Die Initiative will Flüchtlinge in der Unterkunft am Tessenowweg unterstützen. In den 70 Einrichtungen der Stadt sind 1000 Ehrenamtler tätig. Im Bezirk Hamburg-Nord soll ein Netzwerk aufgebaut werden.
Barmbek-Nord. 200 Flüchtlinge in unmittelbarer Nachbarschaft? Woanders gäbe es da Protest. Nicht so in Barmbek. Als bekannt wurde, dass die Behörde Flüchtlinge in einer leeren Fabrikhalle am Wiesendamm unterbringen wollte, schlossen sich 70 Nachbarn zur Initiative „Welcome to Barmbek“ zusammen. Sie wollten den Zugezogenen Hausaufgabenhilfe, Deutschkurse und Musikunterricht geben, Patenschaften übernehmen oder die Menschen bei Behördengängen begleiten.
Doch die Behörde zog ihre Pläne aus Brandschutzgründen zurück – und die Nachbarschaftsinitiative wurde zum ersten Mal ausgebremst. Kurz darauf lief die Hilfsbereitschaft zum zweiten Mal ins Leere: Die Initiative hatte ihr Engagement in einem Containerdorf in der City Nord angeboten. „Der Unterkunftsleiter war überhaupt nicht darauf vorbereitet und hat erst einmal abgelehnt“, sagt Welcome-to-Barmbek-Gründer Stephan Peiffer, fügt aber selbstkritisch hinzu: „Vielleicht war es naiv, einfach so hinzugehen und Flüchtlinge anzusprechen.“
Im Januar geht es in der Unterkunft Tessenowweg los
Jetzt hat die Initiative mit dem Bezirk Hamburg-Nord und mit dem städtischen Betreiber Fördern und Wohnen (f&w) Kontakt aufgenommen. Mit Erfolg: Im Januar gibt es ein erstes Treffen mit dem Leiter der Unterkunft am Tessenowweg, wo demnächst 150 weitere Flüchtlinge untergebracht werden sollen. „Wir wollen in Ruhe besprechen, wie wir Kontakt zu den Flüchtlingen aufbauen können“, so Peiffer.
Als Geschäftsführer des Vereins „Leben mit Behinderung“ weiß Pfeiffer, wie schwer es Außenstehende haben, ihren Platz in einer Gemeinschaft zu finden. Kaum war die Unterkunft am Wiesendamm im Gespräch, schrieb er daher eine erste Mail an Nachbarn innerhalb und außerhalb des autofreien Wohnprojekts, in dem er lebt. Seine Idee zu helfen ging auf. Im Schneeballsystem machte die Mail ihre Runde. Zum ersten Treffen kamen 70 Interessierte, zum zweiten – obwohl die Pläne mit der Fabrik am Wiesendamm da schon vom Tisch waren – noch mehr. Mittlerweile stehen mehr als 250 Personen auf dem Verteiler, mindestens 80 wollen sich aktiv engagieren.
Runder Tisch zu Flüchtlingshilfe im Bezirk Nord geplant
Bald könnte es losgehen. Bereits bestehende Flüchtlingsunterkünfte in Barmbek sollen aufgestockt werden, weitere Unterkünfte entlang der Hamburger Straße sind im Gespräch. Gleichzeitig will der Bezirk Hamburg-Nord ein Netzwerk knüpfen, in dem neben Unterstützer-Initiativen auch Unterkunftsbetreiber, -planer und Kirchenorganisationen vertreten sind. Damit kommt er dem Wunsch von Bischöfin Kirsten Fehrs nach, die die Bezirksamtsleiter bei einem Treffen im Oktober gebeten hatte zu überlegen, wie Flüchtlinge in den Unterkünften durch bürgerschaftliches Engagement unterstützt werden könnten. „Man hat sich auf einen gemeinsamen Austausch auf Bezirksebene mit Vertretern der Kirchen und der Kommunalpolitik verständigt“, so Katja Glahn, Sprecherin des Bezirks Hamburg-Nord. „Ende Januar wird es ein Gespräch geben, zu dem wir vor Kurzem eingeladen haben. Dabei wird es sowohl um einen Erfahrungsaustausch als auch um die Entwicklung von weiteren Aktivitäten gehen.“
Mit dabei ist natürlich auch Welcome to Barmbek. Ein sechsköpfiges Team rund um Stephan Peiffer übernimmt schon jetzt die Koordination der geplanten Hilfsmaßnahmen: Kinder zur Schule begleiten, Deutschkurse geben, Bastelnachmittage veranstalten, Brücken in die Sportvereine schlagen, den Flüchtlingen günstige Einkaufsgelegenheiten zeigen, Lebensmittel der Hamburger Tafel oder gebrauchte Kleidung austeilen – und, als Schnittstelle zwischen Staat und Bevölkerung, die Nachbarn rund um die Unterkünfte informieren.
Unterstützer für 500 neue Flüchtlinge werden gesucht
„Wenn wirklich demnächst 500 Flüchtlinge kommen, brauchen wir noch mehr Leute. Denn jeder kann sich ja nur temporär engagieren“, sagt Julia Rauner. Nach einer aktuellen Studie der Sozialbehörde engagiert sich die überwiegende Zahl der Freiwilligen regelmäßig einmal wöchentlich für etwa zwei Stunden. Die meisten leben in dem Stadtteil, in dem sie sich engagieren, und gehören verschiedenen Alters- und Berufsgruppen an. Das ist bei den Barmbekern auch so. Julia Rauner ist Verwaltungsangestellte, Ulrich Meyer-Ciolek, der Website und Facebook-Auftritt für „Welcome to Barmbek“ erstellt, ist IT-Berater; und Wiebke Hansen, die gerade eine Basisschulung für alle Ehrenamtlichen vorbereitet, ist ehemalige Kampagnenleiterin von „Unser Hamburg-Unser Netz“.
Kommunikation läuft über Facebook und Email
Mehr als 1000 Hamburger engagieren sich mittlerweile in den rund 70 Flüchtlingsunterkünften der Stadt. „Das ist eine erfreuliche Entwicklung im Bereich Ehrenamt, die es so vorher noch nie gegeben hat“, sagt Christiane Schröder vom Betreiber „Fördern und Wohnen“, wo allein rund 550 Freiwillige tätig sind. Teilweise gerieten ihre Kollegen aus der Freiwilligenkoordination schon an ihre Grenzen und können ein passendes Angebot erst nach einiger Zeit vermitteln.
Die Freiwilligen-Initiativen nutzen Plattformen wie Internet und Facebook und gründen sich teilweise, bevor die Einrichtungen entstehen. Das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der Sophienterrasse etwa wird frühestens im Juni 2015 bezogen. Die „Flüchtlingshilfe Harvestehude“ engagiert sich daher in der Zwischenzeit bei „HH-Herzliches Hamburg“ in Lokstedt.
++++ So können Sie Flüchtlinge in Hamburg unterstützen ++++
Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.hamburg.de/fluechtlinge/4384088/hamburg-hilft/ Dort Kontakte zu den Flüchtlingsinitiativen „HH-Herzliches Hamburg“ (Lokstedt), „Flüchtlingshilfe Harvestehude“, „Wir für Niendorf“, „Rothenburgsort - sozial stark!“, „Die Insel spendet“ (Wilhelmsburg) und „Bergedorfer für Völkerverständigung“.
„Fördern und Wohnen“ ist direkt erreichbar per E-Mail unter freiwilligenkoordination@foerdernundwohnen.de