Hamburg. Ein Förderkreis um Christine Behrens will historische Friedhofsteine in Ohlsdorf retten und ausstellen.

Sie ist zierlich, konsequent und kämpft für eine gute Sache. Die Hamburgerin Christine Behrens hat genug von dem plötzlichen Verschwinden älterer Grabsteine in Ohlsdorf. Dort werden nach Ende der Liegezeit die Steine von Gräbern, die nach 25 Jahren oder mehr nicht neu bezahlt werden, von Amts wegen abgebaut, zertrümmert und zu Baumaterial gemacht. Das ärgert die 72-Jährige. Sie möchte erreichen, dass diese Denk­mäler zur Erinnerung als Zeitzeugen erhalten bleiben. Behrens und ihr Verein, der „Förderkreis Ohlsdorfer Friedhof“ haben mit der Friedhofsverwaltung verhandelt und erreicht, dass der Förderverein die ausgedienten Grabmäler in Obhut nehmen kann.

„Mein Traum ist, dass die schönsten und geschichtsträchtigsten Steine in einem Museum auf dem Gelände des Friedhofs ausgestellt werden – oder ungestört an ihrem Standort verbleiben können“, sagt sie. Seit dem 1. März fotografieren und katalogisieren Behrens und eine Handvoll Mitstreiter die Steine. Hunderte wurden bereits als erhaltungswürdig gerettet. Viele davon bleiben an ihrem ursprünglichen Standort, andere müssen versetzt werden. „Das kostet um die 1000 Euro“, sagt Behrens. Viele denkmalwürdige Grabmäler waren schon mit grüner Farbe markiert. „Das bedeutet, dass die Steine aussortiert werden sollen. Wir konnten dies mithilfe der Friedhofsverwaltung verhindern.“

Einige spektakuläre Grabmäler sind derzeit im Cordes-Tunnel untergebracht. Dort sind sie vor einem Diebstahl geschützt. Der Hamburger Wilhelm Cordes war der Schöpfer des ersten Teils des größten Parkfriedhofs der Welt. Von 1898 an war er Friedhofs­direktor. Sein Haus lag gegenüber der Anlage. Um schneller vor Ort zu sein, ließ er unter dem S-Bahn-Damm einen Tunnel von seinem Haus zum Friedhof bauen. An anderer Stelle abgelegte Steine können aber auch gestohlen werden. Ein schöner Hermes-Kopf, in dem aufgegebenen Anzuchtgarten gelagert, ist verschwunden.

Der Förderverein ist aktuell auf sich allein gestellt. Die Jahresbeiträge der rund 200 Mitglieder reichen bei Weitem nicht aus für diese Mammutaufgabe der Sicherung erhaltungswürdiger Grabmale. Die 1943 bei Bordeaux geborene Französin Behrens wünscht sich, von den drei Millionen Euro, die vom Bund und vom Senat in das Projekt „Ohlsdorf 2050“ gehen, dass auch Gelder für die Auswahl und den Erhalt besonderer Steine fließen können. Ihr Mann Reinhard Behrens, ehemaliger Staatsrat der Schulbehörde, unterstützt sie. „Für den Ohlsdorfer Friedhof als Gartenanlage und Gartendenkmal ist die Umweltbehörde zuständig, für Grabdenkmäler aber das Denkmalschutzamt der Kulturbehörde. Und dieses nimmt seine Aufgaben bisher nicht an“, sagt Reinhard Behrens.

„Ein in den 1980er-Jahren mithilfe der Volkswagen-Stiftung durchgeführtes Forschungsprojekt zur Friedhofs­geschichte und zum Grabmalbestand führte 1990 zur Veröffentlichung eines umfangreichen Katalogs bedeutsamer Grabmäler auf dem Friedhof“, sagt seine Frau. Darin ist eine Vielzahl von Grabanlagen dokumentiert, darunter auch solche auf dem Althamburgischen Gedächtnisfriedhof. „Allerdings sind in dieser Forschungsarbeit lediglich Grabmäler bis 1950 erfasst, sodass keine danach erstellten Grabsteine als schützenswert erkannt und registriert worden sind“, bedauert der Förderkreis. Er fordert die Fortschreibung dieses Registers für die Zeit nach 1950. Dafür braucht es aber Geld vom Senat oder von Sponsoren.

In der Hansestadt laufen aktuell Diskussionen darüber, welche Nutzungskonzepte für den Friedhof sinnvoll sein könnten. Die Stadt hat, wie viele andere Metropolen, das Problem, dass der Anteil der Erdbestattungen sinkt, weil der Trend zur Urne geht. Damit wird der Flächenverbrauch pro Jahr geringer. Der Friedhofsverein begrüßt die neuen Nutzungsmöglichkeiten auf dem Friedhof Ohlsdorf, so sie denn dem historischem Umfeld gerecht werden.

„Einen Fußballplatz oder eine Flüchtlingsunterkunft lehnen wir auf dem Gelände ab“, sagt Christine Behrens. Ihr Mann, der früher auch Schulleiter war, wünsche sich, dass künftig zahlreiche Schulkassen „in Ohlsdorf etwas über Kultur und Geschichte unserer Stadt lernen können“, sagt die agile Frau. Vieles ist zu entdecken, Grabsteine mit Engeln, Familiengräber, Steine von Gefallenen im Zweiten Weltkrieg oder große Namen aus der Hamburger Geschichte. „Wir könnten damit einen Schatz erhalten“, sagt Reinhard Behrens.

Das 1877 gegründete Areal ist mit 391 Hektar Hamburgs größte Grünanlage. Hier gedeihen 450 Laub- und Nadelgehölzarten, die Teiche und Bäche sind von Wasservögeln belebt.

Eine gute Nachricht gab des laut Christine Behrens bereits. In der Sitzung des Kulturausschusses der Bürgerschaft haben alle Parteien eine Expertenanhörung zum Thema der Rettung denkmalwürdiger Grabmale beschlossen. Über diesen Erfolg freuen sich Behrens und der Förderkreis des Friedhofs besonders. Jetzt sucht sie noch Sponsoren für ihr Projekt.