Hamburg. Vorschläge der Hamburger reichen von Geschichtswerkstatt, über Schmetterlingswiesen und Honigherstellung bis zur Schnitzeljagd.

Wie sieht der Friedhof Ohlsdorf in 35 Jahren aus? Werden auf dem weltweit größten Parkfriedhof in Kürze Kutschfahrten und Gartenlesungen stattfinden? Wird ein spannender Barfußpark, ein tönernder Klanggartenwald oder ein verwinkeltes Heckenlabyrinth eingerichtet? Gibt es neue Plätze für einen Tierfriedhof oder einen Kinderbauernhof? Werden auf großen Rasenflächen zukünftig Yoga- und Tai-Chi-Kurse angeboten? Verwandeln sich stillgelegte Kapellen in Fledermaushäuser oder Kulturcafés? Weil in Ohlsdorf immer weniger Begräbnisse stattfinden, hat das Nachdenken darüber begonnen, wie die frei werdenden Flächen genutzt werden können. Von knapp 400 Hektar werden bald nur noch 100 Hektar für die Neuvergabe von Gräbern gebraucht.

Der Friedhof hat, wie berichtet, auf diese Entwicklung schon vor einiger Zeit reagiert und einen großen Beteiligungsprozess zum Projekt „Ohlsdorf 2050“ gestartet. Denn: „Wir wollen die Bürger bei der sensiblen Umgestaltung des Friedhofs mitnehmen“, sagt Friedhofssprecher Lutz Rehkopf.

Von Anfang April bis Ende Mai hatten die Hamburger Gelegenheit, ihre Ideen zu unterbreiten. Nun liegt eine Vielzahl von Vorschlägen vor. „Wir waren begeistert, in welcher Menge, Qualität und Ausführlichkeit sich die Menschen Gedanken darüber gemacht haben, was aus Ohlsdorf werden kann“, sagt Rehkopf. Alle Vorschläge verdienten großen Respekt, weit mehr als 200 Ideen in den Bereichen Bestattungs­kultur und Freizeit, Bildung und Natur, Kapellennutzung und Mobilität seien zusammengekommen.

Zwei Dinge sind den Hamburgern demzufolge besonders wichtig: Der Friedhof soll ein ruhiger Ort des Gedenkens bleiben. „Aktive Erinnerung statt Freizeitangebote“, überschreibt es ein Beteiligter. „Sicher ist, dass es keine lauten Sportarten geben wird“, so Rehkopf. Und: Die Hamburger wünschen sich weniger Autoverkehr auf dem Parkfriedhof.

Vom kommenden Mittwoch an können die Bürger nun ihre Ideen drei Tage lang zusammen mit Experten in fünf verschiedenen Workshops diskutieren. Und dann? „Es kann durchaus sein, dass wir am Freitag beim Abschlussforum ein Projekt so ansprechend finden, dass wir mit der Realisierung noch in diesem Jahr beginnen werden“, sagt Rehkopf. Das sind die Vorschläge im Einzelnen:

Austellungen in Kapellen

„Die notwendige Umnutzung von einigen Kapellen bietet die Chance, Hamburger Persönlichkeiten unter Einsatz moderner Medien in Erinnerung zu behalten“, sagt Rehkopf. Der Friedhof sei eben auch ein „Gedächtnis der Stadt“. Die Ideen reichen von der Einrichtung einer Kultur- und Erlebniswerkstatt als Treffpunkt für Menschen unterschiedlichen Glaubens bis zu Orten für Kunstausstellungen und Filmvorführungen, an denen auch Kurse für Malerei, Musik und Kunstgewerbe stattfinden können.

Eine weitere Idee zur Umnutzung einer Kapelle ist die Einrichtung einer Geschichtswerkstatt. Zusätzlich zu Dauerausstellungen könnte es einen Raum der Biografien und ein digitales Archiv geben, über das sämtliche Friedhofsdaten abgerufen werden können. Auch die Einrichtung einer Umwelt- und Naturstation sind in einer Kapelle denkbar. Im Umfeld einer Kapelle könnte ein spezieller Kinder- und Jugend­bereich angegliedert werden. Auch ein Heilgarten in Kombination mit therapeutischen Gärtnern ist denkbar. „Lichtskulpturen oder auch Liegen, um in den Himmel zu blicken, können hier gestalterische Akzente setzen“, sagt Rehkopf.

Neuer Eingang für Fußgänger

Die Eingänge zum Parkfriedhof sind zugleich ein Übergang von der Stadt der Lebenden in die Stadt der Toten. „Dieser Übergang sollte dem Besucher helfen, sich auf den Friedhof einzustellen und sich zurechtzufinden“, sagt Rehkopf. Exemplarisch wird der Fußgängereingang gegenüber dem S-Bahnhof an der Fuhlsbüttler Straße neu gestaltet. Denkbar sei eine Gestaltung mit historischen Steinen, die dem Ort eine eigene Identität geben, sowie hochwertiger, wiedererkennbarer Außenmöblierung.

Hain der Naturwiesen-Gräber

„Viele Menschen haben die Anlage von landschaftsbezogenen Ruhestätten ohne Grabfeldgliederung angeregt“, sagt Rehkopf. Die Anlage eines Naturwiesen-Grab-Hains ist ein erstes Projekt. „In einer naturnah gepflegten Wiese können Bestattungen stattfinden. Kleine, übermähbare Gedenksteine zeigen, wer hier bestattet ist.“

Schmetterlinge und Schafe

Der Friedhof ist Lebensraum vieler Tiere. „Die Vorschläge reichen über die Einrichtung von Schmetterlingswiesen oder Honigherstellung bis zum Schutz von Fledermausbeständen“, sagt Rehkopf. Ein besonderes Augenmerk legten viele Besucher auf die Vogelwelt – bei Tag und Nacht. Es gehe um die behut­same Sichtbarmachung von Tierleben auf dem Friedhof. „Und um die Frage, ob in einigen Bereichen auch Tiere wie etwa Schafe gehalten werden könnten.“

Schnitzeljagd und Geocaching

Der Friedhof kann auch als außerschu­lischer Lernort etabliert werden. „Die Ausarbeitung von Einzelbiografien mit Schülern, die Entwicklung von Projekttagen sowie einer Art Schnitzeljagd oder auch Geocaching sind denkbar“, sagt Rehkopf. Genau wie ein Lehrer-Workshop. Zudem könne ein Kinder- und Jugendbereich von Schulklassen im Rahmen von Projekttagen angelegt und später auch von diesen genutzt werden. Rehkopf: „Kinder lassen sich heute kaum von Schautafeln begeistern und nutzen lieber smarte Technologie.“ So sollen Bilder, Filme und schriftliche wie gesprochene Texte über Personen und Anlagen über Smartphones vor Ort abrufbar sein.

Neue Ideen für den Friedhof Ohlsdorf sind deshalb gefragt, weil das Gräberfeld in den vergangenen Jahrzehnten starken Veränderungen ausgesetzt war. So sank die Zahl der Beisetzungen von 7300 im Jahr 1995 auf nur noch 4415 im Jahr 2015. Gab es früher rund 75 Prozent Sargbestattungen, sind es aktuell nur noch 25 Prozent. „Immer mehr Menschen entscheiden sich für eine Urnenbeisetzung“, sagt Rehkopf. Es gibt außerdem einen starken Rücklauf der Familienbeisetzungen und ein geringeres Interesse an Trauerfeiern. Die Folge: Vier von zwölf Kapellen in Ohlsdorf werden bereits nicht mehr genutzt.