Die erste Integrationskonferenz gab denen eine Stimme, die bisher nicht gehört wurden. 60 Teilnehmer waren im Harburger Rathaus erschienen, um über Bildung, Arbeit und die Wahrnehmung des Bezirks zu sprechen.
Harburg. Der Bezirk Harburg plane viele neue Wohnungen und sei aktiv in der Stadtentwicklung, sagte Bezirksamtsleiter Thomas Völsch. „Aber das Wichtigste sind die Menschen.“ Die Menschen – das sind in Harburg zu fast 40 Prozent Bürger mit Migrationshintergrund, bei den unter 18-Jährigen liegt der Anteil sogar zwischen 75 und 80 Prozent. Hamburg sei immer eine bunte, offene Stadt gewesen, die derzeit Vertretern aus 180 Nationen eine Heimat biete, fuhr Völsch fort. „Jede Nation bringt ihre eigene Kultur mit, und wir würden gut damit fahren, wenn wir das als Chance begreifen.“
Die erste Harburger Integrationskonferenz am Freitagabend sollte einen Beitrag dazu leisten. 60 Bürger unterschiedlicher Nationalität waren ins Harburger Rathaus gekommen, um in offener Runde über die Themen „Bildung“, „Wie erlebe ich Harburg?“ und „Berufs- und Arbeitswelt“ zu diskutieren. „Das Bezirksamt will hören, was die Harburger denken. Alle dürfen mitreden, vor allem die, die bisher keine Partizipationsmöglichkeit hatten“, formulierte Moderatorin Karin Robben das Ziel des Abends. Die Ergebnisse sollen dann von der Arbeitsgemeinschaft (AG) Vielfalt in Harburg bis zum nächsten Treffen im Februar des kommenden Jahres geordnet werden.
Im Oktober 2014 soll das Ganze schließlich im neu gebildeten Harburger Integrationsrat münden, der von den Mitgliedern der Integrationskonferenz gewählt wird. „Er wird die Themen in die Politik und die Bevölkerung bringen und in den Ausschüssen mitsprechen“, erklärte Ebru Dumaz von der AG. Auf diese Weise soll der Integrationsrat ein fester Bestandteil des Bezirks werden.
In einem kurzen Referat stimmte Ntagahoraho Burihabwa, Wandsbeker mit afrikanischen Wurzeln, Hauptmann und Vorstand des Vereins Deutscher Soldat, auf den Abend ein. Er erzählte, dass er trotz seiner Geburt im nordrhein-westfälischen Siegen immer wieder auf seine deutschen Sprachkenntnisse angesprochen werde, und wie er sich gemeinsam mit Freunden nach der Sarrazin-Debatte entschloss, den Verein Deutscher Soldat zu gründen. „Deutscher zu sein, kann auch eine dunklere Hautfarbe und eine nicht-christliche Religion bedeuten“, sagte er. Es müsse viel mehr miteinander anstatt übereinander gesprochen werden. Die Frage, wann man ein gleichwertiges Mitglied der deutschen Gesellschaft sei, sei für ihn wesentliche Frage.
Die Teilnehmer der drei Themengruppen setzten sich genau damit auseinander. „Integration heißt für mich, dass Deutsche und Migranten sich von beiden Seiten viel mehr miteinander austauschen“, sagte Marian Jaffal, 23, die sich in die Gesprächsrunde zum Thema Bildung gesetzt hatte. „Warum gibt es eigentlich keinen Türkischunterricht für Kinder in Harburg?“, warf ein Vater dreier Kinder eine weitere Frage auf. Viele Kinder beherrschten die Sprache gar nicht mehr, und das sei traurig. Die pensionierte Neuwiedenthaler Lehrerin Heidi Kähler-Dost ergänzte, dass man erwiesenermaßen auch besser die deutsche Sprache erlerne, wenn man seine eigene Muttersprache spreche.
Diese Forderung rief gleich Anmerkungen hervor. Wenn man Türkisch anbieten solle, könne man das Gleiche auch für Russisch oder Arabisch fordern, was wiederum schwierig umzusetzen sei, warf Marian Jaffal ein und bekam Unterstützung von Hazami Bekdas, 43 Jahre und Mutter von vier Kindern. Die wiederum beklagte, dass sich die Eltern von Migrantenkindern häufig aus dem Schulleben heraushalten. „Ich frage mich, wo die Eltern sind“, sagte sie.
Das wiederum bestätigten sowohl Heidi Kähler-Dost als auch Jens Bendixen-Stach von der Stadtteilschule Fischbek. „Den Eltern fehlt oft die Kenntnis vom deutschen Bildungssystem“, sagte die Lehrerin. In manchen Familien sei nicht einmal ein Bilderbuch eine Selbstverständlichkeit, weshalb Schulen und Eltern noch viel enger kooperieren müssten.
Die Ergebnisse der zwei anderen Themengruppen in Kurzform: Anonyme Bewerbungsverfahren könnten helfen, um Migranten mehr Chancen bei Bewerbungen zu ermöglichen, außerdem sollten im öffentlichen Dienst mehr Migranten tätig sein. Und was die Wahrnehmung Harburg angeht, würden die kulturellen Vereine eher von Deutschen dominiert. Selbst Deutsche, die nicht in Harburg geboren seien, hätten es schwer, Fuß zu fassen. Als möglicher Grund wurde die „dörfliche Struktur“ genannt. Jeder der Stadtteile grenze sich ab, es gebe kein wirkliches Zentrum und keinen Zusammenhalt.