Zwei Kulturen unter einem Dach: Die 18-jährige Tamara aus Mexiko wohnt für ein halbes Jahr bei Familie Prigge in Neuenfelde. Hier berichten beide Seiten über ihre Erfahrungen.

Hamburg. Seit Ende Januar hat Monika Prigge aus Neuenfelde immer Chili im Haus. Denn seit Ende Januar sitzt neben Ehemann Gerhard, Sohn Torben, 21, und Tochter Laura, 17, auch die 18-jährige Tamara aus Monterrey in Mexiko mit am Esstisch. Und für Tamara ist Chili ein Muss.

Mit Tamara hat Monika Prigge eine Person mehr zu bekochen, „ganz zu schweigen von dem Chaos mit der Badezimmerbelegung“, aber trotzdem ist die Mittelamerikanerin für die Familie vor allem eins: „eine große Bereicherung“.

In ihrer eigenen Schulzeit hat Monika Prigge an mehreren Austauschprogrammen teilgenommen und in Gastfamilien gelebt. Dabei habe sie so positive Erfahrungen gemacht, dass sie davon nun „etwas weitergeben“ wolle, sagt sie. „Ich wollte immer ein weltoffenes Haus“, so Prigge, „und da mein Sohn kaum noch zu Hause ist und wir genug Platz haben, haben wir uns entschieden, Gastfamilie zu werden.“

Tamara ist eine von jährlich rund 600 Schülern aus aller Welt, die allein mit der gemeinnützigen Austauschorganisation Youth For Understanding (YFU) nach Deutschland kommen. Nach der Ankunft Ende Januar 2013 wurde ihre Gruppe während einer Orientierungswoche auf das Leben in Deutschland vorbereitet, dann wurden die Jugendlichen in ihre Gastfamilien geschickt.

Bis Mitte August bleibt Tamara noch bei den Prigges in Neuenfelde. Dort hat sie ihr eigenes Zimmer und mit der 17-jährigen Laura direkt eine Bekannte im gleichen Alter. Abgesehen davon sind die beiden Mädchen aber ziemlich verschieden: die eine eher zurückhaltend und „norddeutsch“ kühl, die andere voller Tatendrang und Herzlichkeit. „Am Anfang dachte ich immer, Laura wäre sauer auf mich“, sagt Tamara. „Mittlerweile habe ich verstanden, dass sie einfach eher ein stiller Mensch ist und nicht ständig das Bedürfnis hat zu reden.“ Trotz ihres unterschiedlichen Naturells verstehen sich die beiden Mädchen gut, unternehmen viel zusammen, machen Ausflüge, Kurzreisen und DVD-Abende.

Überhaupt seien die Menschen in Hamburg tendenziell reservierter als die in ihrer Heimat. Tamara selbst knüpft mit ihrer offenen Art schnell Kontakte. „Mehrmals kam sie strahlend nach Hause und hat erzählt, dass sie im Bus total nette Leute kennengelernt hat, die spanisch sprachen“, erinnert sich Monika Prigge. „Mit denen hat sie sich dann immer erst mal ausgiebig unterhalten.“

Tamara ist begeistert von Hamburg

Dass sie ausgerechnet in Hamburg gelandet ist, freut Tamara. „Hier ist immer etwas los“, meint sie, „man trifft Leute aus aller Welt.“ Sie mag die Reeperbahn, das Thomas Read, die China Lounge und ist ein Fan vom Kumpir- und Falafel-Imbiss an der Bahrenfelder Straße in Altona geworden. Sie hat weißen Spargel für sich entdeckt, verstanden, wie das deutsche Pfandflaschensystem und Mülltrennung funktionieren, und die Schule in ihrer Heimat schätzen gelernt. „Hier geht der Unterricht immer bis in den Nachmittag“, sagt die 18-Jährige, die bis zum Ferienbeginn jeden Tag zum Gymnasium Finkenwerder fuhr. Mit Rad und Bus – auch das ist neu für Tamara, die in ihrer Heimat Auto fahren darf, seit sie 16 ist. „Ich bin es überhaupt nicht gewohnt, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen“, sagt sie, „in meiner Stadt fährt kaum jemand Bus.“

Sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden und die typisch norddeutsche Reserviertheit vieler Menschen nicht persönlich zu nehmen, sei manchmal nicht ganz einfach gewesen, sagt Tamara. Sie sei froh, von ihrer Gastfamilie immer viel Unterstützung bekommen zu haben. In den Monaten in Hamburg ist sie „als Mensch gewachsen“, wie sie selbst sagt.

Und auch Monika Prigge und ihre Familie haben viel gelernt. „Man bekommt einen ganz anderen Blick auf das eigene Leben“, sagt die Gastmutter. „Dinge, über die man sich sonst aufregen würde, relativiert man ganz stark.“ Und außerdem sehe man die eigene Stadt mit ganz anderen Augen. „Mir ist durch Tamaras Besuch erst wieder richtig bewusst geworden, wie viel diese Stadt eigentlich zu bieten hat“, sagt Monika Prigge.

Die YFU sucht aktuell Paare und Familien, die ab August/September 2013 einen Gastschüler bei sich aufnehmen. Weitere Informationen finden Sie unter www.yfu.de