Hamburg. Ein Besucher der Jahresausstellungseröffnung hört, wie Pro-Palästina-Rufe ertönen. Als er reagiert, wird er mit dem Tod bedroht.
Es sollte ein festlicher Abend mit Preisvergabe an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste (HFBK) werden. Für einen Besucher der Veranstaltung zur Jahresausstellungseröffnung am Donnerstagabend nahm das Event dann allerdings eine bedrohliche Wendung, wie er dem Abendblatt erzählte. Zum Eigenschutz möchte der Mann lieber anonym bleiben.
HFBK-Präsident Martin Köttering hatte gerade mit seiner Eröffnungsrede begonnen, als plötzlich Flugblätter durch die Eingangshalle flogen und eine Gruppe von circa zehn Menschen „Free Palestine“ (deutsch: Befreit Palästina) skandierte. Als jener Besucher sich daraufhin entschied, die Veranstaltung zu verlassen, und beim Hinausgehen mit den Worten „from the Hamas Murders“ (deutsch: von den Hamas-Morden) auf die Rufe reagierte, wurde er von einem der Anwesenden mit dem Tod bedroht.
HFBK-Besucher bei Veranstaltung in Hamburg mit Tod bedroht
Der Unbekannte hatte auf die Aussage des Besuchers mit der Drohung „I will follow and kill you“ (Ich werde dich verfolgen und töten) reagiert und sein Opfer damit erreicht. „Das war totale Angst. Man erlebt ja im Augenblick Aggressivität in einer Form, an die ich mich in unserer Gesellschaft nicht erinnere. Ich habe mich, bevor ich meinen Schlüsselbund aus der Jacke gezogen habe, um mein Rad aufzuschließen, tatsächlich umgeguckt, ob mir jemand folgt“, so der Besucher.
Der Mann hatte unmittelbar nach dem Vorfall das Gebäude verlassen, war zu seinem Fahrrad gegangen und „mit Herzklopfen“ nach Hause gefahren. Von hier aus hatte er die Polizei verständigt. Ein Sprecher des Polizeilagedienstes Hamburg bestätigt eine Alarmierung gegen 19.28 Uhr. Anschließend war ein Streifenwagen zur Hochschule gefahren und hatte eine Überprüfung durchgeführt. Gegen 19.57 Uhr wurde der Einsatz beendet.
Die Beamten hätten dem Besucher zudem zur Anzeige geraten. Davon sehe er allerdings ab – die Erfolgschancen, den Beschuldigten ausfindig zu machen, seien zu gering. Auch weil er aufgrund des Getümmels durch die rund 500 anwesenden Menschen selbst nur eine lückenhafte Personenbeschreibung abgeben konnte. Auswirkungen auf sein Interesse an den Veranstaltungen der HFBK habe der Vorfall aber vermutlich keine, sagte er.
HFBK verurteilt Drohung und Pro-Palästina-Aktion aufs Schärfste
Auf Abendblatt-Anfrage lässt Pressesprecherin Sabine Boshamer wissen, dass das Präsidium der HFBK darüber informiert sei. In einer Stellungnahme heißt es dazu: „Diesen besorgniserregenden Vorfall verurteilt die Hochschule auf das Schärfste. Der Präsident Martin Köttering steht im persönlichen Austausch mit dem Besucher, um die Umstände zu klären und im besten Fall die gedroht habende Person zu identifizieren.“
Boshamer weist darauf hin, dass es sich „bei mehreren der Rufenden nicht um Hochschulangehörige“ gehandelt habe. Und weiter: „Nach Einschätzung des Präsidiums passt ein verbaler Angriff wie dieser in keiner Weise zu der Lehr- und Lernatmosphäre und dem gelebten friedvollen Miteinander von annähernd 1000 Hochschulangehörigen einer internationalen Kunsthochschule wie der HFBK (40 Prozent sind sogenannte Bildungsausländer). Sie ist vielmehr geprägt von einer Dialog- und Diskursbereitschaft.“
HFBK-Präsident Martin Köttering zeigt sich bei Veranstaltung deeskalierend
Um „diese Form der Meinungsäußerung erst einmal zuzulassen, eine Eskalation zu verhindern und den Akteuren nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig zu geben“, hatte Köttering seine Rede für circa zwei Minuten unterbrochen. Seine Deeskalationsstrategie ging auf, die Rufer fanden keine Resonanz im Publikum, und der Präsident konnte seine Rede ungestört fortsetzen.
Grundsätzlich sei man um die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher und Hochschulangehörigen sehr bemüht. So ist die Pforte am Haupteingang der HFBK rund um die Uhr mit Sicherheitspersonal besetzt. Bei großen Veranstaltungen sei der Sicherheitsdienst mit 13 Personen im ganzen Haus kontinuierlich wie sichtbar unterwegs, um im Fall von Tätlichkeiten unmittelbar einschreiten zu können.
Außerdem setze man ein Awareness-Team mit drei geschulten Personen ein, die optisch durch pinkfarbene Westen und rosa Caps kenntlich sind. Diese seien im Haus unterwegs und „ansprechbar bei allen Formen von Diskriminierung oder Bedrohung“.
Ruangrupa-Skandal – HFBK-Präsident äußerte sich bereits 2023 zu Angriffen der Hamas
Erst im Oktober 2023 hatte sich HFBK-Präsident Köttering im Rahmen der Angriffe der Hamas auf Israel geäußert. Grund dafür waren zwei Gastprofessoren der Hochschule, die Ruangrupa-Mitglieder Reza Afisina und Iswanto Hartono, die Sympathien für die grausame Bluttat gezeigt hatten, bei der rund 1200 Menschen getötet worden waren.
Im Vorjahr waren die Professoren bei der Documenta in Kassel bereits für die von ihnen ausgewählten Werke mit antisemitischen Bezügen scharf kritisiert worden.