Auf dem Gelände des UKE finden sich zwar noch Spuren aus der Gründerzeit. Seit der Eröffnung vor 125 Jahren hat sich die Klinik aber komplett gewandelt. Die vielen Umbauten waren immer ein Spiegel des medizinischen Fortschritts.
Hamburg. Der alte Obduktionssaal vermittelt eine Ahnung von der Vergangenheit. Licht strömt durch die gläserne Decke und die riesigen Seitenfenster herein, der Raum, in dem Mediziner früher Leichen untersuchten, wirkt luftig und offen. Die Bauweise ist damit typisch für die Anfänge des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE).
Heute, 125 Jahre nach der Gründung, hat sich das Gesicht des UKE völlig verändert. Wer das UKE vor 45 Jahren kenne, sagt Vorstandsmitglied Prof. Uwe Koch-Gromus, „der findet sich hier nicht mehr zurecht“.
Auf billigem Baugrund außerhalb der Stadtgrenzen waren vom Jahr 1885 an 55 Krankenpavillons samt Park errichtet worden. Die gut durchlüfteten und leicht zu reinigenden Bauten sollten dafür sorgen, dass sich Infektionskrankheiten nicht rasant ausbreiten – schließlich gab es noch keine Antibiotika.
Am 19. Mai 1889 wurde das „Neue Allgemeine Krankenhaus“ als größte deutsche Pavillonklinik eingeweiht. „Das Alexandrowsky-Krankenhaus in St. Petersburg und das Spital von Moabit sind meisterhafte Institute, aber im Vergleich mit Eppendorf verschwinden sie im Nichts“, schrieb die Londoner „Times“ später bewundernd.
Das Krankenhaus in der schnell wachsenden Handelsmetropole Hamburg war gleich am ersten Tag überbelegt. 1346 Patienten – und damit sechs mehr als erwartet – wollten sich behandeln lassen. Die Klinik musste daher schnell ausgebaut werden. „Krankenhäuser werden überhaupt nicht für Jahrhunderte gebaut“, sagte schon Heinrich Curschmann (1846-1910), der für die Planung und Gründung des UKE verantwortlich war.
Die baulichen Veränderungen spiegeln dabei die rasante Entwicklung in der Medizin mit immer besseren Behandlungsmöglichkeiten wider. Ablesen lässt sich das auch an der Zeit, die die Patienten im Krankenhaus verbringen mussten: 1895 kümmerten sich die Schwestern - damals noch in schwarz-weiß gestreiften Kleidern mit weißem Kragen und weißer Schürze – im Schnitt knapp 50 Tage um einen Kranken. Heute ist es dagegen nur noch rund eine Woche.
1934 erhielt die Klinik offiziell den Status eines Universitätskrankenhauses – neben der medizinischen Behandlung dient sie seither auch der Forschung und Lehre. Aber auch die NS-Ideologie hielt damals Einzug: Jüdische Professoren und Studenten wurden vertrieben, psychisch Kranke getötet, es gab Zwangssterilisationen und Menschenversuche.
Die Bombardierung Hamburgs im Zweiten Weltkrieg forderte auf dem Klinkgelände dagegen kaum Todesopfer, weil die Patienten in Bunkern behandelt wurden. Ein Drittel der Bauten wurde jedoch zerstört. Beim Wiederaufbau verabschiedete man sich vom alten Pavillonkonzept und schuf große Neubauten. Nach einem erneuten, millionenschweren Umbau prägt seit 2009 das „Neue Klinikum“ das Bild des UKE: Dort sind verschiedene medizinische Fachgebiete und Einrichtungen unter einem Dach vereint.
„Kurze Wege, schnelle Kommunikation“ – für den stellvertretenden Ärztlichen Direktor Prof. Christian Gerloff sind das die Hauptvorteile des zentralen Gebäudes. „Wenn der Dialog gelebt wird, kann der Funke überspringen.“ Seit dem Tod von UKE-Chef Prof. Martin Zeitz Ende November führt Gerloff die Geschäfte.
Derzeit spiele das UKE im oberen Drittel der europäischen Universitätsmedizin mit, sagt Gerloff. Bei der Behandlung von Prostatakrebs etwa sei das Klinikum sogar weltweit die Nummer eins. Gerloff geht aber davon aus, dass es in 10, 15 Jahren in Europa nur noch fünf bis sechs große, attraktive Zentren geben wird: „In dem Netzwerk wollen wir eine maßgebliche Rolle spielen.“ Dafür seien allerdings stetige Investitionen nötig.
Vom Senat erhält das UKE ein jährliches Budget von rund 130 Millionen Euro – etwa für Medizinerausbildung, Forschung und Investitionen. Nach einer Empfehlung des Wissenschaftsrats sollte der Senat rund 30 Millionen Euro mehr pro Jahr zur Verfügung stellen. „Wenn die Mittel nicht zur Verfügung gestellt werden, dann rutschen wir ins Mittelmaß“, sagt Gerloff.
In einigen anderen Bundesländern werde mehr investiert, dort habe die Hochschulmedizin einen höheren Stellenwert als in Hamburg. Was ist denn geblieben seit der Gründerzeit – außer einigen schönen alten Gebäuden? Gerloff fällt da sofort der Umgang mit der EHEC-Krise vor drei Jahren ein: Allein medizinische Gesichtspunkte – und keine ökonomischen – hätten dabei eine Rolle gespielt. „Jeder kümmert sich darum, dass die Krankheit besiegt wird – der ganze Ballast fällt ab und es geht um den Kern des medizinischen Handelns.“ Und Koch-Gromus ist verblüfft darüber, dass die Zahl der Betten seit der Gründung recht stabil geblieben ist: „Es ist erstaunlich, wie zutreffend die damalige Planziffer war.“