Harte Auseinandersetzung um geplante Unterkunft Bostelbek. Der Bezirk Harburg war bereits im September 2013 informiert, dass auf der „Pferdewiese“ zehn Pavillons für mehr als 200 Flüchtlinge entstehen sollten.

Heimfeld. Das Harburger Bezirksamt und die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) gießen weiteres Öl ins Feuer bei den Bostelbeker Siedlern.

Einen Tag nach der Info-Veranstaltung zu der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Bostelbek (das Abendblatt berichtete) hatten nun dieselben Akteure aus den Verwaltungen noch einmal in einer öffentlichen, bis zum letzten Platz mit Zuhörern besetzen Sondersitzung des Sozialausschusses im hit Technopark am Tempowerkring Gelegenheit, über die Pläne zu informieren.

In dieser Sitzung, souverän von der Ausschussvorsitzenden Dr. Antje Jaeger (CDU) geleitet, sollten die einzelnen Fraktionen in der Bezirksversammlung zu der Flüchtlingsunterkunft Stellung nehmen.

Und Heie Kettner von der BASFI sorgte gleich zu Anfang für Wirrwarr darüber, wer wann was von den Behördenplänen wusste und wer wann wovon unterrichtet wurde – als er nämlich einräumte, die BASFI habe das Harburger Bezirksamt bereits im Herbst 2013 davon in Kenntnis gesetzt, dass die Entscheidung in Hamburg für genau diese Fläche Am Radeland in Bostelbek gefallen sei.

Bislang hatte Harburgs Bezirksamtsleiter, Thomas Völsch (SPD) immer behauptet, erst am 5. Februar von dieser Entscheidung erfahren zu haben. Wie berichtet sollen auf der „Pferdewiese“ zehn Holzpavillon für mehr als 200 Flüchtlinge aufgebaut werden.

„Das wird immer kurioser. Ich habe in dieser Sache längst das Vertrauen in die Transparenz der Arbeit unserer Verwaltungen verloren“, sagte Ineke Siemer nach der etwa zweistündigen Sitzung. Siemer ist Sprecherin der spontan gegründeten Bürgerinitiative Bostelbek (BIP).

Ineke Siemer bekräftigte noch einmal, dass sich die Hauptargumente der BIP gegen ein Flüchtlingscamp nicht gegen die Flüchtlinge richteten, sondern gegen das Vorgehen der Behörden bei der Wahl der Fläche, bei der Größe der Unterkunft und wie hier durch die Fällung der Bäume auf der Fläche Tatsachen geschaffen worden seien. „Wir erwarten, dass diese behördliche Willkürrechtliche Folgen haben wird“, sagte Siemer in der Sitzung.

Insgesamt brachten alle Akteure ihre Argumente für und gegen die Unterkunft vom Vorabend vor. Und Kettner machte noch ein mal deutlich, dass die Stadt Hamburg auch die beiden anderen Flächen an der B73 – die eine liegt gegenüber der Röttiger Kaserne, die zweite in der Nähe der S-Bahn-Station Neuwiedenthal – für die Unterbringung von Flüchtlingen brauche.

Für einige Überraschung sorgte an diesem Abend Uwe Holtermann, der Vertreter von fördern&wohnen, jener Tochtergesellschaft der Stadt Hamburg, die die Unterkunft bauen und betreiben wird. Die Gesellschaft hatte auch beim Harburger Bauamt den Fällantrag für die Fläche Am Radeland gestellt.

Nachdem weder Völsch noch Kettner klare Worte fanden, sagte Holtermann: „Die Vorwürfe wegen der Fällaktion haben mir keine Ruhe gelassen. Deswegen habe ich mir heute noch mal die Akte kommen lassen und muss Ihnen sagen, dass die Rodung rechtswidrig war.“

Die Erteilung einer Baumfällgenehmigung wäre an einen Bauantrag geknüpft gewesen. Im Klartext: Die Harburger Bauprüfabteilung hätte die Fällung der Bäume auf der Fläche überhaupt nicht genehmigen dürfen, weil fördern&wohnen zu dem Zeitpunkt, als der Antrag im Harburger Rathaus vorlag, noch keinen Bauantrag für das Flüchtlingscamp gestellt hatte. Dieser Bauantrag, so räumten Völsch wie auch Holtermann nun ein, liege bis heute nicht vor.

Und dann bekamen die Zuhörer aus Bostelbek Politik hautnah geboten. „Ich kann vieles von dem unterschreiben, was Frau Siemer vorträgt und kritisiert. Für die CDU-Fraktion ist die Meinungsbildung bereits abgeschlossen. Diese Veranstaltung ist eine Farce“, sagte CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer.

Eine offene Diskussion über eine Entscheidung, die längst gefallen sei wie in diesem Fall, sei reinste Augenwischerei. Die CDU in der Bezirksversammlung jedenfalls, so Fischer, stimme weder dieser Fläche am Radeland noch den beiden anderen Flächen, die hier zur Disposition stünden, zu. Damit erntete der CDU-Chef uneingeschränkten Applaus.

„Es klingt natürlich schön einfach, sich hier hinzustellen und zu sagen ‚wir wollen das nicht’, aber das Flüchtlingsproblem lösen wir damit nicht“ hielt Dagmar Overbeck (SPD) Fischer entgegen. Dass aber die Kommunikation zwischen den Behörden und mit den Bürgern hier „schlecht gelaufen ist“, musste auch Oberbeck einräumen.

Overbeck machte klar, in welche Richtung ihre Fraktion denke, nämlich die Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge in Bostelbek zu reduzieren und die geplante Unterkunft kleiner zu dimensionieren. FDP-Fraktionschef Carsten Schuster sprach von einem „Kommunikationsdesaster“, das die Behörden hier angerichtet hätten.

Allerdings werde sich seine Fraktion nicht aus der politischen Verantwortung ziehen. In diesen Tagen werden jetzt alle Fraktionen intern beraten, wie sie sich zu der geplanten Unterkunft positionieren werden. Zum Ende der Sitzung meldete sich Christoph Birkel, Geschäftsführer des hit Technoparks, zu Wort und äußerte sein Bedauern.

Die Pferdewiese sei nämlich eigentlich als potenzielle Erweiterungsfläche für Hamburgs einzigen Technopark mit rund 100 Firmen und etwa 500 Arbeitnehmern vorgesehen gewesen. Die neue Unterkunft wird etwa 100 Meter vom Haupteingang liegen.

„Die Leute hier sind willens, sich dieses Themas anzunehmen. Aber solche Unterkünfte müssen in einem verträglichen Maß geplant werden, damit die Menschen die Chance haben, damit umgehen zu können“, sagte Birkel.