Während Naturschützer und Anwohner über die Ablehnung des Bauvorhabens im Buchholzer Stuvenwald jubeln, ist die Landwirtsfamilie verzweifelt. Sie will jetzt einen Anwalt einschalten.
Buchholz Zwischen Freude und Ratlosigkeit schwankt die Stimmung in Buchholz nach der Meldung, dass der Landkreis Harburg und die Stadt Buchholz ihre Zustimmung zu einem Maststall für 1080 Schweine im Buchholzer Ortsteil Meilsen versagen wollen. „Die Zukunft unserer Familie wird um 180 Grad auf den Kopf gestellt“, sagt Landwirt Stefan Becker mit verzweifelter Stimme. Ungläubige Freude herrscht derweil bei Anwohnerin Dagmar Schaller-Wolf und den anderen Maststallgegnern. „Endlich! Uns fällt damit eine große Last von den Schultern“, sagt sie. Sie werde das Ganze aber wohl erst dann realisieren, wenn sie die Entscheidung schwarz auf weiß vor sich habe.
Wie das Abendblatt am Donnerstag berichtete, ist der Landkreis Harburg nach „eingehender Prüfung des Landschaftsraums und der Rechtslage“ zu dem Schluss gekommen, dass ein Maststall im Landschaftsschutzgebiet Stuvenwald nicht genehmigungsfähig ist. Die Stadt Buchholz als die für den Bauantrag zuständige Behörde schließt sich dieser Einschätzung an, allerdings steht noch die Bewertung des Umwelt- und des Sozialministeriums in Hannover aus. Das Ministerium war ins Spiel gekommen, da die Naturfreunde Nordheide in einer Eingabe darum gebeten haben, dass sich Hannover „helfend, beratend und letztlich weisend“ in das Genehmigungsverfahren einschaltet.
Dementsprechend groß ist auch die Freude bei Bernd Wenzel, dem Vorsitzenden der Naturfreunde. „Ich könnte heulen“, sagt er begeistert. Er wolle aber noch abwarten, was das Landesministerium mache. Das sagt auch Dagmar Schaller-Wolf, die zugleich betont, dass es ihr ausschließlich um den Schutz des Stuvenwalds gegangen sei. „Wir wollen natürlich nicht, dass die Landwirtsfamilie in ihrer Existenz gefährdet ist“, sagt sie. Sie hoffe, dass sie einen Alternativstandort für den Stall fänden – auch wenn sie selbst die Massentierhaltung klar ablehne.
Wie schwer die Suche nach einem Alternativstandort werden wird, weiß Landwirt Stefan Becker schon jetzt. In zwei bis drei Wochen erwartet er ein Gutachten für einen zweiten Standort, doch das Resultat werde „zu 90-prozentiger Sicherheit“ negativ ausfallen, glaubt er. Für ihn kommt die Ablehnung des gewählten Standorts im Stuvenwald deshalb einer Katastrophe gleich. „Dann haben wir auf unserem Land keine weitere Möglichkeit mehr“, sagt der 26-Jährige. Er will die ablehnende Stellungnahme des Landkreises nun schriftlich anfordern und die Sache direkt seinem Anwalt übergeben.
Bereits seit 1890 bewirtschaftet die Familie Becker den Hof in Meilsen. Mittlerweile ist der Betrieb auf insgesamt 90 Hektar angewachsen, auf denen sie unter anderem Weizen, Gerste, Roggen und Raps anbauen. Dazu kommt die Schweinehaltung als Haupteinnahmequelle mit 350 Plätzen für Ferkel und 450 für Mastschweine. „Wir können die Zeit nicht um 50 Jahre zurückdrehen“, kommentiert er den laufenden Strukturwandel in der Landwirtschaft. Um die Zukunft seiner Familie zu sichern, sei der Ausbau der Schweinemast um 1080 Tiere seiner Meinung nach der einzig gangbare Weg.
Eine Umstellung auf einen ökologischen Betrieb schließt er aus. „Da ist kein Geld zu verdienen, außerdem ist unser Hof da gar nicht für angelegt“, sagt Becker. Über sein Agrarwissenschaftsstudium an der Universität Kiel, das er in diesem Jahr abschließen wird, habe er sich viele Biobetriebe angesehen, und er sei zu dem Entschluss gekommen, dass er dafür einfach nicht der Typ sei. Auch einen Grundstückstausch mit einem anderen Landwirt, der ein geeigneteres Grundstück für den Stall besitzt, hält er für ausgeschlossen. „Fast alles um uns herum, was nicht bebaut oder anders verplant ist, ist Landschaftsschutzgebiet.“ Die Probleme wären überall die gleichen.
Das bestätigt Ulrich Peper, Leiter der Fachgruppe Betrieb und Tier bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in Buchholz. „Der Siedlungsdruck hier in Buchholz ist hoch“, sagt er. Es sei generell schwer, geeignete Grundstücke für die Landwirtschaft zu finden, zumal die wenigen verbliebenen Freiflächen als Ausgleichsflächen für Baumaßnahmen freigehalten werden müssten. Und selbst diese Freiflächen gehen allmählich aus. „Im Grunde kann man sagen, dass alle Flächen in Buchholz mit einem bestimmten Status belegt sind.“
Wo bleibt da Platz für einen Landwirt? Peper kann die Frage nicht beantworten. Generell sei die gesellschaftliche Akzeptanz für die landwirtschaftliche Tierhaltung gesunken. Dennoch hofft er, dass auch die Landwirtschaft im Buchholzer Raum nach wie vor ihren Platz habe. Dazu müsse eine gesellschaftliche Diskussion geführt werden. Peper nennt dann einige Zahlen, die den Strukturwandel dokumentieren.
So habe es im Jahr 2010 nur noch 25 landwirtschaftliche Betriebe in der Stadt gegeben, die in der Viehhaltung aktiv sind. Zehn davon hielten Rinder, neun Schweine und neun Geflügel – bei einigen Betrieben gibt es Dopplungen. 1991 waren es dagegen 53 Betriebe, davon 23 mit Rindern, 29 mit Schweinen und 26 mit Geflügel, zwölf Jahre zuvor, 1979, waren 37 Landwirte in der Rinderhaltung aktiv, 57 in der Schweine- und 57 in der Geflügelhaltung. Obwohl die Tendenz heute zu größeren Ställen gehe, sei die absolute Tierzahl in Buchholz früher weitaus höher gewesen. „In jedem Dorf gab es mindestens einen Bauern, der Schweine oder Rinder hatte.“
Für die Beckers hofft er, dass es aller Aufregung zum Trotz am Ende einen Kompromiss gibt. Dafür könnte man noch einmal intensiv mehrere Flächen prüfen und nach einer Bewertung eine Entscheidung treffen. „Es handelt sich hier um kein Investorenmodell oder einen Mega-Stall, sondern um einen klassischen Familienbetrieb“, sagt Peper.