Jesteburg. Dienstags geben ehrenamtliche Helfer der Kleiderkammer in Jesteburg Kleidungsstücke aus. Zu den Hilfsbedürftigen gehören nicht nur Flüchtlinge.

Ein Tisch, ein Schrank, ein Bett, dazu Decke und Kissen – mehr ist es nicht, was die Flüchtlinge aus aller Welt in den Unterkünften erwartet, wenn sie nach Jesteburg kommen. „Alles andere bekommen sie von uns“, sagt Margarete Ziegert. Die Jesteburgerin hat vor 22 Jahren in ihrem Heimatdorf die einzige kommunale Kleiderkammer des Landkreises ins Leben gerufen. Seitdem können bedürftige Menschen hier vorbeikommen und sich mit kostenloser Kleidung versorgen.

Jeden Dienstagnachmittag kümmern sich sechs ehrenamtliche Helfer im Keller des neuen Rathauses am Niedersachsenplatz darum, die Sachen herauszugeben. Sie geben all das aus, was die Menschen aus der Fremde brauchen, um sich in ihrer neuen Heimat einzurichten. In einem großen Raum breiten die Helferinnen Janett Tomforde und Liselotte Wulf gerade Kleidung aus einem der vielen großen blauen Säcke aus. Ständig kommen Spender herein, die sich von alter Kleidung und Hausrat getrennt haben und damit anderen etwas Gutes tun möchten. Sorgfältig legen die beiden Frauen Hosen, T-Shirts und Pullover zusammen und stapeln sie.

Begehrt sind Kleidungsstücke für den Sommer

Jetzt wo es wärmer wird, beginnt die Saison für die Sommersachen, vor allem leichte Kleidung, T-Shirts, Röcke und Shorts sind jetzt heiß begehrt. Bevor die Spenden an die Bedürftigen ausgegeben werden, wird alles von den Frauen durchgesehen: „Die Sachen müssen gewaschen und sauber sein, schön ist es, wenn sie nicht total aus der Mode sind“, empfiehlt Janett Tomforde. Meistens macht das Sortieren der Kleidung den Frauen Spaß, manchmal allerdings müssen auch sie die Nase rümpfen: „Einige glauben, dass sie bei uns ihren Müll los werden, es gibt Leute, die total verdreckte Sachen abgeben“, ekelt sich Liselotte Wulf. So wie alle zwölf ehrenamtlichen Helferinnen sind auch die beiden Frauen regelmäßig in der Kleiderkammer, weil sie sich für die Allgemeinheit engagieren wollen.

Langsam stapeln sich die vielen Säcke mit den Kleiderspenden in dem Sortierraum. Mariam Wehbi legt eine Tüte mit Kochgeschirr zur Seite. „Daran haben wir immer großen Bedarf“, berichtet die Frau, die vor 24 Jahren aus dem Libanon fliehen musste und in Jesteburg eine neue Heimat fand. Inzwischen arbeitet sie als Integrationsbeauftragte für den Landkreis Harburg, in der Kleiderkammer ist sie regelmäßig, um als Übersetzerin zwischen den arabisch sprechenden Flüchtlingen und den Deutschen zur vermitteln.

Tatkräftige Unterstützung

Auch Ferid Scheche ist heute da. Der junge Mann aus Nordafrika arbeitet als einer von vier Ein-Euro-Jobbern für die Gemeinde und hilft den Frauen bei der Arbeit in der Kleiderkammer. Er trägt die schweren Kleidersäcke, sortiert die Textilien in den Regalen und sorgt mit dafür, dass alles ordentlich und aufgeräumt ist. Inzwischen ist es kurz vor 15 Uhr. Im Flur warten Männer und Frauen, alle haben große Plastiktüten dabei, um die Sachen, die sie gleich einpacken werden, transportieren zu können. Dann öffnet sich die Tür zum Ausgaberaum und die Menschen machen sich auf die Suche nach Tragbarem.

Edda Preuß wirft einen kritischen Blick auf die ausgelegte Kleidung. In den Regalen liegen Hosen, Schuhe, Taschen, Gürtel, T-Shirts und Pullover. Blusen, Mäntel und Jacken hängen ordentlich aufgereiht an langen Kleiderstangen. Wenn man es nicht wüsste, könnte man sich hier auch wie in einem gut sortierten Second Hand Laden fühlen. Vor allem Flüchtlinge aus Syrien und Afrika kommen vorbei, um sich mit allem Lebensnotwendigen zu versorgen, aber auch Bedürftige, alleinerziehende Frauen und ältere Menschen sind da und schauen sich um. Eine kleine Umkleidekabine um die Sachen anzuprobieren – das ist eins der Dinge, die sich Margarete Ziegert für die Kleiderkammer wünscht. „Bisher nehmen die Leute die Sachen erst einmal mit, was nicht passt, bringen sie dann beim nächsten Mal wieder vorbei“, erläutert die 79-Jährige.

Weggeschmissen wird nichts, vielmehr weiter vermittelt

Jeder Platz wird genutzt. Unter den Regalen liegen große blaue Säcke mit Kleidung. Sie sind bestimmt für die Rumänienhilfe, denn alles, was in Jesteburg selbst nicht gebraucht wird, wird nicht weggeworfen, sondern weiter vermittelt. Spenden aus der Kleiderkammer gehen in ein Alten- und ein Kinderheim in Osteuropa, weiterhin sendet Mariam Wehbi regelmäßig säckeweise Kleidung nach Syrien. Alle Spenden gehen also wirklich an Menschen, die es bitter nötig haben, anders als bei den kommerziellen Kleidercontainern, bei denen man nie weiß, wer, möglicherweise auf Kosten der Ärmsten, noch verdient.

Hohes Spendenaufkommen in Jesteburg

Wohl auch deshalb ist das Spendenaufkommen in Jesteburg enorm: „Und das von Anfang an“, bestätigt Margarete Ziegert, „es ist ein Wahnsinn, wie viel da kommt, man denkt ja immer, dass es doch mal weniger werden müsste.“ Sie ist stolz auf die große Bereitschaft der Menschen, zu helfen. Bei den Kleiderspenden ist die Ausgabestelle im Rathaus gut aufgestellt. Töpfe, Geschirr und Kochutensilien aber auch Wasserkocher oder Flachbildschirme sind dagegen Mangelware. Ebenso dringend gebraucht werden Bettbezüge und Handtücher.

Spender können ihre Sachen, möglichst gewaschen, immer dienstags direkt in der Kleiderkammer im Keller des neuen Rathauses in Jesteburg abgeben. Geöffnet ist jeweils von 15 bis 17 Uhr. (Susanne Rahlf)