Zwei Frauen aus Winterhude möchten 2024 für Deutschland nach Malmö fahren. So kalkuliert planen sie ihre Auftritte.
- In der Castingshow „Ich will zum ESC“ treten auch zwei Hamburgerinnen an, um sich dann im deutschen Vorentscheid zu beweisen
- Ihre Teilnahme am Finale in Malmö haben Anne und Jamina aus Winterhude schon genau geplant
- Mit ihren Ideen machen die Frauen Hoffnung auf den Sieg
Hamburg. Der Eurovision Song Contest (ESC) ist zum roten Tuch deutscher Musikgeschichte geworden. Lenas „Satellite“, der 2010 Deutschland zum Sieg verhalf, ist im All verschwunden und wie es scheint, mit ihm für viele auch die Hoffnung auf eine Platzierung oberhalb der letzten Ränge.
Nach der Niederlage der Hamburger Dark-Rock-Band „Lord of the Lost“ im vergangenen Jahr wollen jetzt Anne (27) und Jamina (19), beide aus Hamburg-Winterhude, den ESC 2024 revolutionieren. Ihr Ziel: Sie wollen nicht nur in Richtung Top-Ten-Platzierung, sondern auch die Liebe zum früheren Grand Prix Eurovision de la Chanson in Deutschland wieder entfachen. Das erzählen sie im exklusiven Abendblatt-Interview.
ESC 2024: Sängerinnen aus Hamburg-Winterhude wollen Ticket für Vorentscheid
Der Weg zum großen Finale am 11. Mai in Malmö führt die Hamburgerinnen über die NDR-Show „Ich will zum ESC“. In der sechsteiligen Doku-Serie, die ab dem 25. Januar in der ARD-Mediathek abrufbar ist, treten 15 Kandidatinnen und Kandidaten gegeneinander an, um sich für den deutschen Vorentscheid zu qualifizieren. Hier entscheidet sich, wer als Vertreter für Deutschland nach Schweden reisen darf.
Unterstützt werden die Teilnehmenden von ESC-Gewinnerin Conchita Wurst und „The Voice of Germany“-Coach Rea Garvey. Letzteren kannte die 27-jährige Anne bereits von ihrer eigenen Teilnahme in der Talentshow im Jahr 2019. Damals ging es ihr allerdings weniger um das Format, als um den Plan, sich durch ihr Mitwirken im nächsten Schritt für den ESC zu qualifizieren. So wie es auch der ehemalige „The Voice“-Kandidat Michael Schulte geschafft hatte. Immerhin erreichte Schulte 2018 mit seinem Song „You Let Me Walk Alone“ Platz vier.
„Das wollte ich schon als Kind und deswegen habe ich ja auch eine Musical-Ausbildung gemacht, weil ich Bühnenerfahrung sammeln wollte, um mal beim ESC teilzunehmen“, sagt Anne. Beim erneuten Treffen mit Rea Garvey erfuhr sie dann aber direkt einen kleinen Dämpfer: „Er hat mir gesagt, er ist sich nicht ganz sicher, ob mein Talent und meine Liebe für den ESC auf demselben Level sind.“
Hamburgerin glaubt Deutschlands ESC-Problem zu kennen
Dabei lebt und atmet die Winterhuderin Eurovision und ist ein echter „Super-Fan“. Die Leidenschaft für den Wettbewerb wurde ihr vererbt. „Im Freundeskreis nennt man mich ‚Die wandelnde Enzyklopädie‘, weil ich mich durchgehend nur mit dem ESC beschäftige. Auch auf dem Weg zur Arbeit mit der Bahn, da suche ich mir irgendeinen Jahrgang raus und gucke mir den auf Youtube an.“
Ihre Begeisterung und ihr Wissen über den ESC sieht sie als große Chance für ihre eigene Teilnahme und weiß genau, was in den vergangenen Jahren schiefgelaufen ist: „Wir haben selten die richtige Kombination gehabt aus dem, was in dem Jahr gerade gefragt war und etwas, das im Vergleich zu den anderen heraussticht. Vielleicht hat Deutschland den ESC manchmal nicht ernst genug genommen. Ich habe das Gefühl, da hat sich Deutschland immer nur ganz höflich rar gemacht.“
Sie fügt hinzu: „Heutzutage ist es aber beim ESC nicht mehr so, dass man nur da hingeht und das Lied verkörpert, sondern der ganze Beitrag inklusive Social-Media-Auftritt und Co. ist wichtig. Da zeigen die anderen Länder viel mehr Einsatz.“ Ihren eigenen TikTok-Kanal mit passenden ESC-Inhalten hat sie zumindest schon mal.
„Ich will zum ESC“: Anne aus Winterhude möchte Expertenwissen in Malmö nutzen
Gegenüber dem Abendblatt erklärt Anne, was ihr noch zum Erfolg verhelfen soll: „Das, was wir Deutschen richtig gut können, ist etwas ganz Ehrliches, Bescheidenes und Nahbares zu bringen. Damit punkten wir immer. Ohne Tamtam, einfach hinstellen und jemand schüttet sein Herz aus. Das ist dann immer der Effekt von ‚Das Mädchen von nebenan‘. Ich denke, dass ich das auf jeden Fall mitbringe. Diese ganze Liebe, die ich für den ESC und diese ESC-Familie habe, kann ich mit auf die Bühne nehmen und das wird das Publikum dann auch spüren. Dass das einfach nur ein ganz ehrlicher Moment ist, zwischen dem Publikum und mir.“
Sie selbst sehe sich als „Missionsträgerin, die will, dass Deutschland den ESC wieder liebt. Mein Konzept von dem Lied und wie die Bühne aussehen soll, das ist schon alles darauf aufgebaut, um zu gewinnen. Ich gehe nicht mit der Einstellung hin, ich will nur Spaß haben. Meine ganze Vorbereitung arbeitet auf einen Sieg hin.“ Die Kritik am Auswahlverfahren des NDR und der darauffolgende Misserfolg wurde zuletzt immer lauter, ein „Auftritt nach Lehrbuch“ könnte helfen.
Über eine große Niederlage wäre Anne übrigens nur deshalb traurig, weil dann ihre Strategie nicht aufgegangen wäre. Denn die ist „gut kalkuliert und analysiert“.
ESC-Hoffnung in Hamburg? Jamina will in Lena Meyer-Landruts Fußstapfen treten
Ganz anders sieht es bei Jamina aus. Die 19-Jährige steht ab Februar im Monsuntheater auf der Bühne in Altona, hofft aber auch auf eine ESC-Teilnahme. Ihr Plan: Einfach machen, ganz wie 2010 ihr Vorbild Lena Meyer-Landrut. „Ich glaube, dass ich mit meiner sehr positiven Art und der Tatsache, dass ich, nicht wie andere, große Bühnenerfahrung habe, erst mal ganz unvoreingenommen reingehe und es deshalb anders machen kann.“ Sie wolle getreu folgendem Motto handeln: „Ich mache das jetzt einfach und denke da gar nicht so viel darüber nach.“
Vergleichbar wenig musikalische Vorerfahrung wie ihr Vorbild hat auch Jamina. „Ich habe im Stadttheater und bei verschiedenen Theaterprojekten mitgespielt und mich da auch mit dem Singen ausprobiert. Früher war ich im Kinderchor, heute bin ich im Erwachsenenchor. Aber tatsächlich habe ich erst jetzt nach dem Dreh angefangen, Produzenten kennenzulernen und meine eigene Musik zu machen.“
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Jamina ist sich sicher, „dass wir in der Vergangenheit manchmal etwas unemotionale Lieder mit etwas langweiligen Texten hatten. Es muss die Leute schon irgendwie erreichen.“ Und hier sieht sie eine große Stärke in ihrer Unvoreingenommenheit. Ganz wie Lena. Ihr einziges Problem: die Nervosität auf der Bühne. An der müsse sie noch arbeiten.
ESC-Kandidat aus Deutschland: Hamburgerinnen haben klaren Favoriten
Sollte sich das Publikum in der Auswahlshow am 8. Februar, ab 22 Uhr live im NDR und online in der ARD-Mediathek, für keine der beiden Frauen entscheiden, sind sich beide aber sicher: Dann werde Max Mutzke wohl für Deutschland ins Rennen gehen. Er ist einer der acht Kandidatinnen und Kandidaten, die bereits sicher im Vorentscheid stehen und würde mit seiner Teilnahme ein echtes Revival erleben. Schon 2004 stand er beim Eurovision Song Contest in Istanbul auf der Bühne und belegte hier immerhin Platz acht.
Super-Fan Anne weiß: „Deutschland liebt Comebacks. Ich kann mir vorstellen, dass das Publikum total darauf steht.“