Julia Heigel ist eine zarte Frau, die keine Angst hat vor schwerem Arbeitsgerät. Die Bildhauerin ist unterwegs in einer Domäne, die sonst nur von Männern besetzt ist: Sie arbeitet mit der Kettensäge.
Wenn Julia Heigel ihr Werkzeug in die Hand nimmt, dann fliegen nicht die Fetzen sondern die Späne. Die zart gebaute 39-Jährige steht auf einem gepflasterten Rundplatz in ihrem Garten vor einem Holzblock, der fast so groß ist, wie sie selbst. Gerade eben hat sie sich in ihr Arbeitsoutfit geworfen. Schutzbrille, Ohrenschützer, eine Arbeitshose aus besonders reißfesten Material und Arbeitsschuhe mit Stahlkappe sind Pflicht, wenn Julia Heigel zur Tat schreitet.
Die ehemalige Erzieherin lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Hanstedt und ist eine der wenigen Frauen in Deutschland, die Kunst mit schwerem Gerät herstellt. Julia Heigel ist Bildhauerin, ihr Arbeitsgerät ist die Kettensäge.
Ihr Fokus liegt ganz eindeutig auf dem weiblichen Körper. Kommt man in die schicke Küche ihres Hauses, fällt der Blick sofort auf zwei weibliche Torsi, die in Lebensgröße auf ihrem Küchenblock stehen. Das Ahornholz schimmert silbrig, die Oberfläche fühlt sich samtig an. Beide Frauenkörper dehnen sich in einer Bewegung und wirken dabei fast lebensecht.
Im Garten plätschert Wasser in einen Teich, an der einen Seite steht unter schattigen Bäumen ein alter Mann. So, wie er da steht, die knochigen Arme um den mageren Körper geschlungen, erinnert er an die Figuren von Ernst Barlach. Ihm gegenüber strahlt eine junge Frau mit langem Haar, die in den erhobenen Händen eine große Kugel hält. „Ich mag Kugeln“, sagt Julia Heigel und weist auf ein paar Skulpturen, die auf dem runden Platz stehen und auf ihre Bearbeitung warten.
Zunächst kommt schweres Gerät zum Einsatz. Mit der Motorsäge schneidet sie die Form grob aus dem Holz und nähert sich dann langsam dem Bild, was sie im Kopf hat, an. Allerdings benutzt Julia Heigel keine Motorsäge, wie man sie zum Holzschlagen im Wald verwendet. Ihre Maschinen sind etwas kleiner und liegen deshalb besser in der Hand, „die Säge hat ein kurzes Blatt und eine Spitze. So kommt es nicht so schnell zu einem Rückschlag beim Ansetzen“, erklärt die Künstlerin fachmännisch.
Nichts desto trotz sind auch ihre Motorsägen nicht gerade leicht. Ganz schön anstrengend, wenn man freihändig an einer Skulptur herumschnitzt, „aber das gibt Muckis“, lacht die 39-Jährige. In einem Schuppen steht ihr Werkzeugschrank, den ihr Mann für sie gebaut hat. In den Regalen liegen verschiedene Sägen und eine Flex. Akkurat aneinandergereiht hängen die Ketten für ihre Sägen nebeneinander an Haken, in den Werkzeugkästchen liegt eine Sammlung an Schmirgelpapier von grob bis staubfein.
Viele ihrer Skulpturen entstehen nicht immer gleich in einem Rutsch: „Für manche bin ich zwei Wochen lang Feuer und Flamme. Dann stell ich sie erst mal weg und hol sie später wieder heraus.“ Wenn sie mit der Kontur zufrieden ist, kommt die Flex zum Einsatz. Anschließend wird das Holz mit Schmirgelpapier geglättet oder gebürstet. Manchmal, wenn das Holz eine interessante Faserung offen legt, verzichtet sie auf eine glatte Oberfläche und arbeitet mit einem Flammenwerfer weiter.
Dann sind die Skulpturen grober in ihrem Erscheinungsbild, aber dadurch nicht weniger interessant. Bei der Wahl der Hölzer ist sie flexibel: von Douglasie bis Eiche von Kirsche bis Ahorn ist alles dabei. „Das Holz ist zuerst da, dann entwickele ich eine Idee dazu“. Am liebsten sind Julia Heigel die Obsthölzer, „die splittern nicht so schnell.“
Während sie früher mit Speckstein, Ton und Gips gearbeitet hat, ist sie seit fünf Jahren komplett dem Material Holz verfallen. Sie näherte sich ihrem neuen Werkstoff zunächst mit Stechbeitel und Klüpfel, einer Art Holzhammer, an. Dann kam der Tag, an dem sie ihrem Mann eröffnete: „Schatz, ich brauche eine Motorsäge“. Dem Wunsch kam der Gatte postwendend nach, ein befreundeter Bildhauer zeigt ihre das Arbeiten am Objekt. Und er stellte ihr die erste Aufgabe: Julia Heigels erstes Kunstwerk aus Holz war – eine Eule.
Die 39-Jährige denkt mit leichtem Schaudern daran zurück: „Ich kann keine Eulen und will das auch gar nicht“. Aber ein kleines bisschen sentimental ist sie denn doch, den auch die Eule steht bei ihr im Garten: Tief verborgen, hinter einem großen Busch sitzt sie auf einem Ast und schaut mit ihren hölzernen Augen auf den großen Freiluftarbeitsplatz, wo Julia Heigel schon wieder die Motorsäge aufheulen lässt und mit einer Inbrunst zu Werke geht, dass die Späne nur so fliegen.
Wer sich für Julia Heigels Kunst interessiert, kann sich ein paar ihrer Objekte im Landhaus zum Lindenhof in Marxen ansehen. Am Donnerstag, 17. Juli, ist Julia Heigel ab 18 Uhr persönlich vor Ort und freut sich auf viele Besucher. Interessierte können sich für diesen Abend anmelden unter der Adresse
anmeldung@juliaheigel.de