Neuenfelde . Die Restaurierung des Neuenfelder Instruments ist sehr aufwendig. Weitere Spenden sind willkommen und kommen auch.
So ein Zimbelstern ist im Gesamtkomplex Orgel eigentlich ein echter Blender. Die meiste Zeit prangt er reglos an den großen Prospektpfeifen und sieht gut aus. Betätigt der Organist allerdings das Glockenspiel, beginnt der Stern, sich zu drehen. Vor Jahrhunderten sorgten solche Effekte für entzücktes Erstaunen beim Publikum. In Neuenfelde waren die Zimbelsterne allerdings schon immer eher Statussymbole, denn die Orgel steht im Rücken der Gemeinde und lediglich Pastorin und Organist sehen die Sterne. Im Moment allerdings nicht einmal die: Die Zimbelsterne liegen in einem Regal, zwischen zahllosen Pfeifen, Schüben und Zügen.
Zerlegung der Orgel seit Februar
Seit Februar zerlegt der Dresdner Orgelrestaurator Kristian Wegschneider die historische Orgel der St.-Pankratius-Kirche in Neuenfelde, um sie zu restaurieren. Sie ist unter den hundert Orgeln, die der berühmte Arp Schnitger einst baute – 30 sind davon noch erhalten – eine besondere: Während der Arbeit an diesem Instrument verliebte sich Schnitger dermaßen im und ins Dorf, dass er hierher heiratete und übersiedelte. Er baute sich also hier die Orgel, die er mindestens jeden Sonntag hören würde, wenn er nicht gerade irgendwo zwischen Algarve und Zuiderzee auf Dienstreise war. Fünf Jahre brauchte er, bis er 1688 mit der Neuenfelder Orgel fertig war.
Seit dieser Zeit ist die Restaurierung, die der Dresdner Wegschneider jetzt vornimmt, die umfangreichste. Es hat Teilrestaurierungen gegeben und Reparaturen – nicht jede zum Wohle der Orgel, wie sich jetzt herausstellt. „Je tiefer wir in die Orgel vordrangen, desto mehr Reparaturbedarf fiel auf“, sagt Pankratius-Kantor Hilger Kespohl. Der renommierte Orgelexperte hat die Stelle in Neuenfelde extra angenommen, um die Restaurierung begleiten zu können. Viele der Schäden ließen sich bislang nur per Gehör erahnen. Gewissheit hat man erst, seit man die Orgel so demontierte, dass man auch jede Pfeife tatsächlich begutachten konnte.
Manche Pfeifen wurden mit großer Gewalt in die Windladen getrieben
„Dabei stoßen wir auf interessante Spuren früherer Reparaturen und Wartungen“, sagt Kespohl und zeigt eine Orgelpfeife mit einer narbenähnlichen Lötnaht. Ob hier jemand die Pfeife verlängert hat, um über Hubraumerhöhung den Ton tieferzulegen oder aber die Pfeife lediglich öffnete, um Ablagerungen oder totes Getier daraus zu entfernen, kann man nicht mehr sagen. Andere Pfeifen wurden mit so großer Gewalt in die Windladen getrieben, dass sie sichtbare Spuren davontrugen. Der Grat zwischen Pfusch und Erfindungsreichtum ist auch im Orgelbau schmal, Geld war in Neuenfelde nicht immer vorhanden und manchmal musste auch ein Notbehelf herhalten, damit die Orgel wieder klang. Es ist, so Kespohl, gut möglich, dass die Pfeife mit der Lötnarbe noch irgendwo in Reserve lag und dann einem neuen Zweck angepasst wurde.
Schon jetzt wird klar, dass die Restaurierung der Orgel das geschätzte Budget von 780.000 Euro mindestens ausschöpfen wird, wahrscheinlich aber übersteigt. 480.000 Euro haben die Neuenfelder über ihre Arp-Schnitger-Gesellschaft an Spenden zusammenbekommen. 300.000 Euro kommen aus einem Bundesfonds. Und am liebsten wäre es den Mitgliedern der Arp-Schnitger-Gesellschaft, wenn sie ihre Orgel nicht nur technisch so in Ordnung bringen, dass sie wieder klingt, wie vor 325 Jahren, sondern ihr auch wieder ein historisches Äußeres geben können. Die Farbgebung des Orgelgehäuses wurde nämlich in den 50er-Jahren wohlmeinend mit einer Marmor-Effekt-Lackierung modernisiert.
Spenden sind willkommen
Weitere Spenden sind in Neuenfelde also dringend willkommen. Umso dankbarer ist die Arp-Schnitger-Gesellschaft deshalb denjenigen, die immer noch spenden. So wie die Sparkasse Buxtehude-Altes Land. Deren Vorstandsvorsitzender Wolfgang Schult und der Neuenfelder Geschäftsstellenleiter Manuel Bossemeyer hatten einen Scheck über 7500 Euro dabei, als sie jetzt die Neuenfelder Kirche besuchten. Orgelförderung ist dem Geldinstitut nicht fremd, schließlich stehen im Alten Land noch mehrere andere Instrumente aus Schnitgers Hand. Sie sind genauso ein identitätsstiftendes Merkmal der Region wie Kirschblüte und Apfelbäume. So förderte die Sparkasse bereits die Restaurierung der Orgeln in Hollern und Steinkirchen. „Wenn es so klar ist, dass die Orgel erhalten werden muss, ist es unsere kulturelle Pflicht, mitzuhelfen, das zu ermöglichen“, sagt Schulz.
Manfred Hoffmann, Vorsitzender der Arp-Schnitger-Gesellschaft freut sich über das Geld. „So kann die Orgel der Nachwelt erhalten bleiben, und das ist wunderbar.
Eineinhalb Jahre werden die Arbeiten dauern
Etwa eineinhalb Jahre wird Kristian Wegschneider an der Orgel arbeiten. Welche Pfeifen er zur Reparatur mit nach Dresden nimmt, schlägt er zwar vor, entschieden wird es aber von der Orgelkommission der Gemeinde. „Da wird über jede einzelne Pfeife geredet, um im Etat zu bleiben“, sagt Kespohl. Insofern ist es ihm natürlich auch genehm, wenn neue Spenden hereinkommen, wie jetzt. Auch Orgelpatenschaften werden noch vergeben. Für feste Summen können kleine und große Pfeifen gesponsert werden. Sogar eine der großen Prospektpfeifen ist noch zu vergeben: Das Prinzipal-f. Kosten für so eine Patenschaft: 1000 Euro. Kleinere, „günstigere“ Pfeifen warten auch noch auf Paten.
Während der Orgelrestaurierung, begleitet Kespohl Gottesdienste auf dem Klavier. Das ist nicht nur musikalisch ungewohnt. Bislang saß er unbeobachtet auf der Empore und drehte dem Publikum beim Spiel den Rücken zu, so wie es auch von ihm abgewandt saß. „Wenn ich jetzt eine Hochzeit begleite, sitze ich fast Schulter an Schulter mit dem Brautpaar und habe Blickkontakt zu den Eltern“, sagt er.
Wenn Kristian Wegschneider in seiner Werkstatt fertig ist, wird jede Pfeife einzeln wieder eingebaut – und neu gestimmt. Gut 1300 sind es. Das dauert. Und zuletzt kommen die Zimbelsterne zurück an den Prospekt. (Lars Hansen)