Einige Strecken sind bereits durchgebrochen oder stehen kurz davor. Im Etat gibt es nur 600.000 Euro für Sanierungen.
Winsen. Dieser Winter wirft Uwe Karstens Planung völlig über den Haufen. Eigentlich standen, so marode Straßen wie die Kreisstraße 28 zwischen Holm und Inzmühlen auf der Prioritätenliste des Straßenbau-Ingenieurs, der als Fachbereichsleiter bei der Kreisverwaltung des Landkreises Harburg für die Kreisstraßen zuständig ist. Aber der ständige Temperaturwechsel hat vielen anderen, weitaus stärker befahrenen Kreisstraßen derart zugesetzt, dass sie schnellstens repariert werden müssen, sobald der Schnee weg ist. Die schlimmsten Straßen sind erstens die besagte K 28, die regelrecht in der Mitte durchgebrochen ist, und zweitens die K 55 zwischen Holm, Schierhorn und Hanstedt. Sie wird immer welliger und droht ebenfalls bald durchzubrechen. Schließlich müsste die K 79 von der Seeve nach Fleestedt ebenfalls dringend saniert werden. Die K 28 etwa müsste eine ganz neue Fahrbahndecke bekommen, in Ortslage sogar heraus gerissen und komplett erneuert werden. "Wenn wir allein diese Straße vernünftig sanieren wollten, um die nächsten 40 Jahre Ruhe zu haben, müssten wir etwa eine Million Euro investieren", sagt der Ingenieur. Die gesamten Kosten, die dieser strenge Winter auf dem 423 Kilometer langen Kreisstraßennetz zusätzlich verursacht, kann Karsten noch nicht abschätzen.
"Das können wir wirklich erst sehen, wenn die Straßen wieder völlig frei sind. Man kann aber jetzt schon sagen, dass dieser Winter wegen der ständig schwankenden Temperaturen besonders hart für unsere Straßen war ", so Karsten. Immer wieder taut es. Neues Wasser gelangt durch die Risse in der Fahrbahndecke, friert, dehnt sich aus, der Riss wird größer. Noch schlimmer: Tauwasser läuft unter die Decke und schafft durch Gefrieren immer größere Unterhöhlungen. Der Zustand der Kreisstraßen im Landkreis Harburg sei schon ohne diesen Winter geradezu dramatisch gewesen, aber nun müsse die ganze Prioritätenliste neu ausgearbeitet werden, so der Fachbereichsleiter.
Rund 600 000 Euro hat der Kreistag im Haushalt 2010 für die Instandhaltung der Kreisstraßen eingestellt. Dazu kommen Sondertöpfe vom Bund, von denen aber niemand weiß, ob sie tatsächlich an die Landkreise ausgeschüttet werden, denn in Berlin wird darüber diskutiert, diese Mittel einzufrieren. Und mit seinem Etat kommt Karsten nicht weit nach diesem Winter. Denn zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören auch rund 300 Kilometer Radwege, gut 70 Brücken und etwa 400 Durchlässe, also kleine Überführungen beispielsweise über Bäche, und 90 Ampelanlagen. Karsten: "Man kann schon fast sagen, unsere Kreisstraßen sind in einem dramatisch schlechten Zustand. Und wenn wir in dem selben Tempo sanieren, wie wir das in den letzten Jahren wegen der angespannten Haushaltslage machen mussten, dann bräuchten wir weitere 70 Jahre, um fertig zu werden und die Straßen auf einen vernünftigen Stand zu bringen." In den letzten zehn Jahren konnten im Landkreis Harburg im Schnitt rund sechs Kilometer Straße jährlich saniert werden.
Die meisten Kreisstraßen im Landkreis Harburg wurden in den 60er-Jahren gebaut, haben ihre Lebenserwartungen schon weit überschritten. Uwe Karsten: "Es darf auch nicht vergessen werden, dass diese Straßen auch nie für die Verkehrsbelastung gebaut wurden, wie wir sie heute haben. Dazu kommt, dass Mitte der 90er-Jahre die zulässige Achslast für Lkw erhöht wurde, die Belastung also noch höher wurde." Was die Kreisstraßen kaputt macht, sind keineswegs die Personenwagen. Es sind die Lkw. Fährt ein Lkw über eine Straße, entspricht das etwa der Belastung, die 11 000 Personenwagen verursachen.
Rund acht Millionen Euro bräuchten Karsten und seine Mitarbeiter, um die Kreisstraßen auf einen "befriedigenden" Zustand zu bringen. Der katastrophale Zustand der Straßen, so Karsten, sei ein bundesweites Problem.