Hamburg. Der CDU-Bundestagsabgeordnete will nicht wieder in Hamburg-Nord für den Bundestag kandidieren – und empfiehlt einen Nachfolger.
Das muss man erst einmal schaffen: sein halbes Leben lang durchgehend im Deutschen Bundestag zu sitzen. Dirk Fischer ist es gelungen. Seit 1980, also seit bereits 36 Jahren, vertritt der 72 Jahre alte CDU-Politiker den Wahlkreis Hamburg-Nord als Abgeordneter im Deutschen Bundestag. Ein weiteres Jahr wird der frühere CDU-Landesvorsitzende noch dranhängen – nach der Bundestagswahl im September 2017 aber soll Schluss sein. Das verkündete Fischer am späten Dienstagsabend beim Kreisvorstand der CDU-Nord.
Pflichtbewusstsein und Idealismus
„Die Zeit für eine Bilanz meiner Arbeit ist noch nicht gekommen, weil noch ein Jahr engagierter und ergebnisorientierter Arbeit im Deutschen Bundestag und im Wahlkreis bevorsteht", sagte Fischer. "Die Sacharbeit in Berlin zu leisten und mich ebenso weiter um die Anliegen der Menschen in meinem Wahlkreis zu kümmern, ist für mich bis zum Ende des Bundestagsmandates und darüber hinaus eine Verpflichtung.“
Es liege ihm "sehr am Herzen, dass die CDU in meiner Nachfolge in diesem wichtigen Wahlkreis eine Kandidatur vorschlägt, mit der erneut die Chance besteht, dass Direktmandat mit der Mehrheit der Erststimmen zu gewinnen", so Fischer. "Dafür werde ich mich im Nominierungsverfahren sowie im Vor- und Hauptwahlkampf 2017 voll engagieren. Ich schlage als Kandidaten Christoph Ploß vor, der als langjähriger Bezirksabgeordneter, dynamischer Vorsitzender sowohl des Ortsverbandes Winterhude als auch des Kreisverbandes Nord sowie als stellvertretender Landesvorsitzender der Hamburger CDU für ein Bundestagsmandat erstklassig geeignet ist. Er hat Leistungsstärke, Charakterstärke, Pflichtbewusstsein und einen starken Idealismus.“
"Plossi" gilt als ehrgeizig und gut vernetzt
Der CDU-Landesvorsitzende Roland Heintze dankte Fischer für seinen Einsatz und zollte ihm Respekt für seine Entscheidung, nun auszuscheiden. Lange war gerätselt worden, ob der Jurist und langjährige Verkehrspolitiker Fischer es nicht doch noch einmal wissen wolle. Stattdessen empfahl er der Partei nun seinen politischen Zögling Ploß als Nachfolger. Der 31-Jährige, den seine Freunde in der CDU „Plossi“ nennen, gilt als politisches Talent. Seine Ambitionen hatte er kürzlich unterstrichen, als er den gescheiterten Bürgermeisterkandidaten Dietrich Wersich bei einer Kampfkandidatur um den Kreisvorsitz der CDU in Hamburg-Nord deutlich schlug. Mittlerweile ist Ploß auch stellvertretender Landesvorsitzender der CDU.
Dass Ploß, der als Kommunikations-Referent bei der Bauer Media Group arbeitet, den Wahlkreis Nord als Bundestagskandidat von Dirk Fischer übernehmen kann, ist aber keinesfalls ausgemacht. Denn schon im September hatte auch Wersich sein Interesse an einer Kandidatur und damit den Versuch einer Revanche für den Verlust des Kreisvorsitzes bekannt gegeben.
„Mit meiner fachlichen und politischen Erfahrung als Arzt und ehemaliger Gesundheitssenator will ich mich im Bundestag insbesondere für eine gute und bezahlbare Gesundheitsversorgung einsetzen“, schrieb Wersich am 11. September an ausgewählte Parteimitglieder aus Hamburg-Nord – und bat diese um ihre Unterstützung. Bei einigen in der CDU stieß Wersichs früher Vorstoß auf Unmut. Er hätte die seit Wochen für den 4. Oktober angekündigte Entscheidung Fischers zunächst abwarten müssen, so die Kritik. Auch Fischer selbst reagierte giftig auf Wersichs Ambitionen.
Hausbesuche und Bürgergespräche
„Ich wundere mich, warum diese Selbsteinschätzung nicht bei der Bürgerschaftswahl zu einem Ergebnis geführt hat, das deutlich günstiger war als 15,9 Prozent“, sagte Fischer dem Abendblatt nach Bekanntwerden des Wersich-Briefes mit Blick auf das CDU-Bürgerschaftswahlergebnis 2015. Den Wahlkreis, den Fischer selbst fünfmal direkt gegen die SPD gewonnen hatte, könne man „nur gewinnen, wenn man mit hohem Idealismus sich um die Anliegen der Bürger kümmert“, so Fischer. Man müsse Hausbesuche machen, Bürgergespräche anbieten, es gehöre dazu „viel Kommunikation, viel Präsenz im Wahlkreis, und idealistischer Fleiß“ – Qualitäten, die er Wersich auch mit Verweis auf dessen Niederlage beim Kampf um den Kreisvorsitz offenbar nicht zutraut.
Der 52 Jahre alte Mediziner und früherer Theatermanager Wersich aber setzt vielleicht auch nicht so sehr auf Hausbesuche, sondern eher auf seine politische Erfahrung und seinen durch die Bürgermeisterkandidatur deutlich gestiegenen Bekanntheitsgrad. Außerdem verweist er darauf, dass in der Kreismitgliederversammlung, die am 16. November den Bundestagskandidaten bestimmt, alle in Nord wohnenden Mitglieder sitzen – und nicht nur die leichter zu steuernden Delegierten. Ploß dagegen, der mit 18 Jahren in die CDU eintrat und seit einigen Jahren nebenbei an einer Doktorarbeit schreibt, gilt als deutlich kommunikativer als Wersich.
Außerdem hat Ploß nicht nur Fischer, sondern auch weite Teile des Kreisverbandes hinter sich. Hinzu kommt, dass auch der Chef der zahlenmäßig gewichtigen CDU Alstertal, Dennis Thering, wohl eher hinter Ploß steht. Thering hatte Wersichs frühe Bewerbung offen kritisiert. Alstertal gehört zwar zum Kreisverband Wandsbek, ist aber Teil des Bundestagswahlkreis Nord. Es gab aber auch Kritik an Fischers langem Zögern. Die Umstände der Bekanntgabe seiner Entscheidung sei eine „Inszenierung wie bei einer Papstwahl“ kritisierte einer. Eine offene Konkurrenz von Kandidaten sei gut für die Partei.
Deutlich mehr Interessenten als Plätze
Dabei ist die Wahlkreis-Nominierung auch erst ein Zwischenschritt – zu einem guten Platz auf der Landesliste. Denn angesichts der aktuellen Umfragen ist es unwahrscheinlich, dass die CDU das Direktmandat gewinnt. Das Prozedere bis zur Listenaufstellung ist klar geregelt: Nachdem alle sechs Hamburger Bundestagswahlkreise ihre Direktkandidaten nominiert haben, erstellt das sogenannte 17er-Gremium, in dem führende Köpfe der Partei sitzen, einen Vorschlag für die Landesliste – in der Regel, aber nicht zwingend aus allen Direktkandidaten.
Am Ende wählt eine Landesvertreterversammlung am 8. Dezember die Liste – Platz für Platz. Dabei muss sie sich keinesfalls an den 17er-Vorschlag halten. Mit Kampfkandidaturen wird fest gerechnet – denn während die CDU 2013 noch fünf Abgeordnete nach Berlin schickte, gelten derzeit nur noch die ersten drei Plätze als sicher. Und es gibt deutlich mehr als drei Interessierte.
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