Serie: alle Teilnehmer des Harburger Kulturtages. Heute: die Initiative Gedenken in Harburg, die es sich diesmal zur Aufgabe gemacht hat, das Schicksal von Opfern des Nationalsozialismus aufzuarbeiten.
Harburg. Beim Harburger Kulturtag am 8. November erwartet die Besucher ein Rundumschlag in Sachen Kultur. Stolze 22 Teilnehmer öffnen zwischen 10 und 20 Uhr ihre Türen, darunter sind Ateliers, Galerien und Museen, aber auch die Kulturwerkstatt, das Musikforum St. Trinitatis und der Verein Alter Friedhof. Weil man bei so viel Angebot schon mal den Überblick verlieren kann, stellt das Hamburger Abendblatt vorab alle Teilnehmer einzeln vor. Den Anfang macht die Initiative Gedenken in Harburg.
Die vor rund 16 Jahren gegründete Initiative, die aktuell von elf aktiven Mitgliedern geleitet wird, hat es sich zum Ziel gesetzt, die Geschichte des Nationalsozialismus in Harburg zu beleuchten und der Opfer zu gedenken. Beim Harburger Kulturtag werden den Besuchern gleich zwei Führungen zum Thema angeboten. Um 12 Uhr führt Klaus Möller von der Initiative Gedenken in Harburg zunächst durch die Ausstellung „Wohnungslose im Nationalsozialismus“.
Dabei handelt es sich um eine Wanderausstellung der Bundesgemeinschaft für Wohnungslosenhilfe, die seit 2004 deutschlandweit bereits in 120 Städten gezeigt wurde. Anlässlich der Harburger Gedenktage ist sie vom 16. Oktober bis zum 13. November in der Bücherhalle Harburg in der Eddelbüttelstraße 47a zu sehen.
„Bei den Harburger Gedenktagen widmen wir uns jedes Jahr einer anderen Opfergruppe, dieses Jahr den Außenseitern“, erklärt Möller. „Die so genannten ‚Asozialen’ hatte man, was die Aufarbeitung betrifft, lange überhaupt nicht auf der Rechnung.“
Zu diesen damals unerwünschten Menschen gehörten soziale Minderheiten wie Obdachlose, Wanderarbeiter, Bettler, Landstreicher, kinderreiche Familien aus den sozialen Unterschichten, Alkoholiker, Prostituierte, Zuhälter oder auch Menschen mit Behinderungen. Ihnen ist die Ausstellung gewidmet.
13 große Banner befassen sich mit Themen wie der Bettlerrazzia von 1933, der Zwangssterilisation von Wohnungslosen sowie einigen Einzelschicksalen. Die Texte stammen von Wolfgang Ayaß, Historiker an der Universität Kassel. Wer es nicht zur Führung schafft, kann die Ausstellung am Harburger Kulturtag zwischen 10 und 14 Uhr auch auf eigene Faust erkunden.
Die zweite Führung der Initiative Gedenken in Harburg, die um 15 Uhr beginnt und ebenfalls von Klaus Möller geleitet wird, dreht sich um die Stolpersteine in Harburg. Das 1997 gestartete Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig soll an all jene Menschen erinnern, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben worden sind.
Dazu werden vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der Opfer kleine, quadratförmige Gedenktafeln aus Messing in den Gehweg eingelassen. Mehr als 50.000 Stolpersteine sind bereits über Europa verteilt, davon 175 in Harburg und der Süderelbe-Region.
Zu den Stolpersteinen, die Klaus Möller während der eineinhalbstündigen Führung ansteuert, gehört zum Beispiel der für Ella Emilie Wichmann. Sie wurde 1918 als uneheliches Kind einer Fabrikarbeiterin und Prostituierten geboren und litt an genuiner Epilepsie. Deshalb wurde sie 1944 in der „Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee“ ermordet. Bewegende Geschichten wie ihre verbergen sich hinter jedem der Stolpersteine. Start der Führung ist vor der Bücherhalle.
Die Initiative Gedenken in Harburg, die an den Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Hamburg-Ost angegliedert ist und vom Bezirksamt und der Bezirksversammlung Harburg unterstützt wird, ist dieses Jahr übrigens erstmals beim Harburger Kulturtag vertreten.
Klaus Barnick, der sowohl bei der Initiative Gedenken in Harburg als auch der Geschichtswerkstatt aktiv ist, hatte die Teilnahme angeregt. „Die Idee wurde von Professor Dr. Rainer-Maria Weiss vom Archäologischen Museum sehr positiv aufgenommen“, so Klaus Barnick. Nicht zuletzt, weil die Initiative Gedenken in Harburg äußerst aktiv ist.
Für den Kulturtag wünschen Klaus Möller und seine Mitstreiter sich, dass auch viele junge Besucher an den beiden Führungen teilnehmen. „Ich habe den Krieg noch miterlebt, ich war neun, als er zu Ende ging“, so Möller. „Es ist wichtig, uns immer wieder vor Augen zu führen, was damals passiert ist und wie es dazu gekommen ist, um zu verhindern, dass sich so etwas noch mal wiederholt.“
Harburger Kulturtag am 8. November 2014: Initiative Gedenken in Harburg, Ausstellung „Wohnungslose im Nationalsozialismus“ in der Bücherhalle Harburg, Eddelbüttelstraße 47a, 10 bis 14 Uhr, Führung um 12 Uhr. Stolperstein Rundgang um 15 Uhr, Treffpunkt: Bücherhalle Harburg, www.gedenken-in-harburg.de