Muslime in der Maretstraße investieren eine halbe Million Euro in ihr neues Gemeindezentrum. Noch vor dem Fastenmonat Ramadan soll es fertig sein. Die Architektur kommt ohne Minarett und Kuppeldach aus
Harburg. Nicht sichtbar von der Straße entsteht zurzeit in dem Hinterhof an der Maretstraße 15 in Harburg eine neue Moschee. Der Neubau der Mehmet Akif Ersoy Moschee ist exemplarisch für die Situation der annähernd 50 Gebetsräume und Moscheen und ihrer muslimischen Gemeinden in Hamburg: Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie zur räumlichen Situation der muslimischen Gemeinden sind die islamischen Gotteshäuser in Hinterhöfen versteckt und platzen aus allen Nähten. Mit dem Neubau schafft sich die muslimische Gemeinde in der Maretstraße, die zu dem Dachverband DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt Religion) gehört, würdige Räume.
Etwa 500.000 Euro bringt die Gemeinde nach Angaben ihres Vorstandes dafür auf, finanziert aus Spenden und Krediten. Gemeindemitglieder tragen Steine und schieben in Schubkarren Bauschutt aus dem Innenhof. Handwerksmeister, die der seit 1985 in der Maretstraße ansässigen muslimischen Gemeinde angehören, bauen die Heizung ein, installieren die Elektrik und ziehen den Rohbau hoch. Ohne diese Eigenleistung, heißt es aus dem Vorstand, hätte der Bau eine Million Euro gekostet.
Die Architektur kommt ohne die für eine Moschee typischen Gestaltungselemente aus. Ein Minarett (Gebetsturm) oder ein opulentes Kuppeldach wie an der blauen Imam Ali Moschee an der Außenalster fehlen. Nach dem Bebauungsplan wäre so etwas in der Harburger Innenstadt nicht zulässig. Nur die Bogenfenster weisen auf den besonderen Charakter des in weißer Farbe gehaltenen Bauwerks hin. „Von der Architektur her handelt es sich um keine Moschee, aber wir nutzen es als Moschee“, sagt Mehmet Çörek aus dem Vorstand der islamischen Gemeinde.
Insgesamt 380 Quadratmeter Fläche bietet die neue Mehmet Akif Ersoy Moschee. Die Innenausstattung fehlt noch. Der Maurermeister Mehmet Degirmenci geht davon aus, dass das Bauwerk in zwei Monaten fertig sein wird – und damit rechtzeitig vor dem für die Muslime wichtigen Fastenmonat Ramadan in diesem Jahr.
Ist die Moschee fertig gebaut, gehört das 150 Quadratmeter große Untergeschoss der Jugend. Jungen und Mädchen erhalten hier islamischen Religionsunterricht - getrennt nach Geschlechtern. Der aus der Türkei gesandte Iman Türker Aksener lehrt den Jugendlichen hier auch das respektvolle Verhalten gegenüber den Eltern.
Das Erdgeschoss bietet Raum für das Vereinsleben, denn muslimische Gemeinden sind als Vereine organisiert. Hier findet die Teestube Platz. Eine Wendeltreppe führt hinauf in den Gebetsraum. Noch ist hier nur nackter Beton zu sehen. Vorgesehen ist eine Holzvertäfelung, die bis zur Kopfhöhe eines kniend Betenden reicht. Die Gemeinde importiert von einem Moschee-Ausstatter aus der Türkei einen speziellen roten Teppich, auf dem die Positionen für die Betenden markiert sind. So gelingt es, dass in dem Raum bis zu 150 Menschen gemeinsam beten können. Ebenfalls aus der Türkei beschafft die Gemeinde eine Holzkanzel.
Für die Dauer der Bauarbeiten hat die Gemeinde im Keller einen provisorischen Gebetsraum eingerichtet. Einige, die sonst in der Mehmet Akif Ersoy Moschee beten, weichen zurzeit in die benachbarten muslimischen Gemeinden in der Knoopstraße und in der Buxtehuder Straße aus. Die gemeinsame Basis der Muslime beim Gebet ist Arabisch, die Sprache des Korans.
Auch wenn sich in den DITIB-Gemeinden in der Regel Muslime türkischer Herkunft versammeln, finden sich auch Menschen anderer Nationen in der Maretstraße zum Gebet ein. Zehn Prozent der Leute seien aus Balkanstaaten, Afrikaner oder Araber. Die mit 180 Mitgliedern eher noch kleine muslimische Gemeinde in der Maretstraße weiß über einen so hohen religiösen Bedarf zu berichten, den christliche Kirchen in Harburg nicht mehr kennen.
Zum Freitagsgebet, die Bedeutung ist vergleichbar mit dem Sonntagsgottesdienst in den christlichen Kirchen, versammlen sich in der Maretstraße nach Angaben des Vorstandes regelmäßig 200 bis 250 Gläubige. An den großen muslimischen Feiertagen, dem Opferfest und dem Fastenbrechen, sei die Anzahl noch größer.
Laut der gemeinsamen Studie von DITIB, Schura (Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg) und VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren) mit dem Titel „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg. Untersuchung der räumlichen Situation“ nehmen in Hamburg am Freitagsgebet durchschnittlich 12.208 Muslime teil – das sind pro Moscheegemeinde 291 Gläubige. Die Autoren der Studie beziffern die Anzahl der Muslime in Hamburg auf 50.000.
Trotzdem ist der Moschee-Neubau in der Maretstraße eine Ausnahme. Meist beten die Muslime in Hamburg noch in Kellern, Fluren und auf Hinterhöfen. Die meisten Standorte verzichten auf eine äußere Symbolik. Mehmet Çörek und Mehmet Degirmenci können sich vorstellen, auf die Wand über dem Hinterhofeingang zur Mehmet Akif Ersoy Moschee das Bild einer Moschee-Architektur malen zu lassen. „Ob wir dafür eine Genehmigung erhalten können“, sagt Çörek, „wissen wir nicht.“