Hamburg. Gericht gibt Anwohnerinitiative vorläufig recht. Endgültiger Richterspruch in zwei Wochen. „Wichtiges Signal“ für andere Unterkünfte.

Die Erdbauarbeiten für Fundamente und Versorgungsleitungen sind schon fast abgeschlossen: In einigen Tagen sollten hier auf einem ehemaligen Anzuchtsgarten in Klein Borstel im Norden der Stadt die ersten Modul-Häuser einer Flüchtlingsunterkunft aufgestellt werden. Rund 700 Plätze plant die Stadt dort als feste Folgeunterkunft – obwohl der gültige Bebauungsplan eigentlich nur „gärtnerische und friedhofsbezogene Nutzungen“ vorsieht. Doch trotz aller Probleme bei der Unterbringung der Flüchtlinge hat die Stadt bisher offenbar wenig Aussicht auf eine rasche Re­alisierung.

„Sicherungsinteresse“ der Nachbarn vom Gericht anerkannt

Zum zweiten Mal haben jetzt vor dem Verwaltungsgericht klagende Anwohner aus dem Kreis der Initiative „Lebenswertes Klein Borstel“ einen Zwischenerfolg vor Gericht erzielt. Die Richter verfügten einen vorläu­figen Baustopp – bis in etwa zwei Wochen in einem Eilverfahren über den Rechtsstreit entschieden wird.

Kommentar: Mit dem Kopf durch die Wand

Und diese Entscheidung könnte dann Auswirkungen auf etliche andere Flüchtlingssiedlungen haben, die Hamburg derzeit in vielen Stadtteilen plant und gegen deren Größe etliche Initiativen momentan Front machen. Klägeranwalt Gero Tuttlewski (Klemm & Partner) spricht daher von einem „wichtigen Signal“. Zumal das Gericht anerkannt habe, dass sich das „Sicherungsinteresse“ der Nachbarn in Klein Borstel nicht nur gegen die Nutzung als Flüchtlingsunterkunft richtet, sondern gegen die geplanten Bauten als solche.

Auslegung des Baugesetzbuches wird entscheidend sein

Dieser Baustopp ist nun schon der zweite, den das Gericht in dieser Sache verfügte: Zunächst hatte die Stadt versucht, den Bau auf Grundlage des Polizeirechts umzusetzen. Wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen sei Gefahr in Verzug, so in etwa lautete die Begründung, um sich über das gültige Baurecht hinwegsetzen zu können. Dagegen hatten die Anwohner geklagt. Im Oktober sprach das Verwaltungsgericht zum ersten Mal einen Baustopp aus, damit bis zur eigentlichen Entscheidung keine vollendete Tatsachen geschaffen werden konnten. Dagegen legte die Stadt dann bei dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Beschwerde ein. Doch zu einer Entscheidung kam es nicht, weil die Stadt dann rechtlich plötzlich einen anderen Weg einschlug. Diesmal berief sie sich auf das kürzlich geänderte Baugesetzbuch. Damit wird die Genehmigung von Flüchtlingsunterkünften erleichtert – auch dort, wo sie wie auf Grünanlagen bisher nicht zulässig waren.

Doch ob diese geänderten Normen als eine Art Freifahrtschein für den Bau von Flüchtlingsunterkünften interpretiert werden können, ist in der Fachwelt umstritten. Auch das Verwaltungsgericht meldet jetzt noch Klärungs­bedarf an. Sollten die Richter die Baumöglichkeiten aufgrund des geänderten Baugesetzbuches enger auslegen als die Stadt, könnten eben auch die Pläne für die sogenannten Expressbauten (5600 Flüchtlingswohnungen bis Weihnachten) ins Stocken geraten.

CDU wirft dem Senat „kompromisslose Haltung“ vor

Die Stadt reagierte am Donnerstag mit Bedauern auf den erneuten Baustopp. „Damit hat das Gericht der Freien und Hansestadt untersagt, Container aufzustellen und mit in Hamburg Schutz suchenden Menschen zu belegen“, sagte Kerstin Graupner, Sprecherin des zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge. Sie verwies aber darauf, dass das Gericht zugelassen habe, mit dem Tiefbauarbeiten weiterzumachen auf der Baustelle. Graupner. „Wir warten nun auf die Entscheidung im weiteren Verfahren.“

Die CDU spricht indes davon, dass das Gericht mit seinem Baustopp vor allem die „kompromisslose Haltung“ des Senats kritisiert habe. Tatsächlich hatte die Stadt trotz Anfrage des Gerichts mitgeteilt, weder mit dem Aufstellen der Container warten zu wollen noch zu einem Vergleichsgespräch bereit zu sein. „Schon wieder scheitert der rot-grüne Senat in Sachen Flüchtlingsunterkünfte vor Gericht“, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Karin Prien. Der andauernde Versuch von Rot-Grün, für den Bau von Flüchtlingsunterkünften in Hamburg den Rechtsstaat auszuhebeln, sei damit endgültig gescheitert. SPD und Grüne müssten jetzt endlich auf die betroffenen Anwohner zugehen. Prien: „Mit seiner kompromisslosen Haltung hat der Senat jedenfalls seinem Ziel, ausreichend Unterbringungsplätze für Flüchtlinge zu schaffen, einen Bärendienst erwiesen.“