Bei ihrem Besuch des Wochenmarktes erfährt die FDP-Spitzenkandidatin kalte Schultern und warme Worte. Eines stehe für sie fest: Ein Wahlerfolg lässt sich mit femininer Optik allein nicht bewerkstelligen
Lutz Kastendieck
Harburg. Hamburgs Süden ist ein schwieriges, um nicht zu sagen sperriges Pflaster. Diese Erfahrung musste am Freitag auch Katja Suding machen. Das Wahlkampf-Team hatte für die Spitzenkandidatin der Hamburger (Alt-)Liberalen einen Besuch des Harburger Wochenmarktes auf dem Sand geplant. Aber wie viel Wahlwerbung goutiert der geneigte Open-Air-Kunde beim Streifen durch die bunten Marktstände wirklich?
Morgens um neun Uhr ist es dieser Tage ziemlich eisig. Doch Katja Suding, in einen eleganten grauen Mantel, magentafarbene Bommelmütze und dicke Stiefel gewandet, scheint gut gerüstet. So zieht sie von Stand zu Stand. Die Marktbeschicker sind ihr zumeist wohl gesonnen. Am Stand des Jorker Obsthofes Neuenschleuse bekommt sie von Dirk Feindt einen Apfel geschenkt. Ziemlich kalt sei der, stellt die 39-Jährige nach einem herzhaften Biss fest.
Noch etwas frostiger wird es, als sie hernach versucht, die bunten Flyer der Liberalen an Marktbesucher zu verteilen. Gleich dreimal in Folge scheitert die Übergabe, da hilft auch ihr strahlendes Lächeln wenig. Der gemeine Harburger weiß ziemlich genau, was er will. Und welche Partei er gar nicht mag. Das ist nicht nur den Gesichtern deutlich anzusehen. Auch den kalten Schultern, mit denen sich Suding zuweilen konfrontiert sieht.
Das alles ficht die inzwischen Wahlkampf-gestählte FDP-Frontfrau aber offenbar nicht an. Unbeirrt bahnt sie sich ihren Weg durchs Getümmel. Und wird schließlich von einem Mann in reifem Alter erkannt und angesprochen. Dass es auf dem Sand nach wie vor kein öffentliches Klo gebe, obwohl darüber seit Jahren diskutiert werde, sei doch wirklich ein Unding. Ob die FDP da nicht mal was tun könne.
Das Thema hat die Harburger FDP schon lange auf dem Zettel. Buchstäblich. Denn die Frage „Wo bleibt die Toilette am Sand“ steht auch in dicken blauen Lettern auf einem gelben Plakat am FDP-Infostand beim Durchgang zur Hölertwiete. „Die Sache ist in Harburg ein echter Aufreger“, konstatiert Suding. Weil eine vernünftige Infrastruktur eben viel mit den konkreten Lebensbedingungen der Menschen vor Ort zu tun habe.
Ansonsten hätte sie aber sehr viel Ermunterung erfahren. „Die Stimmung hat sich in der Stadt seit einigen Wochen komplett gewandelt“, sagt Suding, dieser Eindruck habe sich auch bei ihrem Besuch in Harburg verfestigt. Viele Menschen hätten ihre Unterstützung signalisiert, das motiviere für den Endspurt im Wahlkampf ungemein. Schließlich hat die große Hoffnungsträgerin der bundesweit arg gebeutelten FDP, die zuletzt sogar den Wiedereinzug in den Bundestag verpasste, ihre Parteifreunde auf ein noch besseres Hamburger Wahlergebnis als 2011 eingeschworen.
Seinerzeit hatte Suding die Liberalen mit 6,7 Prozent der Wählerstimmen, dem besten Ergebnis seit 37 Jahren, zurück in die Bürgerschaft geführt. Nach der Abspaltung der Neuen Liberalen im Herbst 2014 schien die Wiederholung dieses Husarenstreichs in endlos weiter Ferne. Und sollte das ambitionierte Unterfangen nach dem vorausgegangenen innerparteilichen Machtkampf mit der früheren FDP-Landesvorsitzenden Sylvia Canel tatsächlich misslingen, dürfte das vor allem Suding angelastet werden.
Zumal die gesamte Wahlkampagne der Hamburger Liberalen auf die attraktive PR-Expertin zugeschnitten ist. Auch am Ende der Knoopstraße, am alten Harburger Friedhof, findet sich eines der überdimensionalen Plakatwände, auf denen Suding wissen lässt, dass Hamburgs Staus im Rathaus beginnen würden. Die zuständige Berliner Werbeagentur Heimat stilisierte die neue FDP-Landesvorsitzende gar zu „Unser Mann für Hamburg“. Der Slogan war sogar ein noch größerer Aufreger als das fehlende Klo auf Harburgs Sand.
„Klar, ist das Motiv auch mit einem ironischen Augenzwinkern entstanden“, so Suding. Dass es nicht jedem gefallen habe, damit könne sie gut leben. In jedem Fall hätte es seinen Zweck erfüllt: „Seitdem haben wir die volle Aufmerksamkeit und konnten unsere Themen bestens transportieren.“
Als Beitrag zur allgegenwärtigen Gender-Debatte wolle sie den Slogan jedenfalls nicht verstanden wissen. Und eines sei doch mal ganz klar: Ein Wahlerfolg lasse sich mit femininer Optik allein nicht bewerkstelligen: „Die Qualität der Inhalte ist entscheidend.“