Hamburg. Wolf Kemper meint, dass für den Amokläufer durch den Bruch mit den Zeugen Jehovas „ein Weltbild zusammengebrochen“ sei.

Der Kriminologe Wolf Kemper von der Leuphana Universität in Lüneburg glaubt, dass der Amokläufer von Alsterdorf die Tat von langer Hand geplant hat. „Ich gehe davon aus, dass er gezielt in den Schießclub eingetreten ist, um sich eine Waffe für die Tat zu besorgen. Der Fall erinnert mich stark an den Amoklauf in Erfurt 2002. Damals war der Täter auch in einen Schützenverein eingetreten, um Waffen erwerben zu können.“

Amoklauf in Hamburg: Für Philipp F. eine „finale Befreiungstat“?

Der Amoklauf jetzt an der Deelböge selbst, so glaubt Kemper, war für den Täter eine „finale Befreiungstat“. Kemper: „Viele der Mitglieder in solchen Glaubensgemeinschaften sehen sich vom Kindesalter an den Thesen ausgesetzt. Dabei wird ihnen eine ganz eigene Logik eingetrichtert.“ Als der Bruch mit der Gemeinde gekommen sei und Philipp F. ausschied, sei für ihn „ein Weltbild zusammengebrochen“.

 „Bei den Zeugen Jehovas geht man davon aus, dass sie die auserwählte Gemeinschaft sind, die nach dem Armageddon eine neue Welt aufbauen. Ein Ausschluss kommt für eine strenggläubige, damit aufgewachsene Person einem Todesurteil gleich“, so Kemper. „Vor allem, weil ihm bewusst gewesen sein dürfte, dass er keine Chance auf Rehabilitation gehabt hat und nie wieder in die Gemeinschaft zurückkehren kann.“

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Amoklauf: Philipp F. ist kein guter Sportschütze gewesen

Zudem vermutet der Kriminologe, der 35-Jährige könne nach der Trennung von den Zeugen Jehovas „in ein tiefes Loch gefallen“ sein. „Charakteristisch für solche Gemeinschaften ist, dass Mitglieder mit Aufgaben und Vorgaben rund um die Uhr beschäftigt werden und auch oft ihren Privatbesitz der Gemeinschaft überlassen.“

Der Tatablauf zeigt Kemper, dass Philipp F. kein guter Sportschütze gewesen sei. „So, wie die Schüsse auf dem Video zu hören sind, hat er nicht gezielt, sondern einfach in die Masse der Menschen geschossen.“ Für Täter, die nicht richtig gelernt hätten, mit Waffen umzugehen, sei es typisch, rhythmisch, aber ungezielt zu schießen, bis das Magazin leer sei.