Hamburg. Harald Rösler soll als Gegenleistung für 100 Freikarten dem Veranstalter einen drastischen “Rabatt“ bei den Gebühren gewährt haben.
Das Open-Air-Konzert der Rolling Stones 2017 im Hamburger Stadtpark besuchten rund 80.000 Menschen – darunter zahlreiche Beamte, die Freikarten vom Veranstalter des Events erhalten hatten. Der Beginn einer Affäre, die nun in einem Strafverfahren vor dem Hamburger Landgericht gipfelt.
Am 10. November startet der Prozess gegen vier Männer: Vor Gericht stehen der ehemalige Chef des Bezirksamts Nord, Harald Rösler, sein ehemaliger Stellvertreter und zwei Mitarbeiter des Konzertveranstalters. Laut Staatsanwaltschaft soll Rösler vom Veranstalter ein Kontingent von Tickets für das Konzert verlangt haben: 300 Kauf- und 100 Freikarten zur Verfügung für das Bezirksamt Hamburg-Nord.
Rolling-Stones-Affäre: Rösler wegen Untreue vor Gericht
Im Gegenzug, so die Anklagevertretung habe er in Aussicht gestellt, deutliche Zugeständnisse bei den anfallenden Gebühren zu machen. Statt der nach Gebührenordnung anfallenden 600.000 Euro habe er dem Konzertveranstalter das Gelände für weniger als 200.000 Euro überlassen und so der Stadt einen finanziellen Schaden in Höhe von knapp 400.000 Euro zugefügt.
Die Freikarten habe Rösler über sein Vorzimmer verteilen lassen, laut Staatsanwaltschaft habe dabei die mindestens stillschweigende Übereinkunft bestanden, dass die Tickets für die Rolling Stones als Dank für "geleistete und zukünftige Dienste" gelten sollten. Darüber hinaus sei "Freunden des Hauses" die Möglichkeit gegeben worden, über das Bezirksamt auf das Kontingent von 300 Kaufkarten zuzugreifen, davon sollen drei Staatsräte Gebrauch gemacht haben.
Schließlich habe Rösler noch vor Unterzeichnung des Vertrags die Einladung des Veranstalters zu einem Empfang vor dem Konzert sowie zu zwei "Premium Gold"-Tickets inklusive Premium-Parkmöglichkeit und Shuttle-Service für sich und seine Frau angenommen. Der Wert dieses Pakets wird mit 1398 Euro angegeben.
Rösler drohen bis zu fünf Jahre Haft und Verlust der Pensionsansprüche
Sein ehemaliger Stellvertreter muss sich wegen der Vorwürfe verantworten, zum einen selbst drei der Freikarten genutzt zu haben und zum anderen seinem Vorgesetzten Beihilfe geleistet zu haben. Ihm wird konkret vorgeworfen, dass er Rösler einen Antrag abzeichnen ließ, der die erhaltenen Frei- und Kaufkarten als "freiwillige Spende des Veranstalters an das Bezirksamt und Rösler persönlich" genehmigte.
Für das Verfahren sind bisher zwölf Verhandlungstage bis Ende Januar angesetzt. Dem ehemaligen Bezirksamtsleiter drohen bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahren Haft. Außerdem würde er seine Pensionsansprüche verlieren. Harald Rösler ist bereits seit 2018 im Ruhestand.
Rolling-Stones-Affäre: Designierte Nachfolgerin Röslers zu Geldstrafe verurteilt
Das Amtsgericht Hamburg hatte bereits am 26. August 2021 die Dezernentin Yvonne Nische aus dem Bezirksamt Nord wegen Vorteilsannahme und der Verleitung Untergebener zu einer Straftat zu 120 Tagessätzen von je 115 Euro verurteilt (Az. 248a Ds 28/19). Nische sollte ursprünglich Nachfolgerin von dem damaligen Bezirksamtschef Rösler werden. Nach Angaben des Gerichts hatte die 56-Jährige zwei Tickets im Wert von 336,80 Euro angenommen. Die beiden Tickets gehörten zu einem Kontingent von 100 Freikarten, die Rösler vom Konzertveranstalter verlangt haben soll. Die Verteidigung von Yvonne Nische legte Anfang September Berufung gegen die Verurteilung der Beamtin ein.
In einem ersten Verfahren wegen der Ticketaffäre war Ende 2019 eine ehemalige Staatsrätin zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen von je 170 Euro verurteilt worden. Auch dieses Urteil (Az. 255 Ds 200/18) ist noch nicht rechtskräftig. Rechtskraft erlangte dagegen ein Strafbefehl gegen einen anderen Beschuldigten über 90 Tagessätze zu je 150 Euro und eine Verwarnung gegen eine weitere Person.
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Rolling-Stones-Affäre – die meisten Verfahren wurden eingestellt
Die Hamburger Staatsanwaltschaft hatte gegen insgesamt 57 Personen ermittelt. Die meisten Verfahren wurden inzwischen eingestellt, doch neun sind noch bei Gericht anhängig, darunter das gegen die Dezernentin und die ehemalige Staatsrätin sowie gegen den ehemaligen Bezirksamtschef Rösler und dessen Mitangeklagten.