Winterhude. Seit 50 Jahren designt Gisela Freytag Hüte und sitzt aktuell in der Jury des Derby-Wettbewerbs. 2020 schließt sie ihr Geschäft.
Sie sind bunt oder einfarbig, groß oder klein, kommen mit breiter Krempe daher oder als „Fascinator“ – mehr als 400 verschiedene Hutmodelle sind in dem Fachgeschäft der Hamburger Designerin Gisela Freytag an der Hudtwalckerstraße erhältlich – und die meisten davon hat die 70-Jährige selber entworfen.
Die nach eigenen Angaben dienstälteste Modistin der Stadt – so die korrekte Bezeichnung für jemanden, der Kopfbedeckungen herstellt –, ist seit mehr als 50 Jahren in der Branche. Seit 30 Jahren führt sie das Fachgeschäft in Winterhude. Und in diesen Tagen hat Freytag besonders viel zu tun. Wie jedes Jahr um diese Zeit, wenn auf der Horner Rennbahn Derby-Woche ist. Denn dort gehören ausgefallene Kopfbedeckungen traditionell genauso dazu wie Vollblüter.
Mit dem Hutwettbewerb, der am Sonntag ausgerichtet wird, läuft etwas abseits der Rennbahn ein im wahrsten Sinne des Wortes Kopf-an-Kopf-Rennen um den extravagantesten Kopfschmuck. Aber warum gehören Reitsport und Hüte eigentlich zusammen? Gisela Freytag, die am Sonntag auch in der Jury sitzen wird, erklärt. „Das liegt vor allen Dingen am Nobel-Pferderennen Royal Ascot in Großbritannien. Die Bilder der überdimensional großen Hüte kennt ja fast jeder. Die haben den Stil und die Tradition schon sehr geprägt.“
Inge Meysel gehörte den Stammkunden
Wenn nicht gerade Derby-Woche ist, gehe der Trend allerdings eher hin zu kleineren Hüten, den sogenannten Fascinatorn, die im Unterschied zum klassischen Hut mit einem Haarreif oder Haarnadeln befestigt werden. Was sonst gut läuft? „Panama-Hüte sind nach wie vor ein Klassiker. Auch Paper-Hüte, also Hüte aus Papier laufen gut. Und diese Saison sind besonders farbenfrohe Modelle sehr beliebt“, so Freytag, bei der schon Prominente wie Inge Meysel und Marie-Luise Marjan eingekauft haben.
Die ganze große Zeit der Hüte aber liegt offenbar in der Vergangenheit. „Früher gab es deutlich mehr Hutgeschäfte in Hamburg als heute“, erinnert sich Gisela Freytag. „Damals hat man sich einfach feiner gekleidet, viele Frauen trugen Kostüm und selbstverständlich auch einen Hut dazu.“ Heute sei alles legerer geworden. „Auch ins Theater oder zu einer Hochzeit geht man heute nicht mehr zwangsläufig in Festtagskleidung.“ Und so musste Freytag, die einst in Harburg eine Lehre als Putzmacherin machte, wie es damals hieß, ihr Sortiment im Laufe der Zeit anpassen. Auch die Zielgruppe habe sich geändert. „Früher waren es größtenteils ältere Damen, die Hut getragen haben. Heute sind es eher jüngere Frauen, die für Hochzeiten und andere Anlässe nach einem Fascinator suchen. „Viele, die zum ersten Mal bei mir im Geschäft sind, wollen am liebsten ganz viele verschiedene Hüte ausprobieren“, sagt sie.
Freytag führt das Geschäft in dritter Generation
Aber meist würde es am Ende der Hut werden, den Freytag selbst für die Kundin ausgesucht hat. „Ich habe nach all den Jahren ein gutes Gespür dafür, wem welcher Hut steht“, sagt sie. Worauf es beim Hut-Wettbewerb beim Derby ankommt? „Natürlich muss der Hut originell sein, aber vor allen Dingen muss das Gesamtkunstwerk passen. Nur, wenn der Hut auch wirklich zu der Frau und dem Kleid passt, macht er das Outfit perfekt.“
Die Beratung, also für jeden Kunden die richtige Kopfbedeckung zu finden, hat ihr in all den Jahren besonders viel Freude bereitet. Doch im kommenden Jahr endet die Hut-Ära an der Hudtwalckerstraße. „Ich habe mich entschlossen, das Ladengeschäft, das ich in dritter Generation geführt habe, aufzugeben und habe leider keinen Nachfolger gefunden“, sagt Gisela Freytag. Ganz mit dem Hutdesign aufzuhören, kommt für sie aber nicht infrage. „Ich werde weiter Hüte entwerfen und damit unabhängig von dem festen Geschäft auch meine Kundinnen finden. Veranstaltungen, auf denen Hüte getragen werden, gibt es schließlich immer noch genug.“ Außerdem und davon ist Freytag überzeugt: „Ein perfektes Outfit ohne Hut gibt es nicht.“