Die insgesamt 18 Mitglieder des Harburger Integrationsrates vertreten Einwanderer aus sieben Regionen der Welt. Damit ist Hamburgs südlichster Stadtbezirk Vorreiter für die ganze Hansestadt.
Harburg. Wenn Ferdaouss Adda von einer Sache überzeugt ist, dann strahlt das auch aus ihrem Gesicht. In fließendem Deutsch hielt die 34 Jahre alte Marokkanerin am Freitagabend im großen Saal des Rathauses ein glühendes Plädoyer für die Mitarbeit im ersten Harburger Integrationsrat. „Dieses Gremium birgt nicht nur viel Potenzial für die vielen Migranten selbst, sondern für den gesamten Bezirk“, sagte die Kulturwissenschaftlerin.
Es gehe nämlich nicht nur um Teilhabe. Es gehe auch darum, dass die Zuwanderer mit ihrem Wissen und Können Harburg auf vielfältige Weise bereichern könnten.
Insgesamt 20 Kandidaten hatten sich in den vergangenen Wochen für einen Sitz im Integrationsrat beworben. Sie alle eint der Wille, den zuweilen inflationär gebrauchten Begriff Integration engagiert und ehrenamtlich mit Leben zu füllen.
„Über die Integrationskonferenzen soll der Rat eine Schnittstelle der Migranten zur Bezirkspolitik sein, mit Rederecht in der Bezirksversammlung, Mitwirkung in den Ausschüssen und Stimmrecht bei der Vergabe des Integrationspreises“, sagt Karin Helberg-Scheimann, Integrationsbeauftragte des Bezirksamtes.
Damit alle Migrantengruppen im Rat Sitz und Stimme haben, waren vorab sieben Regionen fixiert worden, für die sich die Kandidaten bewerben konnten. Gleich sieben Kandidaten fanden sich für die Region Deutschland, hingegen nur je ein Bewerber für Asien und Resteuropa. Dennoch wertete Helberg-Scheimann schon die schiere Zahl von 20 Kandidaten als großen Erfolg: „Vor allem die Qualität und das Engagement der Bewerber haben uns davon überzeugt, dass die Initiative zur Gründung des Rates absolut richtig war. Das ist zuvor schon an der regen Teilnahme bei den Integrationskonferenzen deutlich geworden.“
Mit der Wahl am zurückliegenden Wochenende ist Harburg sogar zum Vorreiter für ganz Hamburg geworden. Zwar hat die Hansestadt bereits einen Rat mit 51 Mitgliedern. Aber kein anderer Bezirk verfügt über solch ein regionales Gremium. „Der Erfolg und Aufstieg Harburgs zu einem Industriestandort hat viel mit Migration und Integration zu tun“, betonte Bezirksamtsleiter Thomas Völsch in seinem Grußwort. Der Bezirk lebe auch von seinen vielen Zuwanderern, die immerhin 38 Prozent seiner Bevölkerung ausmachen würden.
So wie Ferdaouss Adda, die als Koordinatorin für Integration und Sprachförderung auf dem Harburger Elbcampus arbeitet, dem Kompetenzzentrum der Handwerkskammer Hamburg. In Deutschland und Marokko aufgewachsen, sei interkulturelle Kommunikation schon während ihres Studiums in Bochum ein prägendes Thema für sie gewesen.
Dass die promovierte Ethnologin als Mittlerin zwischen den verschiedenen Kulturen geradezu prädestiniert ist, liegt auf der Hand: Spielend parliert sie auch auf Arabisch, Französisch, Spanisch und Englisch. Und vermag andere nicht zuletzt durch Temperament und Charme zu begeistern.
„Bildung ist ein Schlüssel zur Teilhabe. Deshalb ist es mir besonders wichtig, die Aus- und Weiterbildungschancen für Migranten zu verbessern“, sagt Ferdaouss Adda, die sich in Hamburg ebenso zu Hause fühlt wie in Casablanca und Agadir. Im Integrationsrat sieht sie unterdessen auch ein Sprachrohr für die Interessen der Zuwanderer, die politisch oft unzureichend berücksichtigt würden.
„Er ist außerdem wichtig, um soziale Strukturen und Netzwerke für die Migranten zu entwickeln“, so die Deutsch-Marokkanerin, die künftig für die Einwanderer aus der Region Afrika sprechen wird.
So sieht das auch Ali Eken, der im Rat die vielen türkischen Einwanderer vertritt. Der 37 Jahre alte Vater zweier Kinder ist in Harburg geboren und aufgewachsen und lebt mit seiner Familie zwischen Phoenix-Viertel und Stadtpark. Vor seiner Kandidatur hat sich der Speditionskaufmann, dessen Eltern aus Zentral-Anatolien stammen, bereits intensiv am interreligiösen Dialog beteiligt. „Das finde ich angesichts der radikalen Strömungen im Islam unverzichtbar“, sagt Eken.
Als Mitglied der Islamischen Gemeinde Harburg, die ihre Moschee in der Knoopstraße hat, würde er das Wachsen der Vorurteile gegen Muslime im Alltag deutlich spüren. „Das trifft mich persönlich. Dabei hat sich unsere Gemeinde vom Terror der Isis-Milizen längst klar distanziert, es gibt dazu klare Aussagen seitens des Vorstandes, wie auch des Imam“, so Eken. Gewaltakte gehörten eben nicht zum Islam und würden nur Hass und Ressentiments zwischen den Religionen schüren.
Wie schwierig es für Migranten oft ist, gute nachbarschaftliche Beziehungen aufzubauen, hat vor 25 Jahren Mariola Scharfenberg selbst erfahren. Heute lebt die 53 Jahre alte Textilfachfrau mit ihrer Familie glücklich in Neugraben.
„Gerade auf die gute Integration von Frauen muss großes Augenmerk gelegt werden. Weil das auch direkte Rückwirkungen auf die Erziehung der Kinder hat, die schließlich die Zukunft des Bezirks gestalten sollen“, sagt die Vertreterin für die Region Russische Föderation, Polen und Kasachstan.
Nach Auskunft des Bezirksamts haben sich insgesamt 275 Harburger Bürger an der Wahl beteiligt. Die konstituierende Sitzung des Integrationsrates mit Übergabe der Ernennungsurkunden erfolgt am Mittwoch, 17. Dezember, um 18.30 Uhr im Harburger Rathaus.