Brackel. Bewohner der Dorfheideregion lehnen Schienennetzpläne der Deutschen Bahn ab und kündigen bis zum Jahresende weitere Aktionen an.
Bewohner der Nordheideregion rücken zusammen in ihrer gemeinsamen Ablehnung möglicher Güterbahnstrecken, die derzeit vom Bundesverkehrsministeriums und der Deutschen Bahn AG dem Land Niedersachsen zur Prüfung unter Bürgerbeteiligung vorgelegt worden sind. Am Sonnabend machten mehr als 1000 Bewohner bei einer Bürgerprotestveranstaltung in Brackel mit einem Treckerkonvoi, einer Aktion Flagge zeigen, einer Transparententhüllung und einem Dorffest deutlich, dass sie ihre Ortschaften und ihren Lebensraum vor Verkehrslärm und Zerschneidung durch die Schienenstränge der Y-Trasse schützen wollen.
„Wir wollen einen positiven und friedlichen Protest“, sagte Axel Meinhard von der Brackeler Bürgerinitiative „X durch Y“, „wir demonstrieren Geschlossenheit und feiern die Trasse mit unserem Dorffest gemeinsam weg.“ Auch Olaf Muus hatte sich unters Volk gemischt. Nicht als Bürgermeister der Samtgemeinde Hanstedt sondern schlicht als Bürger. „Die Samtgemeinde ist mit drei von insgesamt sieben vorgestellten Trassenvarianten betroffen“, sagt Muus.
Worum geht es bei all der Aufregung? Bereits vor gut 20 Jahren war die Idee der sogenannten Y-Trasse geboren: Sie soll dafür sorgen, dass die Häfen von Hamburg und Bremerhaven für den Güterzugverkehr eine bessere Anbindung über Hannover nach Süden erhalten. Die Gleisstrecke Hamburg-Bremen sollte dafür in Höhe Lauenbrück (bei Sittensen) einen Abzweiger, ähnlich einem Y, mit Neubaustrecke nach Süden bekommen. Im bereits abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren liegt ein bis Ende 2016 gültiger Beschluss vor, wonach theoretisch diese Variante gebaut werden könnte. Aber: Auf Betreiben des niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr ist für Bürgerbeteiligung das „Dialogforum Schiene Nord“ ins Leben gerufen worden, um an die zahlreichen Diskussionen und Informationsveranstaltungen der Vergangenheit anzuknüpfen, die den Angaben nach kaum Fortschritte in der Sache ergeben hätten. So heißt es auf der Seite des Dialogforums im Internet.
In Brackel sehen Demonstranten die Sache etwas anders. Sie glauben, dass die Deutsche Bahn AG und das Bundesverkehrsministerium wegen bislang mangelhafter Bürgerbeteiligung kalte Füße bekommen haben und mit der Y-Trasse – die das größte Neubauprojekt der Deutschen Bahn werden würde – kein ähnliches Desaster wie bei „Stuttgart 21“ erleben wollen.
Deshalb sei nun Hals über Kopf die Bürgerbeteiligung zur Prüfung der sieben Alternativstrecken aus dem Boden gestampft worden. Die Bürger haben insgesamt neun Monate Zeit – bis Ende November – um Varianten-Pläne zu studieren und nach Diskussionen zu einem abschließenden Ergebnis zu kommen. Bis dahin gibt es sechs Dialogveranstaltungen jeweils in Celle. Eine war bereits im Februar, die nächste ist am kommenden Freitag, 24. April. Weitere Informationsveranstaltungen – wie in der vergangenen Woche in Winsen – plant die Verwaltung des Landkreises Harburg. Auch in den Gemeinden der Nordheide soll es fortlaufende Informationsveranstaltungen geben. BI-Sprecherin Ines Westphalen: „Wo man auch hinhört, es gibt derzeit bei uns kein anderes Thema.“
Hanstedts Samtgemeinde Bürgermeister Olaf Muus machte die Lage noch einmal deutlich. „Die vor 20 Jahren entwickelte und für gut befundene Planung wird nun wieder neu aufgerollt. Und es werden Varianten geprüft, die schon damals mit Pauken und Trompeten durchgefallen sind.“
Bei der Protestaktion am Sonnabend rollte ein Treckerkonvoi durch Brackel bis zum Dorfplatz, wo für das Dorffest ein Zelt aufgebaut war. Viele Bewohner hatten für die Aktion „Wir zeigen Flagge“ Demo-Fahnen entlang der Straßen aufgehängt. An der Ecke Bahnhofstraße/Hermann-Löns-Weg, wo noch bis vor 35 Jahren der Nahverkehrszug von Buchholz nach Lüneburg die Fahrbahn querte, bauten Handwerker aus den Ortschaften ein Gerüst auf und entrollten ein Transparent, das einen neuen zweigleisigen Ausbau auf der stillgelegten Strecke mit zwei darauf fahrenden Güterzügen in Originalgröße simuliert. Die bestehende Planungsvariante sieht vor, dass die Gleise in einem drei Meter tiefen Trog durch den Ort führen würde. Die Thieshoper Straße/Bahnhofstraße würde mit einer Brücke hinüber geführt.
Axel Meinhard: „Unser Protest gegen ein derartiges Vorhaben ist absolut notwendig. Ich möchte mich von meinen Kindern später nicht fragen lassen, warum ich dagegen nichts unternommen habe. Dieses Aufgabe kostet uns jetzt viel Zeit und Geld. Sie ist aber unumgänglich.“