Nach 16 Jahren hören die führenden Köpfe des Jesteburger Kunstvereins auf. Keine Nachfolger in Sicht. Ende des gesamten Betriebs droht.
Jesteburg. Manchmal muss ein Bürgermeister nur zufällig zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um ein ganz normales Pressegespräch in eine Grundsatzdiskussion zu verwandeln. Uwe Heitmann, Bürgermeister der Gemeinde Jesteburg, hatte an diesem Vormittag eigentlich nur mit Künstler Peter Vogel vor dem Kunsthaus eine Tasse Kaffee getrunken, als er mitten in die Debatte hineingezogen wurde: Was ist bloß los beim Verein Kunstwoche Jesteburg? Und wie soll es weitergehen?
Heitmann musste mit hinein in die Gesprächsrunde und sich zu Hans-Heinrich Aldag, Hans-Jürgen Börner und Karin Klesper an den Tisch setzen. Zu den Dreien vom Kunstverein, die derzeit das beschauliche Plätschern des Jesteburger Kulturbetriebs gehörig aufwühlen. "Wir hören auf", hatten sie verkündet. Aber nicht etwa spontan, sondern bereits vor drei Jahren, als sie zu der aus ihrer Sicht letzten Amtszeit antraten.
Jetzt sind diese drei Jahre um, und wie das nun mal so ist mit angekündigten Veränderungen: Sie werden häufig so lange verdrängt, bis sie akut werden. Und dann sind alle plötzlich ganz erstaunt und wollen noch nie etwas davon gehört haben. So wie es jetzt in Jesteburg der Fall ist, denn Nachfolger sind nicht in Sicht.
Vielleicht ist es bei Aldag, der als Erster Vorsitzender fungiert, dem Zweiten Vorsitzenden Börner und der künstlerischen Leiterin Klesper auch die lange Zeit, die sie sich ehrenamtlich für die Kunst in Jesteburg eingesetzt haben, die Veränderungen so unwirklich erscheinen lässt. 1996 haben sie erstmalig die Kunstwoche organisiert, die im Schnitt 10 000 Besucher anzieht. 2000 folgte die Vereinsgründung, 2008 kam das Kunsthaus hinzu, in dem jährlich sechs Ausstellungen gezeigt werden. Es waren 16 Jahre mit viel Kultur und ganz viel Arbeit.
+++ Kunstwoche Jesteburg steht vor einem Neuanfang +++
Für den 53-jährigen Aldag ist vor allem der große zeitliche Aufwand der Hauptgrund, bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Mittwoch, 30. Mai, nicht mehr für den Vorstand zu kandidieren. Neben seinem Beruf als Geschäftsführer der Waldklinik Jesteburg ist er Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag und zudem Ratsvorsitzender des Jesteburger Samtgemeinderats. "Ich habe vor drei Jahren gesagt, dass ich nicht mein Leben lang die Kunstwoche machen kann." Gute Kunst nach Jesteburg zu holen und der Gemeinde damit ein Alleinstellungsmerkmal zu verschaffen, sei ein Vollzeitjob.
Damit wäre man auch schon mittendrin im hitzig diskutierten Thema, wie es generell um die Kunst und ihre Rolle in Jesteburg bestellt ist. Welche Art der Kunst will man zukünftig zeigen, wen will man damit ansprechen, und wer soll für das Ganze verantwortlich sein? All diese Fragen müsse sich nicht nur der Verein stellen, sondern die ganze Gemeinde, sagt Karin Klesper und macht keinen Hehl daraus, dass der Schritt des Trios, nicht mehr anzutreten, aus ihrer Sicht als Signal verstanden werden könne.
"Wir sind jetzt an einem Scheideweg", sagt sie. Die Gemeinde müsse sich des Themas annehmen und sagen, wie es weitergehen soll - auch mit Blick auf das Zukunftskonzept Jesteburg 2020, bei dem unter anderem über die Rolle von Kunst und Kultur als Wirtschaftsfaktor gesprochen wird. Dabei ist auch ein hauptamtlicher Kulturbeauftragter in der Diskussion, der das kulturelle Geschehen koordiniert und professionalisiert. Aus Klespers Sicht ist diese Stelle dringend nötig.
Hans-Jürgen Börner bringt einen weiteren Aspekt ins Spiel. "Wir müssen uns steigern wollen, das Niveau ständig heben." Wenn Jesteburg gute zeitgenössische Kunst zeigen wolle und einen internationalen Anspruch habe, könnten im Kunsthaus keine Amateure ausstellen. Das sei in der Bevölkerung mitunter schwer zu vermitteln.
Bürgermeister Heitmann geht es in der gesamten Diskussion vor allem um die Belange der gesamten Gemeinde. Der Kunstverein habe Tolles für den Ort geleistet und die Kunstwoche sei ein Aushängeschild, aber Jesteburg habe nun mal knapp 7000 Bürger, die nicht alle Vereinsmitglieder seien. Außerdem habe Jesteburg auch mehr als nur Kunst zu bieten. "Diesen Überlegungen muss man sich stellen."
Am Tisch ist plötzlich so etwas wie Hilflosigkeit zu spüren. Lässt die Gemeinde den Kunstverein etwa fallen? Sollte tatsächlich das Aus drohen, wenn sich am 30. Mai niemand für Vorstand und künstlerische Leitung findet? Und falls doch ein Neuanfang gelingt, wie sieht der aus? Sicherlich könne man vieles ehrenamtlich für die Kunst tun, sagt Aldag. Und er wisse auch, dass sich ein hauptamtlicher Kulturbeauftragter nicht nur um Kunsthaus und Kunstwoche kümmern kann, sondern das ganze kulturelle Leben im Ort im Blick haben muss. "Wir fordern dennoch ein Stück weit Unterstützung der Gemeinde ein." Das könnte beispielsweise der Erwerb des Kunsthauses sein, um mehr Kontinuität zu schaffen.
Bei aller Unsicherheit, wie es mit dem Verein weitergeht, steht eines bereits fest: Eine Kunstwoche wird es in diesem Jahr nicht geben. Karin Klesper hat tatsächlich losgelassen.