Bis zum 15. April werden Rohre für die Erdgaspipeline nach Maschen geliefert. Die Leitung wird Lüneburg und Harburg durchqueren.
Artlenburg. Im Zehnminutentakt treffen die Tieflader auf dem neu geschaffenen Rohrlagerplatz bei Artlenburg ein. Jeder ist beladen mit einem 17,5 Meter langen, 2,23 Zentimeter dicken und 15 Tonnen schweren Stahlrohr. Der Durchmesser eines Rohrs beträgt 1,40 Meter. "Die insgesamt 18 000 Meter Rohre werden in den kommenden zwei Jahren in einem Teilstück der Nordeuropäischen Erdgasleitung (NEL) verbaut", sagt Tiefbauleiter Alf Kurtenbach von Open Grin Europe, einer Tochter der E.on Ruhrgas AG.
Die NEL wird Deutschland und Nordwesteuropa über die Ostsee-Pipeline Nord-Stream mit den großen Erdgasreserven in Sibirien verbinden. Von Lubmin bei Greifswald wird die Gasleitung über eine Länge von 440 Kilometern an Schwerin und Hamburg vorbei bis nach Rehden führen. Zwei Millionen Euro kostet jeder Kilometer nach Auskunft der E.on Ruhrgas.
Die NEL ist ein Leitungsbauvorhaben an dem das Energieunternehmen Wingas zu 70 Prozent, das Gasinfrastrukturunternehmen Gasunie zu 20 Prozent und E.on Ruhrgas zu zehn Prozent beteiligt sind.
Lebensmittelpunkt des 46-jährigen Sauerländers wird in den kommenden zwei Jahren Norddeutschland sein. "Nächste Woche werden die Baubüros in Seevetal errichtet. Dann geht es auch mit dem Bau los." Was sich jetzt in Artlenburg abspielt, zählt nur zu den nötigen Vorbereitungsarbeiten.
Seit Mittwoch läuft die Anlieferung der Rohre per Bahn von Mühlheim/Ruhr nach Maschen. Seit gestern werden diese voraussichtlich bis zum 20. April mit Tiefladern zum Rohrlagerplatz nach Artlenburg-Marienthal gefahren und danach in das Gewerbegebiet Bardowick im Gewerbegebiet an der B 4 transportiert. Die Fahrstrecke der Laster führt vom Güterbahnhof Maschen entweder über die A 39 oder die B 4 und der B 209 nach Artlenburg- Marienthal. Später nach Bardowick.
"Diese Transporte sollen bis zum 15. April andauern. Es werden vermutlich insgesamt 24 Züge mit je 78 Rohren auf 26 Waggons nach Maschen fahren, die für die Trasse im Landkreis Lüneburg bestimmt sind", so Kurtenbach.
Den Bau der Nordeuropäischen Pipeline, der mit einmal mal so schnell beginnt, genehmigte das Niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) vor wenigen Wochen. Das Raumordnungsverfahren wurde bereits 2009 eröffnet. Obwohl die Beeinträchtigungen für die Natur vom LBEG teilweise als erheblich eingestuft wurden, gelang es den Unternehmen mithilfe von Vermeidungs-, Minimierungs- und Kompensationsmaßnahmen die mit der Leitungsverlegung und dem Betrieb verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft vollständig auszugleichen. So heißt es in der Genehmigung: "Vor diesem Hintergrund ist das Vorhaben auch in der dargestellten Variante trotz der sich jeweils ergebenden Beeinträchtigungen als umweltverträglich anzusehen." Die Genehmigung gilt für eine Strecke von rund 197 Kilometern von der Elbe bei Hittbergen im Landkreis Lüneburg bis nach Rehden im Landkreis Diepholz. Die Trasse durchzieht im Landkreis Lüneburg einzig die Samtgemeinde Scharnebeck.
Im Landkreis Harburg sind weitaus mehr Kommunen betroffen. Dazu zählen die Samtgemeinde Elbmarsch, die Stadt Winsen, die Kommunen Stelle und Seevetal, Jesteburg, und Rosengarten, die Stadt Buchholz sowie die Samtgemeinden Hollenstedt und Tostedt.
Doch bevor die ersten Gräben für die Rohre ausgehoben werden, sind zur Sicherung von archäologisch wertvollen Stätten nicht nur in Marienthal Spezialisten mit Voruntersuchungen beschäftigt. "Außerdem lassen wir entlang der Trasse nach Kampfmitteln suchen", sagt Kurtenbach. Britische 20-Millimeter-Geschosse habe man in Bötersheim gefunden, weitere Blindgänger in anderen Bauabschnitten. Verbrannt oder gesprengt würden die Funde auf dem Bundeswehrgelände in Munster.
Als größte Herausforderung nennt der Projektleiter die Durchquerung der Elbe nahe Hittbergen. "Im Landkreis Lüneburg ist vor allem der Elbe-Seiten-Kanal eine Herausforderung", so Kurtenbach. Hier werde der grabenlose Rohrvortrieb, das sogenannte Microtunneling-Verfahren zum Einsatz kommen. Daneben fordern Naturschutzgebiete, Autobahnen und Eisenbahntrassen die Kunst der Pipelinebauer.
Verschweißt werden die Rohre dann in die Gräben gelegt, mit Ultraschall geprüft und mit Wasser unter Druck gesetzt. Sind die Gräben erst einmal zugeschüttet, wird nichts mehr an das gigantische Bauprojekt erinnern.