Neugraben/Neu Wulmstorf. 20 Jahre Familienkonzertreihe im Freilichtmuseum am Kiekeberg. Heute: Der Kindershowchor Blue Voice und die Coolen Elbstreicher.

Es gibt diese Abende, an denen Julia Honoré auch gut und gerne etwas anderes machen könnte als ins Bildungs- und Gemeinschaftszentrum (BGZ) Süderelbe in Neugraben zu stiefeln und zu singen. Sie ist 16 Jahre alt und mitten in der Pubertät. Eine kritische Zeit voller Sinnkrisen und Stimmungsschwankungen, in der Jugendliche lieb Gewonnenes manchmal abstoßen und sich für Neues interessieren.

Chorgesang hat es da oft schwer. Wenn Freunde und Mitschüler dann auch noch signalisieren, wie altmodisch sie das Singen im Chor finden, ziehen sich viele Jugendliche in diesem empfindlichen Alter nicht selten davon zurück. Doch bei Julia Honoré aus Hausbruch ist das anders. Seit sechs Jahren ist sie dabei. Das liegt sicherlich auch daran, dass der Kindershowchor Blue Voice, in dem sie singt, anders ist.

„Wir erwarten ein professionelles Benehmen von den Kindern und Jugendlichen auf der Bühne“

Zunächst, als Daniela Steigel und Gesine Krüger den Chor 2009 gründeten, war es ein ganz simpler Kinderchor wie viele andere auch. Inzwischen hat sich Blue Voice als Support bekannter Musiker einen Namen gemacht. „Wir hätten damals nie gedacht, dass der Chor solche Dimensionen annimmt“, sagen Daniela Steigel und Gesine Krüger. Es ist dieses gewisse Etwas, das die Frauen haben. Sie brennen derart für ihr Projekt, dass sie es schafften, aus dem simplen Chor weitaus mehr zu machen. Herausgekommen ist ein Kinderchor mit Showcharakter, der schon mit den ganz großen Interpreten auf der Bühne stand.

Blue Voice arbeitet dreistimmig. Die Leiterinnen sind studierte Musiker und üben mit der Gruppe ein, die Stimmen gegeneinander laufen zu lassen. Das ist das Gerüst, mit dem sie arbeiten. Darüber hinaus legt der Chor den Fokus vor allem auf Show. Die Kinder setzen den Gesang mit Gesten und Grooves gekonnt in Szene. Sie wissen ganz genau, worauf es in dem Business ankommt. Kein Kichern hinter dem Vorhang. Keine Scheu vor Rampenlicht. „Wir erwarten ein professionelles Benehmen von den Kindern und Jugendlichen auf der Bühne“, sagt Gesine Krüger.

Blue Voice hatte Auftritte beim Sommerfest des Bundespräsidenten, mit Lotto King Karl und Robbie Williams

Das kommt an im schnellen Geschäft. Julia Honoré stand schon mit Roger Waters von Pink Floyd, mit Vicky Leandros, mit der Kelly-Family und mit Rolf Zuckowski auf der Bühne. Blue Voice hatte Auftritte beim Sommerfest des Bundespräsidenten im Schloss Bellevue, mit Lotto King Karl im Hamburger Stadtpark, in London beim Young-Voices-Chorprojekt. Und mit Weltstar Robbie Williams. Jüngstes Riesenprojekt: Young Voices Germany, das größte Kinderchorkonzert der Welt mit 5000 Kindern in der O2World vor 8000 Menschen. Spätestens jetzt finden Freunde und Bekannte Julia Honorés Engagement nur noch „cool!“

Wer nun glaubt, dass die berühmten Köpfe der Grund dafür sind, dass Julia Honoré und die anderen 50 Mitglieder im Alter von neun bis 18 Jahren bei Blue Voice bleiben, sieht sich getäuscht. Es ist das Gefühl, einer großen Familie anzugehören. Neuzugänge des Hamburger Chors werden offen empfangen. Der Chor lebt von gegenseitiger Wertschätzung. „Die Jüngeren respektieren uns und wir sie“, sagt Kim Sietmann, 16, aus Neu Wulmstorf, die seit einem Jahr dabei ist. Weil die Gemeinschaft so hochgehalten wird, versuchen die Kinder und Jugendlichen jeden Auftritt möglich zu machen. „Ich will die anderen nicht im Stich lassen“, sagt Kim Sietmann.

Die Elbstreicher spielen ohne Dirigenten und ohne Noten

Es gibt ein weiteres Ensemble, das es perfekt versteht, mit dem Gruppengefühl zu arbeiten: die Coolen Elbstreicher aus Hamburg, gegründet von Gesa Riedel, die jedes Stück selbst arrangiert. Das Streichorchester spielt ohne Dirigenten und ohne Noten. Es funktioniert nach einem Partnerschaftsprinzip. Die Älteren unter den Musikern im Alter von sechs bis 18 Jahren sind verantwortlich für die Jüngeren. Jeder muss ein Gehör für die Musik des Nachbarn entwickeln und auf ihn eingehen. „Toll, dass keiner stur nach den Noten vor sich hin spielt, sondern miteinander musiziert. Dadurch bekommt man auch mehr von der Musik mit“, findet Antonia Thrams, 15, aus Hittfeld, die wie auch Josephine Schlobohm, 9, aus Heimfeld den Coolen Elbstreichern seit mehreren Jahren angehört. Auch dieses Ensemble ist es gewohnt, mit berühmten Größen auf der Bühne zu stehen. Manche Elbstreicher spielten Seite an Seite mit Stars wie Udo Lindenberg, Jörg Pilawa, Johannes B. Kerner, Caren Miosga, und Götz Alsmann. Musikalisch ist alles drin: Abba und Metallica genauso wie Bach und Beatles.

Mit fünf Jahren hatte Josephine Schlobohm ihren ersten Auftritt mit den Coolen Elbstreichern. Sie sagt: „Ich hatte richtig Kribbeln im Bau.“ Das Schöne daran sei, so die Mutter, dass das Üben nicht den Terminkalender strapaziere. Die Kinder proben überwiegend zu Hause. Sie können sich die Noten herunterladen und hören sich die Stücke auf MP3 an. Ansonsten geht das Ensemble regelmäßig auf Orchesterreise. „Dadurch kann man sich auf bevorstehende Auftritte einstellen und die Kinder müssen nicht noch jede Woche einen zusätzlichen Termin wahrnehmen“, sagt Josephines Mutter Michaela Reitmaier.

Gesine Krüger und Daniela Steigel achten darauf, dass der Spaß nicht zu kurz kommt

Antonia Thrams und Josephine Schlobohm haben sich früh für die Geige entschieden. Ein schwieriges Instrument, auf dem Kinder in den ersten Wochen meistens ein grausames Kratzen erzeugen. Aber Antonia Thrams wollte unbedingt. Mit fünf Jahren begann sie, Geige zu spielen. In den vergangenen zehn Jahren ist im Leben ihrer Tochter viel gekommen und gegangen, aber die Geige ist immer geblieben. Für Antonia Thrams ist ein Leben ohne Geige undenkbar. „Sie gehört einfach zu mir.“

Natürlich hadern aber vor allem die Jugendlichen mit steigenden schulischen Anforderungen mit der Musik. Die Kunst, die Kinder und Jugendlichen lange bei der Stange zu halten, kennt keine eindeutige Regel. Doch meistens heißt die Erfolgsformel Spaß. Dass der nicht zu kurz kommt – darauf achten Gesine Krüger und Daniela Steigel vom Kindershowchor Blue Voice ganz genau. „Es wird nicht jeder Fehler gerügt“, sagt Gesine Krüger. Und die Kinder und Jugendlichen bestimmen die Titel oft selbst und identifizieren sich so mehr mit den Stücken.

Kim Sietmann und Julia Honoré investieren gerne ihre Freizeit in den Chor und hoffen, das auch weiter durchhalten zu können. „Bei der Chorprobe dabei zu sein, ist, als käme ich nach Hause“, sagt Kim Sietmann. In der Gruppe zu singen, von den anderen die Leidenschaft für die Musik zu spüren, reißt die beiden mit. „Ich fühle mich dann frei“, sagt Julia Honoré.

Infos zur Veranstaltung

Zum 20-jährigen Zum 20-jährigen Bestehen der Reihe Familienkonzerte veranstaltet das Freilichtmuseum am Kiekeberg am Sonntag, 21. Juni, 10 bis 18 Uhr, eine Musikwerkstatt. An diesem Tag treten Kinderchöre, Blechbläserensembles und Musikschulkinder auf. Darunter auch die Coolen Elbstreicher und Blue Voice.

Ralf Gehler Ralf Gehler vom Zentrum für Traditionelle Musik erklärt die Entwicklung der norddeutschen Volksmusik vom Mittelalter bis zur Neuzeit. Passend zum Anlass gibt es auch ein Familienkonzert: „Der Teufel mit den goldenen Löckchen“ mit dem Cecilia Music Concept aus Köln und dem Ensemble Prisma aus Cloppenburg um 11.15 Uhr im Hof Meyn.

Die Familienkonzerte Die Familienkonzerte verbinden klassische Musik mit Schauspiel und kindgerechten Erzählungen und schaffen so einen Kontakt zu Kindern und Eltern.

Die Karten Die Karten für das Familienkonzert inklusive Museumsbesuch kosten 13 Euro pro Person. Reservierung unter Telefon 040/79 01 76 25 oder bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude unter Telefon 040/76 69 10. Abholung spätestens eine halbe Stunde vor Veranstaltungsbeginn. (bwil)

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