Fast jeder zweite Hamburger unter 15 Jahren hat ausländische Wurzeln. Im Bezirk Mitte ist ihr Anteil am größten. Stadt will sie stärker beteiligen.
Hamburg. Es sei nur eine statistische Momentaufnahme, dass die Zuwanderung nach Hamburg stagniert, sagt Kazim Abaci. Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete und Vorsitzende des Vereins Unternehmer ohne Grenzen schätzt, dass die Zahlen der Hamburger mit Migrationshintergrund mittelfristig wieder steigen werden. "Denn wir beobachten zwar gerade, dass Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte wieder in die Türkei gehen, weil dort die Wirtschaft floriert." Aber gleichzeitig strömen Südosteuropäer auf der Suche nach Arbeit nach Hamburg, kommen zunehmend Flüchtlinge aus Krisenregionen in die Stadt. Sie sind statistisch noch nicht erfasst, weil sich die aktuellen Zahlen auf 2012 beziehen.
Wie aus der Analyse des Statistikamtes Nord hervorgeht, leben demnach 513.000 Ausländer, Eingebürgerte und deren Kinder in der Stadt. Dabei gibt es bei der Verteilung ein deutliches Ungleichgewicht. Im Bezirk Mitte etwa beträgt der Migrationsanteil 45 Prozent, in Harburg 37 Prozent, in den Bezirken Eimsbüttel oder Nord hat nur jeder Fünfte (20 Prozent) einen Zuwanderungshintergrund. Noch ausgeprägter ist diese Unwucht in den Stadtteilen. Während in weiten Teilen der Vier- und Marschlande der Migrationshintergrund auf weniger als zehn Prozent der Einwohner zutrifft, haben in Neuallermöhe (60 Prozent) sowie auf der Veddel und in Billbrook mehr als 70 Prozent der Bürger ausländische Wurzeln. In der Gruppe der unter 18-Jährigen liegt der Migrantenanteil auf der Veddel und in Billbrook bei mehr als 90 Prozent.
Laut Statistik ist die Türkei als Herkunftsland nach wie vor am meisten in Hamburg vertreten. Mit 93.000 Menschen bildet die türkischstämmige Gemeinde die größte Gruppe in Hamburg. 75.000 Menschen kommen aus dem östlichen Europa, also aus Polen und den baltischen Staaten, 59.000 aus Südosteuropa und vom Balkan sowie 42.000 aus den ehemaligen Sowjetrepubliken. Beachtlich sind dabei die ausgeprägten polnisch-russischen Gemeinschaften in Bergedorf, wo mehr als jeder zweite Migrationshintergrund in diesen Ländern liegt sowie die einschlägig türkischen Hochburgen Wilhelmsburg (40 Prozent) und Finkenwerder (50 Prozent). Außerdem bemerkenswert: Betrachtet man nur die Zuwanderer ohne deutschen Pass, so lebt fast ein Viertel der in Deutschland erfassten Ghanaer (5414) in Hamburg und ein Fünftel der bundesweit lebenden Afghanen (11.996).
In der Altersstruktur zeigt sich wiederum ein starkes Gefälle. Während nur 15 Prozent der Hamburger, die älter als 65 Jahre sind, einen Migrationshintergrund haben, ist es bei den unter 15-Jährigen fast jeder Zweite. Insgesamt handelt es sich um 123.000 Kinder und Jugendliche. Bei 80 Prozent von ihnen haben sowohl Mutter als auch Vater ausländische Wurzeln. Besonders viele junge Migranten leben nahe der Innenstadt - im Bezirk Mitte haben 68 Prozent der unter 18-Jährigen Migrationshintergrund.
Abut Can, Migrationsbeauftragter in der Landeszentrale für politische Bildung, sagt, die Integrationsbemühungen der Stadt fruchteten. Zumal die meisten der 513.000 Menschen mit Migrationshintergrund integrationswillig seien. "Gerade im Integrationsbeirat, dem fast alle ausländischen Gemeinschaften der Stadt angehören, wird konstruktive Arbeit geleistet." Die Untersuchung der Viereinhalbjährigen auf ihre Schultauglichkeit gehe etwa auf den Impuls des Beirats zurück. Kazim Abaci sagt, dass der Migrationshintergrund allein kein Problem sei, sondern die soziale Lage. Bei der Verteilung in der Stadt müsse noch mehr getan werden, um die soziale Durchlässigkeit zu erhöhen. Bei der Stadtteilentwicklung müssten Migranten verbindlicher beteiligt werden. "Doch Hamburg nimmt im Verglich mit anderen Großstädten schon eine Vorreiterrolle ein." Abaci nennt Zielzahlen bei der Integration, die Einbürgerungskampagne des Senats oder die sogenannte Mehrstaatigkeitsinitiative als Beispiele gelungener Konzepte.