Hamburg. Der Bau von Hamburgs neuer U-Bahn vernichtet 23 Parzellen. Die Pächter haben ein Bürgerbegehren gestartet und bekommen viel Resonanz.

  • Am Goldbekkanal in Winterhude sind 23 idyllische Kleingärten bedroht.
  • Die Parzellen sollen einer Lagerfläche für den Bau der U5 weichen.
  • Die Kleingärtner sind sauer auf die Grünen, von denen sie sich verraten fühlen.

Es ist unfassbar für die Betroffenen: Unmittelbar am Goldbekkanal in Winterhude soll eine Baustelleneinrichtung für Hamburgs neue U-Bahn, die U5, entstehen. Wo jetzt ihre Kleingärten eine grüne Idylle bilden, wo sie Obst und Gemüse anbauen, ihre Freizeit verbringen und ihre Kinder spielen, wo Insekten schwirren und der Eisvogel regelmäßig vorbeischaut – da sollen schon bald Baumaschinen und Baumaterial lagern und später Wohnungen entstehen.

Die Pächter der 23 bedrohten Parzellen haben ein Bürgerbegehren gestartet, das bereits von mehr als 2000 Menschen aus Hamburg-Nord unterschrieben wurde. Allein die Hälfte der Unterschriften hat Andrea Krüger gesammelt – vor Supermärkten, auf der Barmbeker Straßenbrücke oder dem Goldbekmarkt. Für sie ist der Kampf gegen die Pläne der Stadt existenziell. Die 65-Jährige sagt sogar: „Wenn ich meinen Garten verliere, will ich nicht mehr leben. Er bedeutet mir alles.“

Hamburger kämpfen um ihren Kleingarten in Winterhude: „Wir lassen uns nicht vertreiben“

Seit 37 Jahren verbringt Andrea Krüger hier jede freie Minute, ihr Sohn ist hier aufgewachsen. Nach dem Tod ihres Mannes vor zwölf Jahren halfen ihr die Gartenarbeit und die engen Freunde, denen die Nachbarparzellen gehören. „Ich habe mich gefreut, mit der Rente noch mehr Zeit hier verbringen zu können“, sagt sie und kämpft mit den Tränen. Außerdem baue sie im Garten ihr Gemüse an. „Zu Hause habe ich nicht mal einen Balkon.“

An den Gartenpforten im Kleingartenverein 422 Goldbek e.V. hängen Plakate, die auf die bedrohte Natur durch die Pläne der Stadt hinweisen.
An den Gartenpforten im Kleingartenverein 422 Goldbek e.V. hängen Plakate, die auf die bedrohte Natur durch die Pläne der Stadt hinweisen. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

An diesem Nachmittag sitzt sie im Schatten eines alten Apfelbaumes in der Parzelle von Peter Hartkopp. „Kampfzentrale“ nennt der ehemalige Kripo-Beamte den malerischen Garten, den er mit seiner Frau in den vergangenen 15 Jahren angelegt hat.

Der 67-Jährige leitet mit einem weiteren Kleingärtner den Widerstand gegen die Pläne von Bezirk und Stadt. „Wir lassen uns hier nicht vertreiben“, sagt er. „Wenn es wirklich hart auf hart kommt, muss uns schon die Polizei wegtragen.“

Kleingartenverein in Hamburg-Winterhude soll U5 weichen – Pächterin in Tränen

Erika Schwemer nickt zustimmend. Und fängt an zu weinen, als sie sagt: „Uns wird etwas so Wichtiges weggenommen.“ Die 70-Jährige ist eng mit Andrea Krüger befreundet. Sie hat ebenfalls ihr halbes Leben hier verbracht und ist seit elf Jahren Witwe. „Wir Kleingärtner kennen uns. Hier ist niemand allein.“ Einen solchen Ort zu haben sei doch wichtig.

Das findet auch Peter Runge. Der 77 Jahre alte Witwer ist seit fast vier Jahrzehnten Mitglied im Kleingartenverein 422 Goldbek e.V., zu dem auch die Parzellen am anderen Goldbekufer gehören und noch einige weitere am Borgweg. Er verlöre zum zweiten Mal einen Garten: Schon vor rund 20 Jahren wurden die Parzellen an der Dorotheenstraße, eine davon war seine, für die Erweiterung des Johanneums geopfert. „Für die Kinder reicher Eltern“, sagt er bitter.

Winterhude: Kleingärten am Goldbekufer sind Treffpunkte für Freunde und Familien

Runge ist gelernter Werkzeugmacher und war lange „bei einem führenden Schreibwarenhersteller“ beschäftigt, wie er sagt. Noch heute kommen ein-, zweimal im Jahr seine früheren Kollegen zu ihm in den Garten, viele davon mit ihren Kindern, um gemeinsam zu feiern. Wie wichtig ihm das ist, merkt man ihm an.

Goldbekkanal in Winterhude.
Blick von der Barmbeker Straßenbrücke auf die Kleingärten am Goldbekkanal in Winterhude. Diese Idylle würde durch die geplante Baustelleneinrichtung für die U5 unwiderruflich zerstört. © FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez

Auch die Parzellen der anderen drei sind beliebte Treffpunkte für Familien und Freunde. „Oft sind auch schon Spaziergänger oder Menschen, die mit ihren Booten vorbeikommen, in unseren Gärten gewesen – einfach zum Gucken und zum Klönen“, sagt Peter Hartkopp. Und Erika Schwemer ergänzt: „Sie freuen sich, wenn wir ihnen Blumen oder Obst in die Hand drücken.“ Die Kleingärtner sind sich einig: „Unsere Gärten sind auch ein touristisches Highlight.“

Bau der Hamburger U5: Bezirksamt habe andere mögliche Flächen abgelehnt

„Unsere Kleingärten hier sind wichtige soziale und gesellige Orte“, fasst Hartkopp zusammen. „Und doch hat sich das Bezirksamt dafür entschieden, das zu ignorieren und genau hier die Baustelleneinrichtung zu genehmigen – während es drei andere von der Hochbahn vorgeschlagene Flächen als ‚sozial zu bedeutend‘ abgelehnt hat.“ Auch werde nicht geprüft, ob man das Grundstück an der Barmbeker Straße, auf dem seit Jahren ein verlassenes Autohaus steht, nutzen könne.

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„Diese Fläche ist, ebenso wie die anderen drei, ohnehin schon versiegelt“, sagt Hartkopp. „Hier aber soll intakte und wertvolle Natur geopfert werden. Damit wischen der grüne Bezirksamtsleiter und der grüne Verkehrssenator urgrüne Überzeugungen einfach vom Tisch.“ Dabei sei nicht erst seit der Stadtklimaanalyse der Umweltbehörde bekannt, dass Gebiete mit Grünflächen wichtig gegen die zunehmende Hitze seien.

Kleingarten in Hamburg: Die Parzellen seien auch wichtig für den Naturschutz

In Hamburg seien schon zu viele Schrebergartengebiete dem Wohnungsbau zum Opfer gefallen, betont der ehemalige Polizist. Daher verständen sich Kleingärtner mittlerweile als Naturschützer. „Die Leute aus dem Bezirksamt sagen immer, wir seien privilegiert. Aber sie ignorieren, dass wir etwas für die Biodiversität tun, für den Artenerhalt und für eine saubere Luft.“

Ein Leben ohne ihren Garten können und wollen sich die Betroffenen nicht vorstellen. „Dass man sie uns nehmen will, macht uns traurig“, sagen sie. „Aber vor allem wütend auf die Grünen, die wir bis dahin immer gewählt hatten.“