Winsen/Ehestorf. Zum 20-jährigen Bestehen der Familienkonzertreihe am Freilichtmuseum am Kiekeberg erscheinen in den nächsten Wochen vier Teile.

Musik hat es schwer. Sie konkurriert heute mit Facebook und Fußball, mit Ballett und Badminton. Hinzu kommt das Ganztagsschulangebot, das die Kinder stark einbindet. Kaum jemand kann das besser beurteilen als Christiane Dräger-Meier, Leiterin der Musikschule in Winsen und Michael Ränger, Chef der Musikschule in Seevetal. Sie beobachten, dass der Terminkalender ihrer Schüler von Jahr zu Jahr voller wird. „Die Kinder sind heute sehr verplant“, sagt Christiane Dräger-Meier. Wie schafft man es trotz dieser Entwicklung, die Kinder und Jugendlichen bei der Stange zu halten?

Schließlich ist die Zahl der Schüler die Existenzberechtigung einer Musikschule. So lange sich genügend Kinder anmelden, fließen die Zuschüsse. Seit es die Musikschule in Winsen gibt, ist jedes Kapitel der Schule eine Erfolgsgeschichte. Die Zahl der Schüler ist in den vergangenen Jahrzehnten von 300 auf 1500 angewachsen. Stetig meldeten mehr und mehr Eltern ihre Kinder an.

Oberstufe ist den Musikschulen weggebrochen

Seit es die Ganztagsschulen gibt und seit die Jugendlichen ihr Abitur in acht und nicht mehr in neun Jahren am Gymnasium absolvieren mussten, ist der Aufwärtstrend gebrochen. „Die Oberstufe ist uns weitgehend weggebrochen“, sagt Christiane Dräger-Meier. Tendenz weiter rückläufig. „Wir müssen uns bemühen, den Stand zu halten“, sagt sie.

Ähnlich geht es Michael Ränger. Auch die Zahl der Musikschüler in Seevetal stagniert um 1400. Er versucht nun, das Angebot seiner Musikschule mit den allgemeinbildenden Schulen stärker zu verzahnen. Das ist es auch, was sich die meisten Eltern für ihre Kinder wünschen. Nach dem Motto: Wenn der Nachwuchs ohnehin den ganzen Tag in der Schule hockt, soll er die Zeit zum Erlernen eines Instruments oder Singen nutzen. Dahinter steckt aber ein hoher bürokratischer Aufwand, da jedes Angebot neu ausgehandelt werden muss und die allgemeinbildenden Schulen oft den Anspruch haben, dass das Nachmittagsangebot für die Eltern kostenfrei ist.

Hinzu kommt: Was auf dem Papier gut klingt, funktioniert in der Praxis nicht. Manchmal scheitert es an der Raumzuteilung. Ein Trommelkursus in einem Raum neben der Hausaufgabenbetreuung? Unmöglich. Doch letztlich lohnt sich der Aufwand. „Die Kooperationen entwickeln sich explosionsartig“, sagt Ränger.

Sie führen auch dazu, dass Kinder mit der Musikschule in Kontakt kommen, die eigentlich nicht zu ihrem klassischen Klientel zählen. „Ich habe das Gefühl, dass wir dadurch den Rückgang der Schülerzahlen ausgleichen können“, sagt Ränger.

In England ist die Musikschule fester Bestandteil des Schulangebots

Das reicht ihm aber nicht. Er möchte noch einen Schritt weiter gehen und verweist auf England, wo die Musikschule fester Bestandteil des Schulangebots ist. Nach diesem Vorbild hat Ränger, der Mitglied im Vorstand des Landesverbands niedersächsischer Musikschulen ist, ein Drehtürmodell vorgeschlagen: Der Schüler geht für eine halbe Stunde aus dem regulären Unterricht und bekommt beispielsweise Geigenunterricht erteilt.

Der Musiklehrer kommt nie zur selben Zeit an die Schule, damit die Auszeit immer unterschiedliche Fächer trifft. Um das Modell umzusetzen, sind aber Änderungen im Schulgesetz notwendig. „Den Schulunterricht für außerschulische Zwecke, die dann auch noch kostenpflichtig sind, zu verlassen, sieht das Gesetz nicht vor“, sagt Ränger. Es wird lange dauern, diese Rechtslage zu ändern, „Die Ideen sind da, aber die Umsetzung ist schwierig“, sagt der Musikschulleiter.

Christiane Dräger-Meier hat noch ganz andere Feinde ihrer Musikschule ausgemacht: Computer und Smart-Phones. Ein Klick, ein Wisch, schon ist alles da, wonach die Jugendlichen verlangen. Ergebnisse in Sekundenschnelle. Doch um ein Instrument beherrschen zu können, braucht es Ausdauer, viel Ausdauer. „Die Kinder haben ein Überangebot, deshalb ist es heute schwieriger, sie für das Spielen eines Instruments zu begeistern. Sie bleiben nicht mehr langfristig dran“, sagt Dräger-Meier.

Bewusstsein für Musik schaffen

Eine große Rolle spielen dabei die Eltern. Wenn sie ihren Nachwuchs musikalisch fördern wollen, ist für die Musikschule schon viel gewonnen. Deshalb versucht Dräger-Meier stetig ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig die Musikschule für Kinder und Jugendliche ist und dass die 41 studierten Lehrer an ihrer Einrichtung weit mehr machen als nur Musikunterricht zu erteilen. Beispiele dafür gibt es viele.

Dräger-Meier berichtet von einem fünfjährigen Mädchen, das nicht sprach. Durch das Singen in der musikalischen Früherziehung löste sich die Blockade. Oder ein Junge, der panische Angst davor hatte, vor Publikum etwas vorzutragen, sie aber mit Hilfe der Musikschule überwand und inzwischen den Schauspieler in sich entdeckt hat. „Die Kinder profitieren auch in anderen Lebensbereichen vom Musikunterricht, wenn sie nicht so schnell aufgeben“, sagt Dräger-Meier. „Die Musik begleitet einen dann ein Leben lang.“