Es könnte ein demokratischer Wettbewerb zwischen Dorothee Martin und Maximilian Schommartz sein. Doch einer soll Rückzieher machen.

Die Bundestagswahl im Herbst 2017 ist ja eigentlich noch recht weit entfernt. Aber vor dem Votum der Bürger müssen die Parteien logischerweise die Menschen benennen, die sie zur Wahl stellen wollen. Und genau deswegen hängt in der sonst eher etwas schläfrigen SPD jedenfalls bei den Genossen in Wandsbek und Hamburg-Nord der Haussegen schon jetzt kräftig schief. Manch einer sorgt sich bereits darum, dass der mit harten Bandagen geführte Konflikt um das mögliche Berlin-Ticket „Parteikreise sprengen könnte, weil es sehr ins Persönliche abgleitet“.

Gleich zwei Sozialdemokraten bewerben sich

Das für die heutige SPD beinahe Unglaubliche ist geschehen: Gleich zwei Sozialdemokraten bewerben sich um die Direktkandidatur im Wahlkreis 21, der den Bezirk Nord und das Alstertal (Bezirk Wandsbek) umfasst. In den fünf anderen Wahlkreisen treten jeweils nur die Parteifreunde erneut an, die schon jetzt im Bundestag sitzen. Da wird es so laufen, wie es SPD-Landeschef und Erstem Bürgermeister Olaf Scholz am liebsten ist: geräuschlos und einvernehmlich.

Weil nicht sein kann, was nicht sein darf – interner Streit um Posten nämlich –, wird hinter den Kulissen verbissen und heftig daran gearbeitet, dass einer der beiden Bewerber seine Ambitionen aufgibt und möglichst schnell einen Rückzieher macht.

32 Jahre alt, erfolgreich - aber umstritten

Drei Sozialdemokraten stehen im Zentrum der Auseinandersetzung: Da ist Dorothee Martin, 38 Jahre alte Diplom-Politologin, stellvertretende Niederlassungsleiterin eines Wohnungsunternehmens und seit 2011 Bürgerschaftsabgeordnete. Martin bewirbt sich als Direktkandidatin im Wahlkreis 21. Genau das macht auch Maximilian Schommartz, 32 Jahre alt und sehr erfolgreicher, aber auch umstrittener Immobilienunternehmer. Und da ist Andreas Dressel, SPD-Bürgerschaftsfraktionschef und seit Kurzem Kreisvorsitzender der Wandsbeker SPD – die Nummer zwei in der SPD-Hierarchie nach Scholz.

Es könnte ein einfacher demokratischer Wettbewerb zwischen Dorothee Martin und Maximilian Schommartz sein. Doch Tatsache ist, dass auf den jungen Unternehmer massiv Druck ausgeübt wird, sein Vorhaben aufzugeben. „Im Moment laufen Gespräche“, sagt Dressel, der die Kandidatur von Martin unterstützt. Er spricht lieber von Beratung für den jungen Parteifreund, den er seit Langem kennt und der noch dazu aus seinem eigenen Kreisverband kommt.

Schommartz hat ein Problem, und das heißt Schanzenhof. Vor drei Jahren hat der 32-Jährige den ehemaligen Montblanc-Komplex mitten im Schanzenviertel gekauft. Seitdem ist der Streit zwischen der Szene und Schommartz ziemlich eskaliert. Der Vorwurf ist, dass Schommartz die alten Mieter – Künstler und Läden der Alternativszene – mit zu hohen Mietforderungen vergrault hat. Der Eigentümer spricht dagegen von „ortsüblichen Mieten“ und seiner großen Kompromissbereitschaft. Nüchterne Betrachtung legt nahe, dass an dieser Sicht etwas dran ist.

Die Emotionen kochen hoch im Viertel

Aber längst sind die Emotionen im links-alternativen Viertel hochgekocht. Demonstrationen, Sachbeschädigungen, Schommartz und seine Mitarbeiter wurden sogar attackiert.

Schommartz selbst bleibt bei alledem ziemlich gelassen. Aber eine solche Auseinandersetzung um einen Kandidaten ist natürlich Gift im Wahlkampf, raunen sie jetzt weit entfernt von der Schanze in Wandsbek, Winterhude, Fuhlsbüttel und Langenhorn. Es kommt noch hinzu, dass eine anonyme E-Mail kurz vor Ablauf der Bewerbungsfrist für die Kandidaturen am 31. August zahlreiche Genossen erreichte und schockierte.

Die unbekannten Verfasser drohten damit, „Euren Wahlkampf zu sprengen“, falls Schommartz der SPD-Kandidat sei. Nicht nur Dressel plagt nun die Vorstellung, dass die Sozialdemokraten an den Ständen im Wahlkampf und bei Podiumsdiskussionen den Bürgern zuerst immer erklären müssen, was da eigentlich los ist mit diesem Kandidaten und dem Ärger im Schanzenviertel.

Für den Bundestag sucht die SPD Frauen

Aber darf das ein Grund sein, Schommartz von einer Bewerbung abzuhalten? Die Sache mit dem Schanzenhof ist auch nicht der einzige Grund, denn der forsche Unternehmer passt den SPD-Granden noch aus anderen Gründen nicht ins Raster. Für den Bundestag werden in der SPD händeringend Frauen gesucht. Bislang ist Integrations-Staatsministerin Aydan Özoguz die Einzige neben vier Männern. Mit Dorothee Martin sähe das Geschlechterverhältnis schon etwas besser aus.

Und es gibt ein strategisches Argument: Der Immobilienunternehmer hofft von konservativen Wählern Stimmen ziehen zu können. Der Wahlkreis 21 ist der einzige, den die Union mit Dirk Fischer 2013 direkt gewinnen konnte. Hier sind die Entscheidungen bei den Erststimmen immer knapp. Die Unterstützer von Martin setzen dagegen darauf, dass sie von Grünen-Wählern oder dem Mitte-Links-Lager Zählbares gewinnen kann – Wähler, die Schommartz nicht erreichen oder verprellen würde.

Aber so weit wollen es die Parteistrategen nicht kommen lassen. Dressel hat Schommartz einen sicheren oder aussichtsreichen Listenplatz für die Bürgerschaftswahl 2020 angeboten, wenn er seine Bundestags-Bewerbung fallen lässt. Das hätte aus Dressels Sicht auch den Vorteil, dass Schommartz Erfahrungen in politischer Arbeit sammeln könnte, die ihm durchaus noch fehlen.

"Meine Bewerbung habe ich reiflich überlegt"

Doch Schommartz denkt offensichtlich nicht daran, Dressels Offerte anzunehmen. „Meine Bewerbung habe ich mir reiflich überlegt“, sagt er. „Zum Zeitpunkt meiner Entscheidung war weit und breit kein Interessent für eine Direktkandidatur in Sicht, also habe ich meinen Hut in den Ring geworfen. Da liegt er nun, und ich freue mich auf viele spannende Diskussionen.“ Schommartz hatte sich vor eineinhalb Jahren zur Bewerbung entschlossen und damals auch Dressel eingeweiht. Der habe ihm zu dem Zeitpunkt seine Unterstützung zugesagt, was Dressel jedoch bestreitet.

Dass der junge Unternehmer nicht an der Bürgerschaft interessiert ist, hat einen weiteren Grund: Nur ein Listenplatz ganz vorne ist angesichts der Wahlkreise noch sicher. Schommartz weiß, dass er dann anderen etwas wegnehmen würde, was Neid erzeugt und er nicht will. Es könnte nun sein, dass die SPD-Wahlkreisdelegierten eine Entscheidung treffen müssen, die einige Parteispitzen vermeiden wollen. Einfach laufen lassen birgt aus ihrer Sicht nicht zuletzt das Risiko, dass sich Schommartz durchsetzt.