Kindergeschrei, Prügeleien und eingetretene Türen gehören für die Mieter im Backsteinhaus an der Straße Alte Weiden zur Tagesordnung, seit eine siebenköpfige Familie in der Nachbarschaft eingezogen ist.
Neugraben. Bewohner eines Mehrfamilienhauses in Neugraben-Fischbek haben Angst um ein Baby und dessen Geschwister, die in einer 40 Quadratmeter großen Wohnung mit unter ihrem Dach leben. Fast täglich hören sie – ob sie wollen oder nicht – Geräusche, die nahelegen, dass in der Nachbarwohnung Gewalt ausgeübt wird. Die Mieter, um die es geht – ein Paar mit insgesamt vier Kindern – zeigt sich laut den Anwohnern uneinsichtig bis offen aggressiv.
Von den Harburger Behörden fühlen sich die besorgten Mietparteien in dem Wohnhaus allein gelassen und mit „lapidaren“ Antwortschreiben auf ihre Briefe abgespeist. Ihrem Vermieter, vertreten durch die Delphi Hausverwaltung, scheinen die Hände gebunden. Trotzdem wollen die Mieter in dem Backsteinbau an der ruhigen Wohnstraße das klägliche Schreien des gerade sieben Monate alten Babys in ihrer direkten Nachbarschaft nicht einfach hinnehmen.
„Wenn solche Tragödien passieren wie vor einigen Wochen in Billstedt, als das kleine Mädchen Yagmur totgeschlagen worden ist, dann fragen die Menschen, ob denn die Nachbarn von all dem nichts gemerkt hätten. Wir hören das kleine Baby in der Nachbarwohnung fast täglich laut schreien und weinen. Wir hören den Krach, wir hören die Prügeleien und bekommen hautnah die ganze Brutalität in der Familie in unserem Haus mit. Deswegen, wollen wir was unternehmen“, sagt einer der Nachbarn, der auf der selben Etage wie die Familie lebt.
Er heißt Jürgen Przibilla, ist Rentner und hat im Namen seiner Nachbarn schon einige Beschwerdebriefe an die Hausverwaltung geschrieben. Jetzt kürzen sie die Miete. Krach, Prügeleien, eingeschlagene Türen und Geschrei aus der Wohnung im ersten Stock gehörten zur Tagesordnung und zögen alle Mietparteien in Mitleidenschaft, so Przibilla.
„Im Oktober 2012 zog zunächst die Mutter – damals schwanger – in die kleine Wohnung. Später zog ein Mann mit dort ein. Kurz nachdem das Baby geboren war, zogen im Juli letzten Jahres ihre drei Kinder aus Ungarn auch noch in die Wohnung“, sagt ein Nachbar, der aus Angst vor Repressalien seinen Namen nicht nennen will.
Die übrigen Mieter hätten zwar auch Angst um ihre eigene Gesundheit, schon oft habe der Mann Prügel angedroht. Aber ihre größten Sorgen gelten den Kindern, vor allem dem Baby, sagen die Mitmieter. Bereits seit geraumer Zeit sei er, so sagt ein Nachbar, deswegen in Kontakt mit dem Harburger Jugendamt. Außer, dass man sich dort um den Fall kümmern werde, habe es bislang keine Resonanz von der Behörde gegeben.
Auch Przibilla hatte schon versucht, das Jugendamt einzuschalten und die Zustände in der Nachbarwohnung zu melden, um Hilfe für die Kinder zu organisieren. „Zuerst bin ich hier in Neugraben zum Kundenzentrum gegangen, dort schickte man mich weg. Ich müsse mich in Harburg ans Jugendamt wenden. Und in Harburg bin ich von Pontius zu Pilatus geschickt worden.
Am Ende bin ich bei meinem Versuch, Hilfe zu holen, kläglich gescheitert“, sagt der Rentner. In einem Schreiben vom Harburger Jugendamt vom 16. Dezember 2013 heißt es, dass das Jugendamt „im Rahmen seiner hoheitlichen Aufgaben nach Gefährdungsmitteilungen selbstverständlich überprüft, ob das Wohl von Kindern gefährdet ist“. Konkret passiert, so die Mieter aus dem betreffenden Haus, sei bislang wohl nichts.
„Dieses kleine Baby hatte in seinem ganzen Leben noch nicht einen ruhigen Tag. Neulich hat es so laut und erbärmlich geweint. Das hat sich schon wie tierisches Jaulen angehört. Es zerreißt einem wirklich das Herz, wenn man das mitanhören muss“, sagt ein weiterer Nachbar, der seinen Namen lieber nicht nennen möchte. Und bislang ist die Hausverwaltung bei dem Versuch, die Familie aus der Wohnung zu bekommen, gescheitert.
In einem Schreiben der Delphi Hausverwaltung vom 7. Oktober 2013 als Reaktion auf die Mietkürzungen einiger Parteien aus dem Haus heißt es: „Sehr geehrter Herr Przibilla, wie ich bereits in der letzten Woche anderen Mietern in Ihrem Haus geschrieben habe, haben wir vorerst alles rechtlich Mögliche getan, um diese Familie aus dem Haus zu bekommen. Leider gibt es in diesem Lande Gesetze, die einem ungerecht erscheinen und sprachlos machen. So ergeht es auch gerade dem Eigentümer Ihres Hauses und uns. Ihm und uns sind im Moment aus behördlicher Stelle die Hände gebunden.“
Für eine persönliche Stellungnahme war die Verwaltung gestern nicht zu erreichen. Auf Nachfrage des Abendblatts bei der Bezirksverwaltung Harburg antwortet die Sprecherin Beatrice Göhring: „Dem Bezirksamt Harburg ist die Familie in Neugraben bekannt, und es besteht auch Kontakt von Seiten des Bezirksamtes zur Familie.“ Mehr könne sie, so Göhring, aus datenschutzrechtlichen Gründen zu dem Fall nicht sagen.