Wie Winsens Bürgermeister André Wiese das Albert-Schweitzer-Viertel sanieren will. Stadt fordert rasche Entscheidung des Insolvenzverwalters. Ausgesetzter Prozess läuft wieder an. Kauf der Wohnungen unrealistisch.

Winsen Beim Winsener Sanierungsgebiet Albert-Schweitzer und Einstein-Straße macht Bürgermeister André Wiese (CDU) jetzt Tempo. Er will, dass möglichst rasch mit der Sanierung der 189 Wohnungen für die rund 500 Menschen begonnen wird. Das Abendblatt sprach mit Wiese über die Möglichkeiten der Stadt, die anstehenden Entscheidungen und seine Wünsche für die Siedlung, in der er groß geworden ist.

Hamburger Abendblatt: Seit sechs Jahren leben die Menschen im Albert-Schweitzer-Viertel in 189 Wohnungen, die dringend instand gesetzt und modernisiert werden müssen. Wie lange soll diese schwierige Lage noch dauern?

André Wiese: Das ist nicht abzusehen. Zwar haben Bund und Land Niedersachsen der Stadt im Rahmen den Projektes Soziale Stadt knapp 1,7 Millionen Euro bewilligt, die bis 2018 fließen werden. Doch dabei geht es darum, das Wohnumfeld zu verbessern. Der Hase liegt aber beim Zustand der Wohnungen und der Außenwände im Pfeffer. Wir können mit dem Geld nicht innen sanieren oder das Dach ausbessern.

Warum nicht, wenn das nötig ist?

Wiese: Weil das Programm nicht dafür gedacht ist, Immobilien-Spekulanten in die Hände zu arbeiten. Die sollen nicht ihr Eigentum verfallen lassen und es dann mit Hilfe des Steuerzahlers sanieren. Wer als Besitzer investiert, kann sich um günstige Darlehen von der Kreditanstalt für Wiederaufbau bewerben.

Warum greift die Stadt nicht direkt ein?

Wiese: Da gibt es enge Grenzen, in denen man auf einen Eigentümer einwirken kann. Wir haben im September 2012 ein Modernisierungs- und Instandsetzungsgebot erlassen. Das sieht vor, dass für Fenster, Dach, Flure und Balkone mindestens 1,942 Millionen Euro investiert werden müssen. Die Betonung liegt auf mindestens. Aber seit die Wohnungsbaugesellschaft, die Berliner Capricornus, Insolvenz angemeldet hat, ist nichts mehr passiert. Der Insolvenzverwalter hat gegen das Gebot geklagt und das Lüneburger Verwaltungsgericht hatte den Prozess zunächst ausgesetzt.

Und nun?

Wiese: Dann meldete sich im Februar die Berliner Verwaltungsgesellschaft Vitus bei uns. Deren Vertreter deuteten an, dass man sich mit uns einigen wollte. Es gab dann im April eine Besichtigung. Wir haben nachgefragt, was unternommen werde. Ende Juni kam eine Liste, in der von der Beseitigung von Stolperkanten in den Außenanlagen, der Reparatur von Lichtschachtabdeckungen und dem Austausch von Stufen die Rede war. Da fühlen wir uns auf den Arm genommen. Denn es geht hier um eine weitreichende Instandsetzung und nicht um Kosmetik.

Sie sind ziemlich sauer oder täuscht der Eindruck?

Wiese: Wir sehen eine Verzögerungstaktik. Die Verwaltung, aber auch die Menschen in den Wohnungen werden nicht ernst genommen. Deshalb haben wir gehandelt.

Wie geht die Stadt vor?

Wiese: Wir haben beim Verwaltungsgericht in Lüneburg beantragt, das Verfahren wieder aufzunehmen. Das haben die Richter am 25. August getan. Jetzt muss uns der Insolvenzverwalter, der Potsdamer Anwalt Christian Graf Brockdorf, erklären, was an unserem Instandsetzungsgebot nicht in Ordnung ist. Auf die Antwort sind wir gespannt. Er wird sich aber sicher sechs bis acht Wochen Zeit nehmen. Wir dagegen werden schnell sein. Denn wir wollen ein Urteil, damit saniert werden kann. Unser Geduldsfaden ist längst gerissen. Eines ist klar: Wir geben uns mit der Mindestsumme von 1,9 Millionen Euro zwar zunächst zufrieden. Der Insolvenzverwalter sollte aber noch etwas drauf legen.

Was kostet die Stadt der Kampf um das Viertel?

Wiese: Inzwischen sind knapp eine Million Euro in das Gebiet investiert worden. Ein Drittel davon hat die Stadt bezahlt. Geld geflossen ist auch für den Sozialpädagogen Sven Dunker, der bei der Resofabrik in Winsen angestellt ist. Für ihn gab es zudem Mittel über das Programm Soziale Stadt. Dazu kommen allein für 2014 rund 30.000 Euro für den Sanierungsträger, der Planungen übernimmt und die öffentlichen Mittel von Bund und Land abrechnet. Denn für die Arbeit von Andreas Pfadt ist die Förderung abgelaufen. Schließlich sind da noch 18.000 Euro, die uns die Capricornus seit der Insolvenz für Kanalgebühren schuldet, die sie für drei Monate nicht bezahlt hatte.

Kann die Stadt die Wohnungen nicht von der Capricornus übernehmen?

Wiese: Winsen hat keine Wohnungsbaugesellschaft und es bräuchte viel Organisation und finanzielle Mittel, um eine aufzubauen. In diesem Fall wäre es zudem höchst fraglich, ob dies erfolgsversprechend wäre. Wir können zudem nicht alle knapp 1500 Wohnungen übernehmen. Nein, eine Übernahme ist unrealistisch. Wir wollen keine falschen Hoffnungen bei den Mietern wecken, die bisher schon immer wieder enttäuscht worden sind.

Was wäre Ihr Wunsch für das Viertel, in dem sie aufgewachsen sind?

Wiese: Der Insolvenzverwalter sollte die Wohnungen so schnell wie möglich an den Markt bringen. Wir brauchen einen verlässlichen Ansprechpartner, um gemeinsam die Wohnungen und auch die Hülle der Häuser zu verbessern.

Wie sieht die künftige Strategie aus?

Wiese: Wir wollen vor Gericht siegen und dann noch mehr machen als das derzeitige Sanierungsgebot vorsieht. Auch ein weiter reichendes Gebot ist möglich. Wir werden nicht nachgeben und werden uns nicht aussitzen lassen.