Hamburg. Bürgerinitiative hofft auf Sperrwirkung ihres Bürgerbegehrens. Amt will diese Woche erklären, ob die Unterschriftenmenge dafür reicht.
Die Bürgerinitiative „SOS Mühlenkampkanal“ macht mobil. Sie hat ein Bürgerbegehren gestartet und sammelt Unterschriften gegen das Wohnungsbauprojekt „Dorotheenkai“ in Winterhude. 3575 Unterschriften wurden schon im Bezirksamt eingereicht, meldet die Initiative. Parallel geht die Sammlung weiter. 7115 Unterschriften wären bis zum 8. Februar 2018 nötig, um eine Abstimmung im Bezirk Nord zu erzwingen mit der Absicht, das laufende im Bezirk Nord Bebauungsplanverfahren zu stoppen und die Baugenehmigung zu verhindern. Eine Sperrwirkung wäre aber schon mit knapp 2400 gültigen Unterschriften erreicht.
Dann dürfte die Verwaltung keine Baugenehmigung mehr erteilen und auch das Planverfahren nicht weiter vorantreiben, bevor nicht über das Bürgerbegehren entschieden ist. „Wir prüfen im Moment die Unterschriften und denken, dass wir in der Frage der möglichen Sperrwirkung Ende der Woche klar sehen“, sagte Bezirksamtsleiter Harald Rösler (SPD). Bringt die Initaitive die 7115 für einen Bürgerentscheid nötigen Unterschriften bei, könnte eine weitere Verzögerung von bis zu vier Monaten eintreten. So lange kann es dauern, bis der Bürgerentscheid abgehalten ist.
Gänse statt Wohnungen?
Der Graugänse zuliebe und wegen des Widerstands der Nachbarn soll die Robert Vogel GmbH&Co. KG auf den Bau der 109 Mietwohnungen am Kanal verzichten. Dabei sollen die Mieten mit 9 Euro kalt günstig und die Bauqualität hoch sein. Die Planung der insgesamt neun Gebäude mit fünf, sieben und zwei Geschossen stammt vom renommierten Büro Bernhard Winking.
„Wir brauchen am Kanal wenigstens eine begrünte Freifläche als Ausgleich“, sagt Karl-Lorenz Ottensmeyer von „SOS Mühlenkampkanal“. Zuviel Beton, zu wenig Licht für die Nachbarn und zu wenig Platz für die Graugänse, die auf dem Grundstück brüten, befand die Bürgerinitiative. Der ohnehin hoch verdichtete Stadtteil würde ein weiteres Stück Natur verlieren, wenn die Vogel KG zum Zuge käme.
Senat könnte Bürgerbegehren übersteuern
Dem stehen der Mangel an günstigem Wohnraum und der Umstand entgegen, dass auf dem Grundstück bereits eine Tiefgarage steht, die mit dem Neubau nur saniert würde. Das Ausmaß an Naturvernichtung wäre demnach überschaubar.
Die Vogel KG reagierte in der „Bild“-Zeitung genervt auf die drohende Verzögerung. Sie würde gern 2019 Baurecht haben und anfangen. Der Senat hätte es auch in der Hand, das Bürgerbegehren auszuhebeln. Er könnte den Bezirk jederzeit anweisen, das Bauvorhaben durchzuziehen. Dann wäre das Bürgerbegehren mit dem anschießenden Bürgerentscheid erledigt. Denn rechtlich ist das bezirkliche Bürgervotum nur zulässig, wenn der Bezirk auch wirklich über das Wohl und Wehe des Bauvorhabens entscheiden kann. Dem wäre aber nicht mehr so, wenn aus dem Senat eine Order von oben käme.
Was rechtlich ginge, bräuchte das Ja der Politik
Rösler: „Derzeit läuft eine sehr interessante politische Debatte, ob eine solche Entscheidung ergehen sollte oder nicht. Nach meinem Eindruck ist der Ausgang dieser Debatte noch offen.
Befürworter einer Senatsanweisung argumentieren nicht nur mit der Notwendigkeit von Wohnungsbau. Sie weisen auch darauf hin, dass der Bürgerentscheid nur die Kraft eines Votums der Bezirksversammlung habe und folglich vom Senat auch übersteuert werden könne. Gegner eines „Machtworts von oben" sehen in einer Senatsanweisung zum jetzigen Zeitpunkt eine Missachtung des Bürgerwillens und einen Beschleuniger für Politikverdrossenheit.