Im Vorfeld der Anhörung zur neuen Flüchtlingsunterkunft in Bostelbek werden Sozialbehörde und Bezirksamt scharf kritisiert
Heimfeld. Bei zwei öffentlichen Veranstaltungen zur geplanten Flüchtlingsunterkunft in Bostelbek am Dienstag und Mittwoch kommender Woche werden die Vertreter der Hamburger Sozialbehörde (BASFI) und des Bezirksamtes aller Voraussicht nach einen schweren Stand haben. Allzu offensichtlich ist das Kommunikationsdesaster rund um die Errichtung eines Containerdorfes mit zehn zweigeschossigen Pavillonbauten für bis zu 216 Menschen. Im Brennpunkt der Debatte dürften dann vor allem die Fragen stehen wer, wann, was zur konkreten Umsetzung des Projektes wusste.
CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer hat sein Urteil längst gefällt. „Die beiden Termine in der nächsten Woche sind völlig überflüssige Show-Veranstaltungen, um Bürgerbeteiligung vorzugaukeln. Dabei sind die Entscheidungen über den Standort und die Belegung der nächsten Harburger Flüchtlingsunterkunft längst gefallen“, sagt Fischer.
Dass die Pferdewiese im Straßendreieck Am Radeland/Bostelbeker Damm/Moorburger Bogen vom Bezirk als möglicher Standort für eine weitere Flüchtlingsunterkunft gemeldet worden war, ist ein nicht wegzudiskutierender Fakt. Die Fläche war aber eben nur eine mögliche Option. Eine Entscheidung zur tatsächlichen Bebauung gab es nicht. Und gibt es – angeblich – bis heute nicht.
Doch dann begannen Mitarbeiter eines Gartenbaubetriebes am Mittwoch, 19. Februar, plötzlich mit Rodungsarbeiten auf dem Areal. Fünf Bäume wurden gefällt, Büsche, Sträucher und Äste geschreddert. Ohne Ankündigung. Ohne Erklärung. Ohne Einbindung der benachbarten Siedler.
Mit einem auf den 17. Februar 2014 datierten Brief hatte Staatsrat Jan Pörksen die Bezirksversammlung hinsichtlich der „Nutzung eines Grundstücks nördlich der Straße Am Radeland (…) als Standort für die öffentlich-rechtliche Unterbringung“ zur Anhörung laut Paragraf 28 Bezirksverfassungsgesetz aufgefordert. Nach übereinstimmender Aussagen von Vertretern der Parteien ist das Schreiben Pörksens am Freitag, 21. Februar, den Fraktionen zugegangen. Da aber war die Beräumung des Bostelbeker Grundstücks längst in vollem Gange. Erwartungsgemäß schlugen die Wellen der Empörung hoch. Nicht nur bei den Bostelbeker Siedlern, auch bei den Parteien. Fraktionsübergreifend wurde das Vorgehen der Sozialbehörde „als Missachtung der Rechte der Bezirksversammlung“ gegeißelt. SPD und Grüne hatten bei der Februar-Sitzung der BV sogar einen Dringlichkeitsantrag zur Sache eingebracht und darin ihrer Empörung Ausdruck verliehen.
Am Dienstag dieser Woche hat FDP-Fraktionschef Carsten Schuster noch einmal nachgelegt. „Es ist schon erstaunlich mit welcher Arroganz und Ignoranz die Vorhabenträger vorgehen“, sagte Schuster. Statt zu beteiligen, rechtzeitig zu informieren und Akzeptanz zu schaffen, werde über die Köpfe derer hinweg entschieden, die anschließend die Entscheidungen mittragen sollen. „Das hat mit ordentlichem Regieren überhaupt nichts zu tun und endet in einer Basta-Politik“, so Schuster.
Anlass zur neuerlichen massiven Schelte waren die Antworten des Bezirksamtsleiters Thomas Völsch vom 6. März auf eine Kleine FDP-Anfrage zur Rechtmäßigkeit der Baumfällungen auf der Bostelbeker Pferdewiese. Laut Völsch sei die Fällgenehmigung vom Bezirksamt am 6. Februar 2014 erteil worden. Und zwar auf Antrag des städtischen Unternehmens fördern & wohnen, das die Pavillonanlage umsetzen und verwalten soll, eingegangen am 5. Februar.
Hier allerdings gibt es eine deutliche Abweichung zu zeitlichen Angaben der Sozialbehörde. Auf Abendblatt-Nachfrage hatte BASFI-Sprecher Marcel Schweitzer nämlich mitgeteilt, dass der Bauherr f & w die Fällgenehmigung im Hinblick auf den „Beginn der Brutzeit“ bereits am 27. Januar 2014 beantragte, also elf Tage vor der Zusage des Bezirksamts. Natürlich haben Bezirksamt wie Sozialbehörde in ihren Stellungnahmen unisono betont, dass es bislang keinen Bauantrag für die Pavillonanlage Am Radeland gäbe und deshalb die Beteiligung der Bezirksversammlung gewährleistet sei.
Nicht nur bei den Bostelbeker Siedlern, auch bei vielen Kommunalpolitikern bestehen nach den geschilderten Abläufen indes erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der oft und gern beschworenen Bürgerbeteiligung. „Wir fühlen uns hintergangen, belogen und betrogen“, hatte Jasmin Garlipp, stellvertretend für viele Anwohner des Areals Am Radeland in der Öffentlichen Fragestunde der Bezirksversammlungssitzung im Februar gesagt. Diesen Eindruck auszuräumen, dürfte den Vertretern der Sozialbehörde und des Bezirksamtes Anfang kommender Woche sehr schwer fallen.