Hamburg. „Atemberaubend“ nennen Rezensenten im Internet die Sehenswürdigkeit im Norden der Stadt. Worum es sich dabei wirklich handelt.

Im Drei-Stadtteile-Eck zwischen Groß Borstel, Niendorf und Lokstedt befindet sich die vielleicht unbekannteste und zugleich von Insidern womöglich am meisten geschätzte Sehenswürdigkeit Hamburgs. Zumindest wenn man den entsprechenden Google-Bewertungen zur Schallschutz-Installation „Die Fenster“ glaubt. Wer die „Sensation“ in Groß Borstel erst mit eigenen Augen gesehen hat, weiß aber: Die Rezensenten dürften sich hier ein Späßchen erlaubt haben.

Sehenswürdigkeiten Hamburg: Netz schwärmt von unbekannter Sensation

Schließlich überschlagen sich die digital verschriftlichten Freudensprünge zu „Die Fenster“: „Es gibt Dinge, die muss man gesehen haben – ,Die Fenster’ gehören definitiv dazu!“, kommentiert ein Nutzer etwa. Als „Meisterwerk der urbanen Architektur“ und „atemberaubend“ bewerten die Rezensenten die Sehenswürdigkeit.

Alles in allem sahnt das Bauwerk – zweimal drei Fenster, eingelassen in eine rund 800 Meter lange Mauer – Bewertungen von durchweg satten 5,0 Sternen bei Google ab. Zum Vergleich: Der Michel kommt auf durchschnittlich 4,6 Sterne, das Bismarck-Denkmal sogar nur auf 3,8. Letzteres ändert sich im Glücksfall nachdem die Sanierung der Steinstatue abgeschlossen ist.

Bezirksamt Hamburg-Nord: „Keine Kunst im engeren Sinne“

Warum also hat beinahe niemand von dem „überwältigenden Kunstwerk“, so ein weiterer Nutzer, unweit des Tarpenbek-Wanderwegs gehört? Selbst eine Nachfrage im Bezirksamt Hamburg-Nord löst in erster Konsequenz Ahnungslosigkeit aus.

Nachdem sich Sprecher Alexander Fricke schlaugemacht hat zu „Die Fenster“, kann er das Rätsel aber lösen: „Es handelt sich hier um einen Teil des Lärmschutzwalls, der im Zuge der Erstellung des Wohnquartiers Tarpenbeker Ufer errichtet wurde.“

„Die Fenster
„Die Fenster" befinden sich in Groß Borstel zwischen dem Wohnquartier Tarpenbeker Ufer sowie den Bahngleisen beziehungsweise dem Gewerbegebiet Nedderfeld. © Anika Würz

Um „keine Kunst im engeren Sinn“ handle es sich demnach bei der vielfach gepriesenen Konstruktion. Zudem eröffnet Fricke: „Die Bezeichnung als ,Das Fenster’ [sic] ist dem Bezirksamt Hamburg-Nord nicht bekannt.“

Ebenfalls unbekannt sei der Behörde bislang der Bekannt- und Beliebtheitsgrad „der – ich sage das mal in ganz großen An- und Abführungszeichen – Installation“ gewesen, so Fricke. Man freue sich jedoch über den gewitzten Zuspruch aus dem Netz.

Sehenswürdigkeiten Hamburg: Lärmschutzwall im Netz äußerst beliebt

Warum ein Lärmschutzwall, bestehend aus in einem Gitterkäfig eingesperrten Steinen, nun Fenster nötig hat, konnte das Bezirksamt ebenfalls begründen: Der Ort „stellt ein Angebot dar, statt auf eine Lärmschutzwand durch geschickt gesetzte Fenster auf die Gleise der Güterumgehungsbahn und darüber hinaus ins Gewerbegebiet Nedderfeld schauen zu können“.

Das will uns der Künstler also sagen! Und dieses „Angebot“ kommt an, wie eine weitere lobpreisende Google-Bewertung nahelegt: „Durch die besonders gewählten Sichtachsen auf die Oberleitungen wird der Raum ,Schiene’ dem Betrachter nahegebracht.“

Ausblick aus einem der Fenster auf die Gleise und das Gewerbegebiet Nedderfeld.
Ausblick aus einem der Fenster auf die Gleise und das Gewerbegebiet Nedderfeld. © Anika Würz

Groß Borstel: Besuch von „Die Fenster“ mit weiteren Höhepunkten verbinden

Wer nun drauf und dran ist, „Die Fenster“ (Metall, Grobkies, Glas; circa 2018) einmal live zu erleben, dem sei ein freundlicher Hinweis eines Rezensenten mitgegeben. Er empfiehlt nämlich, den Besuch bei „Die Fenster“ mit weiteren Höhepunkten zu kombinieren – etwa einer Wanderung durch den nahe gelegenen Kleingartenverein 424 Tarpenbekufer oder entlang der längsten Sackgasse Hamburgs.