Eine 221 Seiten umfassende Studie belegt, dass die rund 50 Hamburger Moscheen und Gebetsräume oftmals zu klein sind. Der Senat will bei der Suche nach Standorten für Neubauten helfen.
St. Georg. Stolz ragt die blaue Imam Ali Moschee an der Schönen Aussicht in den Herbsthimmel. 1953 auf Initiative iranischer Teppichhändler gebaut, steht sie für eine moderne muslimische Architektur und das vielfältige religiöse Leben der 5000 Schiiten, die sich hier regelmäßig treffen. Platz für Gebete und Kulturarbeit gibt es genug. Schließlich stehen 2000 Quadratmeter Nutzfläche zur Verfügung.
Doch die Moschee an der Außenalster, die täglich von rund 200 Touristen besucht wird, ist ein Einzelfall. Eine neue Studie belegt: Die rund 50 Hamburger Moscheen und Gebetsräume platzen aus allen Nähten und halten den gewachsenen Ansprüchen nicht mehr stand. Unter den islamischen Gotteshäusern befinden sich in Hamburg gerade mal zwei Neubauten – die Blaue Moschee und die Kocatape Moschee in Bergedorf in unmittelbarer Nähe zu einem Einkaufskomplex. Bei den anderen religiösen Räumen handelt es sich um Umbauten. Vorher waren die Moscheen ein Gemüseladen (Rotenhäuser Straße 81), eine Kneipe (Veddeler Brückenstraße 148), ein Pastorat (Billbrookdeich 264) oder eine evangelische Kirche (Horn).
Selbst die markante Centrum-Moschee an der Bückmannstraße mit dem typischen Minaretten wurde ursprünglich nicht als Moschee gebaut. Einst sprangen hier, wo jetzt Gläubige zu Allah beten, Schwimmer ins warme Wasser einer Badeanstalt. „Viele der rund 50 Gebetsräume und Moscheen in Hamburg fristen ein Hinterhofdasein“, heißt es in der Studie mit dem Titel „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg. Untersuchung der räumlichen Situation.“ Die baulichen Zustände seien „diskriminierend; zudem seien Moscheen noch immer nicht Gegenstand von Stadt- oder Standortplanung. Die 221 Seiten umfassende Arbeit wurde am Freitag in der Bergedorfer Kocatape-Moschee vorgestellt. An diesem Tag feierten die Muslime weltweit ihr Opferfest – eines ihrer zentralen Feste.
Auftraggeber der Befragung, die der Hamburger Senat mit 4000 Euro finanziert hat, waren die Schura (Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg), DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) sowie VIKZ (Verband der Islamischen Kulturzentren). Nach Angaben dieser Organisationen gilt die Studie der Autoren Marion Koch, Joachim Reinig und Demet Coban als bundesweit bislang umfassendste Bestandsaufnahme der Moscheen in einer deutschen Metropole. Nach den Erhebungen der Autoren, die 42 Moscheen unter die Lupe nahmen, müssen die Gläubigen häufig in Kellern, Fluren und auf Hinterhöfen beten, weil der Platz nicht mehr ausreicht. „Eine räumliche Verbesserung ist fast überall notwendig“, schlussfolgert DITIB-Vorsitzender Zekeriya Altug. Allein am traditionellen Freitagsgebet nehmen in Hamburg durchschnittlich 12.208 Muslime teil – das sind pro Gotteshaus 291 Gläubige. An beiden großen Feiertagen wie dem Opferfest und dem Fastenbrechen verdoppelt sich die Zahl in ganz Hamburg auf rund 25.000. Das sind im Durchschnitt 600 Gläubige pro Moschee bzw. Gebetsraum. Während in den christlichen Kirchen sonntags oft Leere herrscht, berichten die muslimischen Gemeinden über hohen religiösen Bedarf bei ihren wichtigsten Gebetszeiten. Wie Professor Wolfram Weiße, Direktor der Akademie der Weltreligionen, dem Abendblatt sagte, bestehe derzeit ein „eklatanter Gegensatz“ zwischen den gegenwärtigen Entwicklungen in den Kirchen und bei den Muslimen in Deutschland.
Weil die Moscheen inzwischen vielfältige Aufgaben wie Jugend- und Sozialarbeit, Integrationskurse und Altenbetreuung ausüben, fehlen nach Ansicht des DITIB-Vorsitzenden Altug jetzt vor allem Räume für Frauen, die auf diesen Gebieten besonders aktiv sind. Gerade mal 15 Prozent der Flächen stehen für die traditionellen Frauenräume zur Verfügung. In der modernen Kocatepe-Moschee von Bergedorf ist es schon ein Drittel. Damit der Frauenanteil erhöht werden könne, müssten neue Räume geschaffen werden.
„In den Moscheen schlägt das Herz des Stadtteils“, sagte Schura-Vorsitzender Mustafa Yoldas. Sie erfüllten ein breites Spektrum an Aufgaben, das von religiöser Bildung bis zu humanitärer Hilfe reicht. „Einige Hamburger Moscheen haben jetzt als Zeichen der Barmherzigkeit Flüchtlinge aus Lampedusa aufgenommen.“ Bei der Präsentation der Studie bekräftigte derweil der Chef der Hamburger Senatskanzlei, Staatsrat Christoph Krupp, die Bereitschaft des Senats, die Suche nach geeigneten Kapazitäten „konstruktiv zu begleiten“. Allerdings werde es keine finanzielle Unterstützung der Stadt für Neubauten geben. Dass eine solche Studie vorliegt, bewertetet Krupp als positiv. „Es handelt sich dabei um eine Bestandsaufnahme aus Sicht des islamischen Verbände“, fügte er hinzu.
Wie aus der Erhebung weiter hervorgeht, sind Türkisch, Arabisch und Deutsch die am häufigsten verbreiteten Sprachen. Jeweils in einer Moschee werde freitags in Albanisch, Bosnisch, Kodokoli und Urdu gepredigt. In 22 Moscheen gebe es deutsche Übersetzungen. Die Zahl der Menschen in Hamburg, die sich als Muslime einer Moschee zugehörig fühlen, geben die Autoren mit 50.000 an. Die Moscheen liegen überwiegend in den Stadtteilen mit hohen Anteilen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte. Die meisten Standorte verzichteten auf äußere Symbolik und seien nur durch Hinweisschilder als Moschee erkennbar. Die westafrikanische Rahma Moschee (Beim Gesundbrunnen) hat allerdings nicht einmal ein Schild am Briefkasten – und dabei ist sie immerhin 700 Quadratmeter groß. Während die muslimischen Gotteshäuser von außen betrachtet häufig unscheinbar und schlicht wirken, ist der Gebetsraum künstlerisch meist anspruchsvoll ausgestattet. „Hier werden aus der Heimat bekannte Fliesen eingesetzt, Teppiche sowie importierte, aus Holz künstlerisch gestaltete Gebetsnischen oder Kanzeln“, heißt es in der Studie.