchtern in dem roten Pfarrhaus hinter der Kirche an der Wiesenstraße. Als der 2009 seine Arbeit in Buchholz aufnahm, war seine Kirche ein Ort, der nur reserviert war für den Glauben. Dass sie auch zu einem Haus für Musik, Literatur und Kabarett werden könnte - auf diesen Gedanken musste er erst einmal gebracht werden. „Das kam irgendwann einfach auf mich zu“, sagt Stahlhut rückblickend.
Vor fünf Jahren war das: Die Mutter eines Konfirmanden hatte erfahren, dass die A-Capella-Sänger, „Die Prinzen“ auf einer Konzerttour durch ausgesuchte Kirchen in Deutschland gehen wollten. „Das machen wir“, entschied Stahlhut damals spontan. Er nahm Kontakt mit dem Management der Leipziger Sänger auf und tatsächlich kam die bekannteste A-Capella-Gruppe Deutschlands nach Buchholz und gab ein spektakuläres Konzert in der St. Johanniskirche.
Eine Mischung aus lokalen und über die Region hinaus bekannten Kunstschaffenden
„Wir wollen als Kirche im Gespräch sein mit der Welt“, das große Ziel, das Stahlhut jeden Tag bei seiner Arbeit vor Augen hat,ergab sich auf einmal von ganz allein. Wo sich sonst nur zu Weihnachten die Menschen dicht an dicht in den Kirchenbänken drücken, war auf einmal sein ganzes Gotteshaus voll besetzt. Die Prinzen legten los – und Stahlhut so hingerissen, dass er ganz hinten in seiner Kirche aus vollem Herzen mit sang und tanzte. Damit war der Stein ins Rollen gebracht, denn Stahlhut hatte begriffen: Kultur zieht Menschen an Orte, zu denen sie sonst nicht kommen.
Varieté aus dem Gymnasium am Kattenberge, eine Lesung mit der Buchautorin Dora Heldt, klassische Musik oder auch afrikanische Trommelworkshops – Stahlhut setzt bei der Gestaltung des Jahresprogramms auf eine gesunde Mischung von lokalen Kunstschaffenden und solchen, die über die Region hinaus einen Namen haben.
Rund 80 Prozent der Veranstaltungen sind kostenfrei
Über die Jahre hat sich die Buchholzer Kulturkirche einen Ruf erarbeitet, heute finden dort pro Jahr rund 50 Events statt. Und da Jürgen Stahlhut in erster Linie Pastor ist, macht seit Januar dieses Jahres Roland Steincke die Organisation der Kultur und das „Booking“ der Bands. Neu ist die gerade entstandene Kooperation mit dem Kunstverein Buchholz und der Kunststätte Bossard in Jesteburg. „Wir haben jede Woche drei bis vier Anfragen von Künstlern“, berichtet Jürgen Stahlhut, „da können wir schon ein bisschen die Bedingungen vorgeben.“ Jazz, Klezmer, Musical Rock und Pop gibt’s hier auf die Ohren, „Kirche ist eben nicht nur Orgelkonzert“, sagt Stahlhut weiter. Rund 80 Prozent der Veranstaltungen kosten die Besucher nichts, dafür steht ein Spendenhut bereit, in den jeder das hineinlegen kann, was er für angemessen hält. In den Pausen gibt es Snacks und Getränke zur Stärkung. Das Zeug zur Legendenbildung haben Stahlhuts Kenntnisse im Cocktailmixen. „Ich kann sogar mit den Flaschen jonglieren – wie Tom Cruise in dem Film ‘Cocktail’“, grinst er.
Gelernt hat er das Shaken übrigens in den 80er-Jahren während seines Theologiestudiums in einer Göttinger Cocktailbar. Die Rezepte hat er immer noch im Kopf. Zur Konfirmation seiner Tochter kreierte er sogar einen alkoholfreien „Rebekka Nr. 1“ mit Saft aus Erdbeere, Limette, Grapefruit, Himbeere „und einem Schuss Grenadine“. Diese Kreation und zwei „Rebekkas“ mit Alkohol mixt er natürlich auch gern in den Pausen der Konzerte. Wenn er selbst mal an einem Cocktail nippt, dann muss es der James-Bond-Klassiker sein: „Am liebsten ein Martini mit einer Olive – gerührt und nicht geschüttelt.“ Während man bei ihm am Bartresen lehnt, kann man gar nicht anders, als mit dem freundlichen Gottesmann ins Gespräch zu kommen – ganz unverbindlich und ohne jede Verpflichtung. Auf diese Art erreicht Stahlhut seine Schäfchen Insofern klappt es gut – mit der Kultur und der Kirche.
Weitere Informationen erhalten Sie hier: www.johannis-buchholz.de